4.3.1 Inhalt
Rz. 30
Es ist zwischen Rechtsfragen und Regelungsfragen zu unterscheiden, je nachdem welche Meinungsverschiedenheit zur Entscheidung anstand. Die Einigungsstelle kann über Rechtsfragen befinden, soweit ihre Zuständigkeit dazu reicht. Dazu gehören rechtliche Vorfragen, etwa ihre eigene Zuständigkeit (Bestehen eines Mitbestimmungsrechts) oder die ordnungsgemäße Errichtung betreffend. Ansonsten ist die Einigungsstelle für die abschließende Entscheidung von Rechtsfragen nicht zuständig. Sie ist befugt, eilbedürftige Punkte vorläufig zu regeln.
Rz. 31
Hauptsächlich trifft die Einigungsstelle Regelungsentscheidungen. Die jeweilige Gestaltung ist "unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen" vorzunehmen. Dies ist für das erzwingbare Verfahren ausdrücklich bestimmt, gilt aber als allgemeiner Grundsatz auch für das freiwillige Verfahren. Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, der Einigungsstelle einen gewissen gerichtlich nicht zu überprüfenden Gestaltungsspielraum zu eröffnen. Dabei darf sich die Einigungsstelle nicht auf abstrakte Grundsätze beschränken. Sie kommt ihrem Regelungsauftrag nicht nach, wenn es an konkreten Anweisungen und Erläuterungen fehlt, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind. Eine Entscheidung der Einigungsstelle muss ihren Regelungsgegenstand auch vollständig erledigen. Wenn sie den Regelungsgegenstand nicht selbst regelt, sondern der Arbeitgeberin das Recht einräumt, den mitbestimmungspflichtigen Gegenstand im Wesentlichen allein zu gestalten, ist sie unwirksam.
Eine Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 5 Abs. 1 ArbSchG muss alle für die Gefährdungsbeurteilung wesentlichen Fragen selbst regeln. Dieses gilt auch für den Spruch der Einigungsstelle zu einer solchen Beurteilung i. S. d. § 87 Abs. 2 BetrVG. Andernfalls ist der Einigungsstellenspruch rechtsfehlerbehaftet.
Rz. 32
Im Laufe eines Verfahrens können auch mehrere Beschlüsse gefasst werden. Dies empfiehlt sich insbesondere dann, wenn ein praktisches Bedürfnis für eine vorläufige Regelung besteht.
4.3.2 Wirkung
Rz. 33
Im erzwingbaren Verfahren ersetzt der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen den Betriebspartnern. Wird eine Regelung getroffen, die an die Stelle einer Betriebsvereinbarung tritt, hat sie auch die Wirkungen einer Betriebsvereinbarung. Sie bindet die Betriebspartner und wirkt für die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer als verbindliche Norm. Soweit nichts Abweichendes geregelt ist, gilt die 3-monatige ordentliche Kündigungsfrist des § 77 Abs. 5 BetrVG. Der Spruch kann auch zeitlich befristet werden.
Rz. 34
Der Arbeitgeber hat den Spruch der Einigungsstelle durchzuführen. Diese Verpflichtung besteht aber nur, wenn der Spruch wirksam ist. Die Wirksamkeit kann von den Beteiligten jederzeit im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren überprüft werden. Im Fall der Einleitung eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens stellt sich die Frage, ob der Spruch vom Arbeitgeber durchzuführen und wie dies erforderlichenfalls durchzusetzen ist.
Da der Einigungsstellenspruch keinen vollstreckbaren Titel darstellt, bedarf es eines Beschlussverfahrens, um entweder dem Spruch zu seiner Durchsetzbarkeit zu verhelfen oder seine Umsetzung zu verhindern. Grundsätzlich sind Einigungsstellensprüche unmittelbar umzusetzen. Die dagegen gerichteten Angriffe, von welcher Seite auch immer, haben keinen Suspensiveffekt. Solange keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt, die die Unwirksamkeit des Spruchs feststellt, kommt daher eine einstweilige Verfügung zu seiner Durchsetzung in Betracht.
Der Vollzug eines Einigungsstellenspruchs kann durch die Arbeitsgerichte nur in Fällen besonders krasser und offensichtlicher Rechtsverstöße durch einstweilige Verfügung vorläufig ausgesetzt werden.
Es sind verschiedene Fallkonstellationen denkbar:
- Dem Arbeitgeber wird durch den Spruch ein bestimmtes Verhalten auferlegt; hier muss der Betriebsrat initiativ werden und das Verhalten durch eine entsprechende einstweilige Verfügung erzwingen. Hierfür reicht der Einigungsstellenspruch jedoch nicht aus, sondern es muss auch ein Eilbedürfnis vorliegen. Teilweise wird von der Rechtsprechung angenommen, dass dieses wegen der vom Gesetzgeber normierten Eilbedürftigkeit grundsätzlich gegeben sei. Dabei sind auch die Folgen einer einstweiligen Verfügung zu beachten. Sind diese nicht mehr rück...