4.4.1 Grundsätze
Rz. 35
Sprüche der Einigungsstelle unterliegen der Rechtskontrolle durch die Arbeitsgerichte. Der Ausschluss der Arbeitsgerichtsbarkeit ist nicht möglich. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Rechts- oder Regelungsstreitigkeiten handelt. Bei Regelungsstreitigkeiten gibt es aber die Besonderheit, dass die Überschreitung der Grenzen des Ermessens nur innerhalb von 2 Wochen vom Tag der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden kann. Darin liegt eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Versäumung zur Folge hat, dass der Spruch insoweit endgültig ist und in keinem Gerichtsverfahren mehr überprüft werden kann. Zur Fristberechnung ist Folgendes zu beachten:
Die Berechnung der Frist ist für jeden Betriebspartner getrennt vorzunehmen. Maßgeblich ist der Tag der Zuleitung des Beschlusses durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle. Die Frist endet 2 Wochen später mit Ablauf des Wochentags, der dem Tag der Zuleitung entspricht.
Beispiel: Zuleitung an einem Donnerstag, Fristende mit Ablauf des Donnerstags in 2 Wochen, 24 Uhr.
Fällt der Fristablauf auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags. Zur Wahrung der Frist müssen mit dem Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Spruchs unbedingt die Gründe vorgetragen werden, die zur Ermessensüberschreitung geführt haben sollen! Ein Nachschieben von Gründen nach Fristablauf heilt den Mangel nicht.
Im Übrigen sind auch bei einem Regelungsstreit alle Rechtsfragen uneingeschränkt zu überprüfen.
Rz. 35a
Verfahrensbegleitende Zwischenbeschlüsse der Einigungsstelle sind nicht gesondert gerichtlich anfechtbar. Als Entscheidung über eine Rechtsfrage stellt der Zwischenbeschluss einer Einigungsstelle, in dem diese ihre Zuständigkeit bejaht, keine die Einigung der Betriebsparteien ersetzende und diese bindende Regelung dar und kann deshalb nicht isoliert angefochten werden. Das BAG lehnt eine gesonderte Anfechtbarkeit ab, wenn bereits vor der gerichtlichen Anhörung im Verfahren erster Instanz der abschließend regelnde Spruch der Einigungsstelle vorliegt.
Rz. 35b
Die Anfechtung eines Einigungsstellen-Spruchs kann nicht darauf gestützt werden, die Einigungsstelle hätte vor ihrer Sachentscheidung Aufklärungsanträge bescheiden müssen, die eine Betriebspartei oder ein Beisitzer zuvor gestellt hat.
Rz. 36
Die gerichtliche Überprüfung findet im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren statt. Antragsbefugt sind die Betriebspartner. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände können das Verfahren nicht betreiben. Auch die Einigungsstelle selbst und ihre Mitglieder haben keine Antrags- und Beteiligungsbefugnis. Sie treten allenfalls als Zeugen auf. Die betroffenen Arbeitnehmer sind auf eine inzidente Überprüfung angewiesen. Die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle kann so auch Vorfrage im Urteilsverfahren sein, etwa wenn ein Arbeitnehmer Sozialplanansprüche gerichtlich geltend macht. Bei einem Einigungsstellenspruch über die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder sind auch diejenigen antragsbefugt, die in ihrer Rechtsposition hinsichtlich der Freistellung durch den Spruch betroffen sind, nicht hingegen die anderen Mitglieder, die sich an der Abstimmung beteiligt haben.
4.4.2 Umfang der gerichtlichen Überprüfung
Rz. 37
Für den Umfang der gerichtlichen Überprüfung ist es von Bedeutung, ob es sich um Rechtsfragen oder Regelungsfragen handelt. Sind Rechtsfragen betroffen, so hat sich die gerichtliche Prüfung auf solche Rechtsfragen zu erstrecken, die zur Unwirksamkeit des Spruchs führen könnten. Bei Sozialplänen ist Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle, ob sich der Spruch der Einigungsstelle als angemessener Ausgleich der Belange des Unternehmens auf der einen und der betroffenen Arbeitnehmer auf der anderen Seite erweist.
Beispiele für unwirksame Einigungsstellensprüche:
- Die Einigungsstelle ist zur Regelung der Übernahme von Fahrtkosten freigestellter Betriebsratsmitglieder eines regionalen Betriebsrats zum Betriebsratsbüro offensichtlich unzuständig
- Fehlende Zuständigkeit der Einigungsstelle, weil das in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht nicht bestand
- Fehlende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, weil die Einzelbetriebsräte zuständig waren, oder umgekehrt
- Verstöße gegen Grundrechte von Arbeitnehmern, Gesetze oder Tarifverträge
- Verletzung wesentlicher Verfahrensregeln, selbst wenn die Beteiligten diese nicht gerügt haben; so liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn der Vorsitzende allein über einen Vertagungsantrag entscheidet
- Einführung bezahlter (Raucher-)Pausen, wofür der Betriebsrat jedoch kein Mitbestimmungsrecht ha...