Rz. 37
Für den Umfang der gerichtlichen Überprüfung ist es von Bedeutung, ob es sich um Rechtsfragen oder Regelungsfragen handelt. Sind Rechtsfragen betroffen, so hat sich die gerichtliche Prüfung auf solche Rechtsfragen zu erstrecken, die zur Unwirksamkeit des Spruchs führen könnten. Bei Sozialplänen ist Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle, ob sich der Spruch der Einigungsstelle als angemessener Ausgleich der Belange des Unternehmens auf der einen und der betroffenen Arbeitnehmer auf der anderen Seite erweist.
Beispiele für unwirksame Einigungsstellensprüche:
- Die Einigungsstelle ist zur Regelung der Übernahme von Fahrtkosten freigestellter Betriebsratsmitglieder eines regionalen Betriebsrats zum Betriebsratsbüro offensichtlich unzuständig
- Fehlende Zuständigkeit der Einigungsstelle, weil das in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht nicht bestand
- Fehlende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, weil die Einzelbetriebsräte zuständig waren, oder umgekehrt
- Verstöße gegen Grundrechte von Arbeitnehmern, Gesetze oder Tarifverträge
- Verletzung wesentlicher Verfahrensregeln, selbst wenn die Beteiligten diese nicht gerügt haben; so liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn der Vorsitzende allein über einen Vertagungsantrag entscheidet
- Einführung bezahlter (Raucher-)Pausen, wofür der Betriebsrat jedoch kein Mitbestimmungsrecht hat
- Kostentragungspflicht bei einheitlicher Personalkleidung, keine Annexkompetenz der Einigungsstelle
- Festlegung einer Frist in einer durch Einigungsstellenspruch festgelegten Betriebsvereinbarung, innerhalb derer der Betriebsrat eine Stellungnahme zu einer Personaleinsatzplanung abzugeben hat, dem Betriebsrat bei Verweigerung der Zustimmung auferlegt, eine schriftliche Begründung vorzulegen und bei deren Verstreichen die Zustimmung des Betriebsrats zu der Personaleinsatzplanung fingiert wird
- Festsetzung einer Mindestpersonalbesetzung in einer durch Einigungsstellenspruch festgelegten Betriebsvereinbarung, da dies von der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats nach§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 3 Abs. 1 ArbSchG nicht gedeckt ist
Rz. 38
Sind Regelungsfragen verhandelt worden, bleiben die oben genannten Rechtsfehler des Spruchs uneingeschränkt überprüfbar. Das Gericht prüft aber darüber hinaus die Rechtsfrage, ob die Grundsätze des billigen Ermessens eingehalten wurden. Für die Kontrolle der Ermessensgrenzen ist die 2-Wochenfrist zu beachten. Dabei findet eine Zweckmäßigkeitsüberprüfung des Spruchs nicht statt. Das Gericht prüft lediglich, ob die beiderseitigen Interessen zu einem Ausgleich gebracht wurden. Dem Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts ist dabei ebenso wie den unternehmerischen Interessen Rechnung zu tragen. Die Grenzen sind überschritten, wenn eine sachgerechte Interessenabwägung nicht erkennbar oder die Regelung objektiv ungeeignet ist.
Beispiel für eine Ermessensüberschreitung:
Ein durch Spruch der Einigungsstelle beschlossener Transfersozialplan zum Übertritt in eine externe Transfergesellschaft muss hinreichend konkrete Regelungen zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Beschäftigten enthalten. Dem genügt ein vorgesehenes Gesamtbudget der Weiterbildungsmittel für den Träger ohne Vorgaben oder Einfluss der Einigungsstelle zur Verteilung dieser Mittel auf die übergehenden Beschäftigten regelmäßig nicht. Ansonsten ist jedenfalls der bestehende Regelungsspielraum überschritten.
Wenn der Arbeitgeber den Einigungsstellenspruch wegen Überdotierung des Sozialplans anficht, hat er entweder darzulegen, dass dessen Regelungen zu einer Überkompensation der den Arbeitnehmern voraussichtlich entstehenden Nachteile führen und schon deshalb die Obergrenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verletzen oder dass sie die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen überschreiten. Dabei ist die Dotierung eines außerhalb eines Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplans für das Unternehmen regelmäßig nicht wirtschaftlich vertretbar, wenn die Erfüllung der sich aus ihm ergebenden Verbindlichkeiten zu einer Illiquidität, einer bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr hinnehmbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt.
Bei der Frage, ob ein Einigungsstellenspruch von dem erteilten Regelungsauftrag gedeckt ist, handelt es sich nicht um eine Frage der Ermessensausübung. Die Zuständigkeit der Einigungsstelle ist gerichtlich voll überprüfbar.
Das Arbeitsgericht prüft nur den Spruch selbst, nicht die zugrunde liegenden Erwägungen. Schließlich kommt es auf die Umstände zum Zeitpunkt der Beschlussfassung an. Spätere Entwicklungen fließen in die Prüfung nicht mit ein und führen allenfalls zu einer erneuten Einigungsstelle.
Bei der Wahl des freizustellenden Betriebsratsmitgliedes kann die Entscheidung der Einigungsstelle darauf überprüft werden, ob sie den unbestimmten Rechtsbegriff "sachlich nicht vertretbar" verkannt oder den Minderheitenschutz beachtet hat.
...