Rz. 2
Das kollektive Beschwerdeverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer seine Beschwerde beim Betriebsrat einlegt, der in einem ersten Schritt die Beschwerde auf ihre Berechtigung hin überprüft. Abhängig vom Ergebnis dieser Prüfung gestaltet sich sodann das weitere Vorgehen des Betriebsrats.
2.1 Entgegennahme der Beschwerde durch den Betriebsrat
Rz. 3
Nach § 85 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat als Organ für die Entgegennahme der Beschwerde zuständig. Mithin ist nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG im Regelfall der Betriebsratsvorsitzende, im Fall seiner Verhinderung der Stellvertreter, zur Entgegennahme der Beschwerde berufen. Allerdings kann gemäß § 28 BetrVG hierfür auch ein besonderer Beschwerdeausschuss gebildet werden. Im übrigen kann auch ein sonstiges Betriebsratsmitglied als Bote des Arbeitnehmers mit der Übermittlung einer Beschwerde an den Vorsitzenden beauftragt werden.
Rz. 4
§ 85 BetrVG ergänzt das individuelle Beschwerdeverfahren des § 84 BetrVG, so dass dieselben allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen wie bei § 84 erfüllt sein müssen. Der Gegenstand der Beschwerde ist daher der gleiche wie in § 84 BetrVG, daher können auch Rechtsansprüche Gegenstand der Beschwerde sein. Durch § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG wird nur ausgeschlossen, dass in diesem Fall ein verbindliches Einigungsstellenverfahren durchgeführt wird.
Für das kollektive Beschwerdeverfahren bestehen – vorbehaltlich einer Regelung nach § 86 BetrVG – keine Form- oder Fristerfordernisse. Der Arbeitnehmer ist daher auch berechtigt, unmittelbar seine Beschwerde beim Betriebsrat einzureichen, ohne zuvor ein individuelles Beschwerdeverfahren beim Arbeitgeber durchzuführen. Die Beschwerde kann während der Arbeitszeit beim Betriebsrat eingereicht werden, ohne dass eine Minderung des Arbeitsentgeltes wegen der Versäumnis der Arbeitszeit erfolgen darf.
2.2 Behandlung der Beschwerde durch den Betriebsrat
Rz. 5
Der Betriebsrat muss die Beschwerde des Arbeitnehmers entgegennehmen und diese auf ihre Berechtigung hin prüfen. Hierüber hat ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsratsgremiums oder eines hierfür eingerichteten Ausschusses zu erfolgen. Betriebsratsmitglieder, die eine Beschwerde nach § 85 BetrVG beim Betriebsrat erhoben haben, dürfen an der Beschlussfassung hierüber nicht teilnehmen, da sie nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG aus Rechtsgründen an der Teilnahme an der Sitzung verhindert sind (LAG Nürnberg, Beschluss v.16.10.2012,TaBV 28/12). Vor der Entscheidung ist die Anhörung des Beschwerdeführers zweckmäßig, damit dieser sein Anliegen erklären und hierüber befragt werden kann. Diese ist aber nicht zwingend.
Hält der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt, so ist er gemäß § 85 Satz 1 BetrVG verpflichtet, beim Arbeitsgeber auf Abhilfe hinzuwirken, der Betriebsrat wird so zum Interessenvertreter des beschwerdeführenden Arbeitnehmers. Er muss mit dem Arbeitgeber über die Erledigung der Beschwerde verhandeln und kann dem Arbeitgeber Vorschläge zur Beseitigung der vorliegenden Beeinträchtigung machen. Dabei kann der Betriebsrat auch den Weg des § 104 BetrVG beschreiten und vom Arbeitgeber die Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer verlangen, dies kommt insbesondere bei wiederholten rassistischen oder fremdenfeindlichen Betätigungen in Betracht. Der Betriebsrat kann sich dabei die Ausführungen in der Beschwerde zu eigen machen und damit an sich ehrenrührige Tatsachen über einen Arbeitnehmer, der in der Beschwerde beschuldigt wurde, an den Arbeitgeber weitergeben. In so einem Fall kann der betroffene Arbeitnehmer den Betriebsrat nicht auf Unterlassung der Behauptungen in Anspruch nehmen, da der Betriebsrat in Wahrnehmung berechtigter Interessen (vgl. § 193 StGB) handelt (ArbG Offenbach, Urteil v. 23.10.2001, 5 Ca 138/01). Allerdings kommt ein Vorgehen gegen den beschwerdeführenden Arbeitskollegen in Betracht (LAG Hessen, Urteil v. 09.05.2012, 18 Sa 1596/11). Der Betriebsrat ist verpflichtet, den Beschwerdeführer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu unterrichten.
Rz. 6
Hält der Betriebsrat in die Beschwerde für nicht berechtigt, so muss er den Arbeitnehmer hierüber informieren. Dabei muss er keine bestimmte Form einhalten, allerdings ist eine Begründung erforderlich. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 85 Abs. 1 BetrVG, die sachgemäße Behandlung von Beschwerden zählt aber bereits zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats. Der Arbeitnehmer hat keinen Rechtsanspruch gegen den Betriebsrat, beim Arbeitgeber auf Abhilfe der Beschwerde hinzuwirken. Daher kann er die Weiterverfolgung der Beschwerde gerichtlich nicht erzwingen. Nach anderer Auffassung soll der Arbeitnehmer einen im Beschlussverfahren durchsetzbaren Rechtsanspruch gegen den Betriebsrat besitzen. Ein solcher Anspruch ist abzulehnen, da die Verfolgung betriebsverfassungsrechtlicher Regelungsang...