Rz. 89
§ 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG betrifft die Umstände der Auszahlung der Arbeitsentgelte. Erfasst werden weder Fragen der innerbetrieblichen Lohngestaltung (dazu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) noch die Höhe der jeweiligen Vergütung.
Rz. 90
Arbeitsentgelt ist jede Gegenleistung des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unabhängig von ihrer Bezeichnung. Dazu zählen insbesondere:
- Lohn und Gehalt nebst der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- Tantiemen
- Provisionen
- Zulagen aller Art (Schmutzzulagen, Familienzulagen etc.)
- Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Jahressonderleistungen, 13. Monatsgehalt, Gratifikationen
- Sachleistungen, Deputate u. Ä.
Rz. 91
Folgende Umstände unterliegen der Mitbestimmung:
- Festlegung der Entgeltzahlungsperiode (z. B. wöchentlich, monatlich – nicht aber die Bemessungsgrundlage des Entgelts z. B. Stundenlohn, Monatslohn)
- Ort der Auszahlung (im Betrieb, auf auswärtigen Arbeitsstellen oder über außerbetriebliche Zahlungsstellen)
- Bestimmung des Zahlungszeitpunkts (ggf. letzter Auszahlungszeitpunkt im Abrechnungslauf – nicht jedoch die Voraussetzungen, unter denen der Entgeltanspruch untergeht
- Art der Entgeltzahlung (bar, Scheck, Überweisung auf Konto)
Rz. 92
Soweit eine bargeldlose Zahlung vorgesehen ist, stellt sich die damit eng verbundene Frage, wer die Kosten dafür zu tragen hat. Schließlich entstehen Kontoführungsgebühren, Gebühren für die Überweisung des Arbeitsentgelts und ggf. Gebühren oder Kosten (Zeitaufwand, um bei der Bank das Geld zu holen) für die einmalige Abhebung des Arbeitsentgelts. Bei moderner Betrachtung, die der Gesetzgeber stets im Auge hat, wenn man an die Gesetzesbegründung zur Novellierung des BetrVG im Jahr 2001 denkt, gehört die Führung eines Kontos zu den üblichen Lebenshaltungskosten und ist nicht durch die bargeldlose Gehaltszahlung bedingt. Dennoch wird von der Rechtsprechung wiederholt ausgeführt, der Betriebsrat habe eine Art Annex-Mitbestimmungsrecht bezüglich der Regelung der Kostenfrage. In einer Betriebsvereinbarung kann daher (mitbestimmungspflichtig) geregelt werden, dass dem Arbeitgeber die Kontoführungsgebühren auferlegt werden, soweit diese durch die Überweisung des Arbeitsentgelts verursacht werden. Das leuchtet für den Fall, dass der Arbeitgeber kein Interesse an der bargeldlosen Zahlung hat, nicht ein. In diesem Fall wäre ein Spruch der Einigungsstelle, der dem Arbeitgeber dennoch die Kosten auferlegt, ermessensfehlerhaft, § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG. So sieht das auch das LAG Hamm: "Wenn ein Arbeitgeber den Arbeitnehmern anbietet, das Arbeitsentgelt bar und während der Arbeitszeit an die Arbeitnehmer auszuzahlen, ist ein Spruch der Einigungsstelle, der die bargeldlose Lohnzahlung regelt und den Arbeitgeber verpflichtet, an jeden Arbeitnehmer monatlich 8 DM zum Ausgleich der durch die bargeldlose Lohnzahlung entstehenden Kosten zu zahlen, ermessensfehlerhaft." Die Ermessensgrenzen sind ebenfalls überschritten, wenn der Arbeitgeber durch Spruch verpflichtet wird, alle Arbeitnehmer monatlich eine Stunde von der Arbeit freizustellen, um den Zeitaufwand für den Gang zur Bank auszugleichen, obwohl der Arbeitgeber die Zahlung per Scheck im Betrieb angeboten hat.
Zur Zuständigkeit bzw. Unzuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gem. § 50 Abs. 1 BetrVG für die Aufhebung einer Betriebsvereinbarung über eine Kontoführungspauschale, die der Betriebsrat eines einzelnen Betriebs abgeschlossen hat.
Rz. 93
Bei der Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG sind stets die vorrangigen tariflichen und gesetzlichen Vorschriften zu beachten. In Betracht kommen:
- § 64 HGB, Gehalt für kaufmännische Angestellte ist zwingend am Ende jeden Monats auszuzahlen.
- § 87c Abs. 1 Satz 1 HGB, bei Provisionen von kaufmännischen Angestellten darf der Abrechnungszeitraum 3 Monate nicht überschreiten.
- In der Pflegebranche sperrt die gesetzliche Fälligkeitsregelung des § 3 Abs. 1 PflegeArbbV das Mitbestimmungsrecht bei Fragen der Zeit der Auszahlung der Arbeitsentgelte für das den Pflegekräften zu zahlende Mindestentgelt.
- § 2 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG verlangt die Auszahlung des Mindestlohns spätestens am Ende des auf die Arbeitsleistung folgenden Monats, sodass auch insoweit in gesetzliche – aber nicht abschließende Regelung.