Rz. 129
Die größte Gruppe von Ausländern, die sich in Deutschland auf ein Freizügigkeitsrecht berufen können, ergibt sich aus den Bürgern der Europäischen Union. Unionsbürger ist nach Art. 20 Abs. 1 Satz 2 AEUV, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union besitzt. Art. 21 Abs. 1 AEUV bestimmt das Recht eines jeden Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten – vorbehaltlich abweichender Regelungen in den Verträgen und den einschlägigen Durchführungsvorschriften – frei zu bewegen und aufzuhalten. Art. 21 Abs. 1 AEUV gewährt damit ein subjektiv-öffentliches Recht auf freie Einreise, Ausreise, Freizügigkeit und Aufenthalt in Deutschland (und den anderen Mitgliedstaaten), unabhängig davon, welcher Zweck mit der Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts verfolgt wird. Spezielle Freizügigkeitsgewährleistungen finden sich in Art. 45 AEUV sowie Art. 49, 56 AEUV.
Rz. 130
Das Europäische Primärrecht findet seine Ausgestaltung auf sekundärrechtlicher Ebene. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Richtlinie 2004/38/EG (sog. Freizügigkeitsrichtlinie) des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. In Umsetzung der Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber zum 1.1.2005 das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) in Kraft gesetzt.
Rz. 131
Das FreizügG/EU regelt einfachgesetzlich Einreise und Aufenthalt von Unionsbürgern und deren Familienangehörigen (zum Begriff s. Art. 2 Nr. 2 RL 2004/38/EG). Unionsbürger erhalten nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU von Amts wegen eine Bescheinigung über ihr Aufenthaltsrecht. Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats haben, erhalten eine sog. Aufenthaltskarte.
Rz. 132
Nachweis des Freizügigkeitsstatus
Sowohl der Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht als auch der Aufenthaltskarte kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Für einen Anspruch auf Elterngeld sind sie nicht konstitutiv. Die Behörde darf einen Antrag auf Elterngeld somit nicht mit der Begründung ablehnen, der Antragsteller habe die entsprechenden Dokumente nicht vorgelegt (vgl. Art. 25 Abs. 1 RL 2004/38/EG).
Ist im Einzelfall die Überprüfung des Freizügigkeitsstatus angezeigt und kann oder will der Antragsteller eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU nicht vorlegen, kann der entsprechende Nachweis auch über die Vorlage eines Arbeitsvertrags, der Gewerbeanmeldung oder Steuernummer geführt werden. Für nicht erwerbstätige Unionsbürger bzw. deren Familienangehörige ist der Nachweis einer Krankenversicherung oder ausreichender Existenzmittel erforderlich.
Rz. 133
Keinen Anspruch auf Elterngeld trotz Unionsbürgerschaft haben Beamte aus anderen EU-Mitgliedstaaten, da diese nach Art. 11 Abs. 3b VO (EG) 883/2004 den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegen, dem die sie beschäftigende Verwaltungseinheit angehört.