Rz. 20
Die Tatsachen müssen – dem Gesetzeswortlaut entsprechend – zu einem Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen führen. Diese Wortwahl impliziert das Bestehen der Leistungsvoraussetzungen zum Bewilligungszeitpunkt, denn nur wenn diese zunächst gegeben waren, ist ein späterer Wegfall denklogisch möglich. Dies hätte zur Konsequenz, dass eine vorläufige Einstellung laufender Leistungen bei anfänglicher Rechtswidrigkeit – wenn also die Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld zu keinem Zeitpunkt vorlagen – nicht möglich wäre. Der zuständigen Behörde wäre mit anderen Worten ein Rückgriff auf § 26 Abs. 2 i. V. m. § 331 Abs. 1 Satz 1 SGB III demnach nur beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X (Aufhebung bei nachträglicher Rechtswidrigkeit) eröffnet; eine vorläufige Leistungseinstellung in den Fällen des § 45 Abs. 1 SGB X (Rücknahme bei anfänglicher Rechtswidrigkeit) würde indes ausscheiden. Diese sich hieraus ergebende Problematik wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.
Rz. 21
So ist nach teilweise vertretener Auffassung in Literatur und Rechtsprechung der Anwendungsbereich des § 331 SGB III auf die Fälle des § 48 SGB X begrenzt. Eine Anwendbarkeit auf die von § 45 SGB X erfassten Konstellationen wird von dieser Auffassung abgelehnt. Dabei wird sowohl auf den Wortlaut des § 331 Abs. 1 Satz 1 SGB III als auch auf dessen terminologische Anknüpfung an § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X verwiesen. Des Weiteren wird die Intention des Gesetzgebers angeführt, wonach nur solche Sachverhalte erfasst werden sollten, die nachträglich einer Änderung unterliegen.
Rz. 22
Nach der Gegenansicht soll die Formulierung des § 331 Abs. 1 Satz 1 SGB III regelmäßig so zu lesen sein, dass die Behörde Kenntnis von Tatsachen erhalten muss, die ihr einen Grund für den Erlass eines Aufhebungsbescheides geben. Abgesehen davon, dass der Begriff der Aufhebung auch in Vorschriften wie § 39 Abs. 2 SGB X oder § 50 Abs. 1 SGB X weit gefasst werde, sei auch nicht einzusehen, warum der Leistungsträger in den Fällen des § 45 SGB X nicht von einer vorläufigen Zahlungseinstellung Gebrauch machen dürfe.
Rz. 23
Zwar ist letzterer Auffassung zuzugeben, dass der mit der Erstattung von Überzahlungen verbundene Aufwand für Leistungsempfänger und Verwaltung, der durch § 331 Abs. 1 SGB III vermieden werden soll, sich in den Fällen des § 45 SGB X nicht anders darstellen dürfte als in den Fällen des § 48 SGB X. Der eindeutige Wortsinn einer gesetzlichen Vorschrift ist aber die Grenze jeder Auslegung. Insoweit hat der Gesetzgeber mit seiner Wortwahl ("weggefallen") eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Anspruchsvoraussetzungen zunächst vorgelegen haben müssen, damit die Regelung des § 331 Abs. 1 SGB III nutzbar gemacht werden kann.
Rz. 24
Falsche Angabe zur Erwerbstätigkeit – keine vorläufige Leistungseinstellung
F und M beziehen parallel Elterngeld für den 1. bis 7. Lebensmonat ihres Kindes. Im Rahmen der Antragstellung gibt M treuwidrig an, seine Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum auf durchschnittlich 25 Wochenstunden zu reduzieren. Nachdem die Behörde bereits für 3 Monate Elterngeld zur Auszahlung gebracht hat, erfährt sie, dass M seiner Erwerbstätigkeit von Beginn des Leistungszeitraums an uneingeschränkt in Vollzeit weiter nachgegangen ist. Können die Leistungen vorläufig eingestellt werden?
Lösung:
Eine vorläufige Leistungseinstellung scheidet nach der hier vertretenen Auffassung aus, da die Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld bei M zu keinem Zeitpunkt vorlagen. Sie sind deshalb auch nicht "weggefallen". Der Behörde bleibt es jedoch unbenommen, den Bewilligungsbescheid nach § 45 SGB X zurückzunehmen.
Rz. 25
Obwohl der Wortlaut der Norm eine Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 Satz 1 SGB III nur bei einem uneingeschränkten Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen vorsieht, ist nach Sinn und Zweck der Regelung diese auch dann einschlägig, wenn es lediglich zu einem teilweisen Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen kommt. Nach § 48 SGB X ist nämlich auch die teilweise Aufhebung eines Bescheids möglich. Dies sei an folgendem Beispiel veranschaulicht:
Höheres Gehalt als geplant
F führt während des Bezugs von Elterngeld ihre Erwerbstätigkeit in einem Umfang von durchschnittlich 30 Wochenstunden fort. Entgegen ihrer ursprünglichen Erwartung stellt sich heraus, dass sie durch eine Gehaltssteigerung in den bereits vergangenen Monaten ein höheres Erwerbseinkommen als zunächst angenommen erzielt. Dies teilt sie der zuständigen Behörde mit.
Lösung:
Da mit der Gewährung von Elterngeld Einkommenseinbußen kompensiert werden sollen, wird während des Bezugszeitraums erzieltes Einkommen nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 BEEG auf das Elterngeld angerechnet. Unabhängig von der Höhe des erzielten Einkommens sieht § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG jedoch eine Untergrenze von 300 EUR vor. Der Anspruch auf Elterngeld ist nicht vollständig, jedoch teilweise weggefallen. Eine vorläufige (teilweise) Einstellung der...