Rz. 12
Der persönliche Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes ist ausführlich in § 1 Abs. 2-4 geregelt.
4.1 Schwangerschaft, Geburt, Stillen
Rz. 13
In § 1 Abs. 4 wird bewusst auf die Verwendung des Begriffes "Frau" verzichtet. Der persönliche Geltungsbereich wird damit beschrieben, dass das Gesetz für jede Person gilt, die schwanger ist, ein Kind geboren hat oder stillt. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es nicht darauf ankommt, wie die "Person" hinsichtlich ihres Geschlechtes im Geburtenregister erfasst ist oder ob hier später Änderungen vorgenommen worden sind. Allein maßgeblich ist, dass einer der schutzbedürftigen Tatbestände der Schwangerschaft, der Entbindung oder des Stillens eines Kindes vorliegt. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass ein Arbeitgeber oder ein Arbeitsgericht je auf die Idee verfallen wäre, einem Menschen, der schwanger ist, den Schutz des Mutterschutzgesetzes zu verweigern, nur weil er/sie personenstandsrechtlich nicht als Frau eingetragen ist.
Rz. 14
Die einzelnen Merkmale werden bei den jeweiligen Vorschriften, die Bedeutung haben, im Einzelnen kommentiert. Die Frage, wann eine Schwangerschaft beginnt und endet, spielt vor allem im Zusammenhang mit dem Kündigungsverbot des § 17 MuSchG eine Rolle und ist dort kommentiert.
Der Begriff der Geburt eines Kindes (Entbindung), auch in Abgrenzung zu einer Fehlgeburt, spielt vor allem eine Rolle im Zusammenhang mit einer Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG nach der Entbindung und ist dort kommentiert. Anwendungsfragen im Zusammenhang mit der Feststellung der Schwangerschaft sind in § 7 MuSchG kommentiert.
Grundsätzlich gilt, dass allein das Erfüllen eines der 3 genannten Merkmale ausreicht, um im Zusammenhang der jeweiligen Schutzvorschrift das Mutterschutzgesetz zur Anwendung zu bringen. Andere Kriterien gibt es nicht, insbesondere ist gleichgültig, aus welcher Motivation heraus die Person schwanger ist, z. B. als "Leihmutter". Ebenso spielt keine Rolle, wie es zur Schwangerschaft gekommen ist. Da das Gesetz nach seinem Zweck die betroffene Person vor den Belastungen und auch Gefährdungen einer Schwangerschaft schützen will, ist eine Anwendung auf Personen, die nicht schwanger sind, ein Kind geboren haben oder gerade stillen, auch im Falle der Adoption eines Säuglings ausgeschlossen. Die damit verbundenen Belastungen werden durch die Möglichkeit der Elternzeit nach dem BEEG ausgeglichen. Auch das gilt unabhängig vom jeweiligen Geschlecht.
4.2 Sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis (§ 1 Abs. 2 Satz 1)
4.2.1 Begriff
Rz. 15
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 gilt das Gesetz nicht nur für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, sondern für alle Frauen, die sich in einer Beschäftigung i. S. v. § 7 Abs. 1 SGB IV befinden. Maßgeblich ist also nicht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, sondern eines sozialversicherungsrechtlichen (nicht-pflichtigen!) Beschäftigungsverhältnisses. Ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis liegt nach § 7 Abs. 1 SGB IV vor, wenn die Frau nicht selbstständige Arbeit leistet, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sind eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Voraussetzung für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses ist nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 SGB IV zunächst die Erbringung von nichtselbstständiger Arbeit. Arbeit ist jede planmäßige Betätigung der körperlichen und geistigen Kräfte. Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient.
Die Arbeitsleistung muss dabei unselbstständig erbracht werden. Typisches Merkmal hierfür ist die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation.
Der Begriff des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ist ausgesprochen schillernd und durch eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, insbesondere der Sozialgerichtsbarkeit, geprägt.
Rz. 16
Durch das Anknüpfen des Mutterschutzes an das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Genüge getan. Der EuGH definiert in ständiger Rechtsprechung den Begriff der Arbeitnehmerin i. S. d. Richtlinie RL 82/95/EWG so, dass er nicht je nach nationalem Recht unterschiedlich ausgelegt werden darf, sondern anhand objektiver Kriterien zu bestimmen ist, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Betroffenen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Daraus hat der EuGH im Falle Danosa den Schluss gezogen, dass die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, zu bejahen ist, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung od...