Rz. 22
Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses in § 7 Abs. 1 SGB IV ist weitergehend als der des Arbeitsverhältnisses i. S. v. § 611a BGB. Das (arbeitsrechtliche) Arbeitsverhältnis ist ein Unterfall des Beschäftigungsverhältnisses. Gleichwohl ist es Hauptanwendungsbereich des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses. Das ergibt sich bereits aus § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, der das Arbeitsverhältnis als typischen Fall der Beschäftigung ausdrücklich benennt. Oft ist das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses völlig unproblematisch. Sowohl die arbeitsgerichtliche als auch die sozialgerichtliche Rechtsprechung beschäftigen hier jedoch immer wieder Fälle, bei denen sich die Frage stellt, ob eine selbstständige Tätigkeit oder ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Beides schließt einander aus. Typischer Problemfall sind sog. "Solo-Selbstständige".
Rz. 23
Der Begriff des Arbeitsvertrages und damit mittelbar auch der Begriff des Arbeitsverhältnisses und des Arbeitnehmers ist in § 611a Abs. 1 BGB gesetzlich normiert. Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
Durch diese seit dem 1.4.2017 bestehende gesetzliche Regelung wollte der Gesetzgeber die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes normieren, ohne dass damit inhaltliche Änderungen verbunden sein sollten. Es bleibt dabei, dass für die Abgrenzung zwischen einem Arbeitszeugnis in einer selbstständigen Tätigkeit der Grad der persönlichen Abhängigkeit und damit die Weisungsgebundenheit der Tätigkeit maßgeblich ist.
Rz. 24
Auf wirtschaftliche Abhängigkeiten kommt es gerade nicht an. Das ergibt sich auch aus § 92a HGB, der den Einfirmenvertreter trotz seiner offensichtlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit gleichwohl als Handelsvertreter (also als Selbstständiger) einordnet.
Persönliche Abhängigkeit ist entscheidend
Für die Frage, ob ein Mitarbeiter Arbeitnehmer oder Selbstständiger ist, kommt es auf die persönliche und nicht auf die wirtschaftliche Abhängigkeit an.
Für die Abgrenzung, ob eine bestimmte Form der Leistung von Arbeit ständige Tätigkeit darstellt oder in einem Arbeitsverhältnis erbracht wird, kann daher auf die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes weiter zurückgegriffen werden.
Definition des Arbeitnehmers durch das BAG
Rz. 25
Das Bundesarbeitsgericht beschreibt die Merkmale eines Arbeitnehmers in ständiger Rechtsprechung wie folgt:
Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich vom Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers oder Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Dienst- oder Werkleistung. Arbeitnehmer ist, wer weisungsgebunden vertraglich geschuldete Leistungen im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Der hinreichende Grad persönlicher Abhängigkeit zeigt sich nicht nur daran, dass der Beschäftigte einem Direktionsrecht seines Vertragspartners unterliegt, welches Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort oder sonstige Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit betreffen kann, sondern kann sich auch aus einer sehr detaillierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltung oder tatsächlichen Vertragsdurchführung ergeben.
Der Grad der persönlichen Abhängigkeit wird auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit bestimmt. Insoweit lassen sich abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien nicht aufstellen. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen freier Dienstverträge oder Werkverträge erbracht werden, andere regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Aus Art und Organisation der Tätigkeit kann auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zu schließen sein.
Rz. 26
Für die Abgrenzung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände der Leistungserbringung von Bedeutung, nicht aber die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben oder gar die von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung des Vertrags. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen si...