2.1 Schutzfrist vor der Entbindung (§ 3 Abs. 1)
Rz. 5
Der Begriff "Schutzfrist vor der Entbindung" wird in § 3 Abs. 1 gesetzlich bestimmt. Der Arbeitgeber darf eine Schwangere 6 Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigen. Die Regelung übernimmt redaktionell überarbeitet den Regelungsgehalt des früheren § 3 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 MuSchG a. F. Dieses Beschäftigungsverbot ist dispositiv. Die Schwangere kann sich durch ausdrückliche Erklärung zur Arbeitsleistung bereiterklären. Das Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 2 MuSchG hingegen ist zwingend und kann nicht durch eine Verzichtserklärung der Frau außer Kraft gesetzt werden.
2.2 Vorliegen einer Schwangerschaft als notwendige Voraussetzung
Rz. 6
Das Beschäftigungsverbot kommt nach dem Wortlaut des Gesetzes nur für werdende Mütter in Betracht (wobei das Mutterschutzgesetz nach § 1 Abs. 4 für jede "Person gilt, die schwanger ist"). Eine Schwangerschaft ist Voraussetzung für das Entstehen des Beschäftigungsverbots. Nach der medizinischen Definition liegt eine Schwangerschaft ab der Einnistung der befruchteten Eizelle vor. Auch eine Bauchhöhlenschwangerschaft führt zur Feststellung einer Schwangerschaft. Eine Schwangerschaft i. S. d. MuSchG beginnt im Falle einer künstlichen Befruchtung durch In-Vitro-Fertilisation bereits mit dem Einsetzen der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter der Frau also der Zeitpunkt der Verbindung einer befruchteten Eizelle mit dem Organismus der Frau durch den Embryonentransfer. Auch bei der natürlichen Empfängnis beginnt die Schwangerschaft mit der Konzeption, nicht erst mit der Nidation. Voraussetzung ist also das tatsächliche Bestehen einer Schwangerschaft. Die Schwangere genügt ihrer Darlegungslast nach zunächst durch Vorlage der Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 MuSchG. Will der Arbeitgeber die Bescheinigung nicht gegen sich gelten lassen, hat er seinerseits Umstände darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, die zu ernsthaften Zweifeln an den Voraussetzungen der Anwendung des MuSchG Anlass geben.
2.3 Berechnung des voraussichtlichen Tages der Entbindung
Rz. 7
Für die Berechnung der Schutzfrist ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis ergibt. Neben dem ärztlichen Zeugnis steht gleichrangig das Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungshelfers. Die Feststellung eines voraussichtlichen Geburtstermins ist immer eine vage Prognose, jedoch kalendermäßig vorläufig angegeben und damit als Berechnungsgrundlage fixiert. Der Beginn einer Schwangerschaft kann auch rechnerisch festgestellt werden, indem vom voraussichtlichen Geburtstermin (Feststellung als Datum) 280 Tage zurückgerechnet werden, um den Beginn der Schwangerschaft zu markieren.
Rz. 8
Der voraussichtliche Geburtstermin ist im Mutterpass bestätigt. Einen Mutterpass erhält eine werdende Mutter in Deutschland ab offizieller Feststellung einer Schwangerschaft von ihrem behandelnden Frauenarzt oder der betreuenden Hebamme. In den Mutterpass werden bis zur Geburt des Kindes alle relevanten Daten zur Gesundheit der Mutter wie Blutgruppe, wichtige Blutwerte wie Eisengehalt, Untersuchungsergebnisse für Erb- und Infektionskrankheiten sowie Befunde über das Kind, wie Lage, Gewicht, Größe und der voraussichtliche Geburtstermin eingetragen. Auch nach der Geburt werden im Mutterpass noch einige wichtige Daten z. B. zum Wochenbett und zu Nachuntersuchungen notiert. Der Pass dient dazu, in Notfällen schnell und zutreffend reagieren zu können. Daher wird empfohlen, dass die Schwangere den Mutterpass während der Schwangerschaft stets bei sich trägt. Der Pass liefert zudem wichtige Informationen bei einer erneuten Schwangerschaft.
Rz. 9
Der Mutterpass ist ein persönliches Dokument der Schwangeren und enthält besonders schutzwürdige medizinische Daten. Daher hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf Vorlage des Mutterpasses. Der Arbeitgeber hat lediglich Anspruch auf Mitteilung der Schwangerschaft als solcher und zur Berechnung der Fristen auf Mitteilung des voraussichtlichen Geburtstermins. Hierüber ist eine separate ärztliche Bescheinigung (oder Bescheinigung durch eine Hebamme) zu erstellen. Der Mutterpass hat insgesamt 16 Seiten. Jede (Doppel-)Seite befasst sich mit unterschiedlichen Aspekten der Gesundheit von Mutter und Kind.
Rz. 10
Findet die tatsächliche Entbindung abweichend von den im Mutterpass oder separat getroffenen ärztlichen Feststellungen früher oder später als der errechnete Geburtstermin statt, so ist das für die Fristenwirkung und -berechnung unerheblich. Diese orientieren sich dann am tatsächlichen Geburtstermin. Entbindet eine Frau nicht am voraussichtlichen Termin, verkürzt oder verlängert sich die Schutzfrist vor der Entbindung entsprechend (§ 3 Abs. 1 Satz 4), weil dann der tatsächliche Gebu...