8.1 Mutterschutz und Abschiebung
Rz. 45
Nach § 3 Abs. 1 dürfen werdende Mütter in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung grundsätzlich nicht mehr beschäftigt werden; das Beschäftigungsverbot dauert i. d. R. bis 8 Wochen nach der Entbindung. Diese Regelung und die darin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung zieht auch für den Fall einer drohenden durch die Ausländerbehörde verfügten Abschiebung in den Herkunftsstaat eine zeitliche Grenze. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt, dass auch die übrigen Familienmitglieder nicht abgeschoben werden dürfen. Eine diese Sach- und Rechtslage nicht beachtende Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig. Die Vorschriften beruhen auf der allgemeinen Erkenntnis, dass im Falle einer erheblichen physischen oder psychischen Belastung der Schwangeren in dieser Zeit Gefahren für Mutter und Kind nicht von der Hand zu weisen sind. Diese gesetzgeberische Wertung zieht in aller Regel aber für Abschiebungen eine zeitliche Grenze.
Eine schwangere Frau ist unter Berücksichtigung der gesetzlichen Schutzvorschriften des § 3 6 Wochen vor der Entbindung und 8 bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten 12 Wochen nach der Entbindung als reiseunfähig anzusehen (VG Braunschweig, Beschluss v. 18.11.2020, 4 B 356/20 m. w. N., Ziff. 46). Eine generelle Reiseunfähigkeit ergibt sich aus der Schwangerschaft nicht.
8.2 Verhältnis der Einschränkungen nach § 4 zu den Beschäftigungsverboten nach § 3
Rz. 46
Die einschränkenden Beschäftigungsverbote nach §§ 4-8 MuSchG verbieten nur die Beschäftigung mit bestimmten Arbeitstätigkeiten und zu bestimmten Zeiten. Sie heben die Arbeitspflicht der Arbeitnehmerin, anders als ein Beschäftigungsverbot nach § 3, nicht generell auf. Der Arbeitgeber darf vielmehr der Arbeitnehmerin, die von einem Beschäftigungsverbot nach § 4 MuSchG betroffen ist, eine zumutbare Ersatztätigkeit zuweisen. Mit Eintritt eines Verbots bestimmter Tätigkeiten und zu bestimmten Zeiten nach §§ 4 ff. MuSchG ist der Arbeitgeber berechtigt, sein Direktionsrecht auszuüben, entweder i. d. S., dass er der Arbeitnehmerin eine andere Tätigkeit zuweist oder dass er sie – mangels anderweitiger Tätigkeit oder aus sonstigen Gründen – von ihrer Arbeitspflicht befreit. Eine Freistellung ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer überhaupt nicht mehr zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, wenn etwa Beschäftigungsverbote mit anderen Begründungen vorliegen.
Die generellen Beschäftigungsverbote nach § 3 haben daher Vorrang.