3.1 Allgemeines
Rz. 13
Nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und der Nationalen Stillkommission ist Muttermilch die ideale Nahrung für nahezu alle Säuglinge. Sie ist gut verdaulich und so zusammengesetzt, dass sie im 1. Lebenshalbjahr den Bedarf an Nährstoffen und Flüssigkeit deckt. Das Stillen dient außerdem der Vertiefung der emotionalen Bindung zwischen Mutter und Kind. Wenn Mütter, die nach Ablauf der Schutzfristen des § 3 MuSchG berufstätig sind, ihr Kind stillen möchten, müssen sie – sofern kein vollständiges Beschäftigungsverbot gilt – die Anforderungen des Stillens und der Arbeit miteinander vereinbaren. Neben dem Anspruch auf bezahlte Freistellung aus § 7 Abs. 2 i. V. m. § 23 MuSchG wird das Stillen dadurch gefördert, dass die Beschäftigung stillender Mütter mit bestimmten Arbeiten bzw. zu bestimmten Zeiten verboten ist (§§ 4, 5, 6, 12 MuSchG).
Rz. 14
§ 7 Abs. 2 enthält allgemeine Regeln zu Umfang und Lage der Stillzeit während der Arbeitszeit, die die Arbeitnehmerin und der Arbeitgeber im Einzelfall konkretisieren müssen. Angesichtes der großen Offenheit der gesetzlichen Regelung kann die Aufsichtsbehörde unter Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten anordnen, wie im Einzelfall zu verfahren ist (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 MuSchG).
3.2 Voraussetzungen
3.2.1 Stillende Frau
Rz. 15
§ 7 Abs. 2 knüpft nicht an Schwangerschaft und Geburt an, sondern dient der Ermöglichung des Stillens und der Rücksichtnahme auf die mit dem Stillen verbundenen körperlichen Belastungen. Damit ist klargestellt, dass – sofern sie stillen – auch Pflegemüttern, Adoptivmüttern oder genetischen Müttern, die das Kind nicht ausgetragen haben, Anspruch auf Stillzeit zu gewähren ist. Da die Freistellung an die biologische Tatsache des Stillens anknüpft, ist es gerechtfertigt, Väter vom Anspruch auszunehmen.
Rz. 16
§ 7 Abs. 2 setzt voraus, dass die Arbeitnehmerin tatsächlich stillt. Hingegen kommt es nicht darauf an, wie, wie oft oder wie lange gestillt wird. Es genügt, dass ein Teil der Mahlzeit(en) durch Stillen erfolgt, auch wenn im Übrigen industriell hergestellte Milch oder Beikost gefüttert wird. Ebenso gibt es keine Mindestanzahl der Stillmahlzeiten. Nach dem Gesetzeszweck fallen auch Mütter, die die Milch abpumpen und diese – aus medizinischen oder praktischen Gründen – mit dem Fläschchen füttern (lassen), in den persönlichen Geltungsbereich. Zur Frage, ob der Arbeitgeber einen Nachweis über die Tatsache des Stillens verlangen kann.
Rz. 17
Die stillende Frau muss in einem Arbeitsverhältnis bzw. in einem anderen der in § 1 Abs. 2 MuSchG genannten Rechtsverhältnisse stehen. Der Anspruch steht damit auch arbeitnehmerähnlichen Frauen (§ 1 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG) und Fremdgeschäftsführerinnen, die in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis (§ 7 Abs. 1 SGB IV) arbeiten, zu. Der Anspruch setzt dem Grunde nach weder einen Mindestumfang der Tätigkeit noch eine feste Lage der Arbeitszeit voraus. Ob tatsächlich ein Freistellungsanspruch besteht, hängt allerdings wesentlich von diesen Umständen ab. Für Beamtinnen gelten die Regelungen des § 7 Abs. 2 nach § 79 BBG i. V. m. der Mutterschutz- und Elternzeitverordnung des Bundes bzw. entsprechender landesrechtlicher Regelung entsprechend.
3.2.2 Alter des Kindes
Rz. 18
Durch die Neufassung des Gesetzes wird die bisher streitig diskutierte Frage nach einer Höchstgrenze des Anspruchszeitraums positiv geregelt: Der Freistellungsanspruch besteht während der ersten 12 Monate nach der Entbindung. Damit wird ein sinnvoller Ausgleich der Interessen von Mutter, Kind und Arbeitgeber gefunden. Auch wenn nach den Empfehlungen der Nationalen Stillkommission spätestens zu Beginn des 7. Lebensmonats Beikost eingeführt werden sollte und die mit einem weiteren Stillen verbundenen Vorteile dann zunehmend geringer werden, bedeutet dies nicht, dass das Kind nach den ersten 6 Monaten vollständig abgestillt werden soll. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt nach entsprechender Beikosteinführung sogar eine Gesamtstilldauer von 24 Monaten.
Allerdings erhalten Kinder nach Vollendung des 1. Lebensjahres i. d. R. auch andere Nahrung als Muttermilch. In der Folge werden die Stillmahlzeiten zumeist so reduziert, dass sie außerhalb der Arbeitszeit – etwa morgens und/oder abends – durchgeführt werden können.
Ist es im Ausnahmefall aus besonderen gesundheitlichen Gründen erforderlich, dass das Kind auch nach Vollendung des 1. Lebensjahrs (fast) vollständig ...