3.2.1 Stillende Frau
Rz. 15
§ 7 Abs. 2 knüpft nicht an Schwangerschaft und Geburt an, sondern dient der Ermöglichung des Stillens und der Rücksichtnahme auf die mit dem Stillen verbundenen körperlichen Belastungen. Damit ist klargestellt, dass – sofern sie stillen – auch Pflegemüttern, Adoptivmüttern oder genetischen Müttern, die das Kind nicht ausgetragen haben, Anspruch auf Stillzeit zu gewähren ist. Da die Freistellung an die biologische Tatsache des Stillens anknüpft, ist es gerechtfertigt, Väter vom Anspruch auszunehmen.
Rz. 16
§ 7 Abs. 2 setzt voraus, dass die Arbeitnehmerin tatsächlich stillt. Hingegen kommt es nicht darauf an, wie, wie oft oder wie lange gestillt wird. Es genügt, dass ein Teil der Mahlzeit(en) durch Stillen erfolgt, auch wenn im Übrigen industriell hergestellte Milch oder Beikost gefüttert wird. Ebenso gibt es keine Mindestanzahl der Stillmahlzeiten. Nach dem Gesetzeszweck fallen auch Mütter, die die Milch abpumpen und diese – aus medizinischen oder praktischen Gründen – mit dem Fläschchen füttern (lassen), in den persönlichen Geltungsbereich. Zur Frage, ob der Arbeitgeber einen Nachweis über die Tatsache des Stillens verlangen kann.
Rz. 17
Die stillende Frau muss in einem Arbeitsverhältnis bzw. in einem anderen der in § 1 Abs. 2 MuSchG genannten Rechtsverhältnisse stehen. Der Anspruch steht damit auch arbeitnehmerähnlichen Frauen (§ 1 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG) und Fremdgeschäftsführerinnen, die in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis (§ 7 Abs. 1 SGB IV) arbeiten, zu. Der Anspruch setzt dem Grunde nach weder einen Mindestumfang der Tätigkeit noch eine feste Lage der Arbeitszeit voraus. Ob tatsächlich ein Freistellungsanspruch besteht, hängt allerdings wesentlich von diesen Umständen ab. Für Beamtinnen gelten die Regelungen des § 7 Abs. 2 nach § 79 BBG i. V. m. der Mutterschutz- und Elternzeitverordnung des Bundes bzw. entsprechender landesrechtlicher Regelung entsprechend.
3.2.2 Alter des Kindes
Rz. 18
Durch die Neufassung des Gesetzes wird die bisher streitig diskutierte Frage nach einer Höchstgrenze des Anspruchszeitraums positiv geregelt: Der Freistellungsanspruch besteht während der ersten 12 Monate nach der Entbindung. Damit wird ein sinnvoller Ausgleich der Interessen von Mutter, Kind und Arbeitgeber gefunden. Auch wenn nach den Empfehlungen der Nationalen Stillkommission spätestens zu Beginn des 7. Lebensmonats Beikost eingeführt werden sollte und die mit einem weiteren Stillen verbundenen Vorteile dann zunehmend geringer werden, bedeutet dies nicht, dass das Kind nach den ersten 6 Monaten vollständig abgestillt werden soll. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt nach entsprechender Beikosteinführung sogar eine Gesamtstilldauer von 24 Monaten.
Allerdings erhalten Kinder nach Vollendung des 1. Lebensjahres i. d. R. auch andere Nahrung als Muttermilch. In der Folge werden die Stillmahlzeiten zumeist so reduziert, dass sie außerhalb der Arbeitszeit – etwa morgens und/oder abends – durchgeführt werden können.
Ist es im Ausnahmefall aus besonderen gesundheitlichen Gründen erforderlich, dass das Kind auch nach Vollendung des 1. Lebensjahrs (fast) vollständig gestillt wird, wird die Mutter gehalten sein, mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung über eine Arbeitszeitreduzierung oder die Lage der Pausen zu treffen. In Ausnahmefällen (z. B. bei einer im Einzelfall atypischen Lage der Arbeitszeit) mag ein Freistellungsanspruch aus § 616 Abs. 1 BGB bestehen. Im Grundsatz soll der Arbeitgeber über das 1. Lebensjahr des Kindes hinaus jedoch nicht mehr mit den Kosten und Schwierigkeiten betrieblicher und organisatorischer Art, die mit der Stillzeitgewährung verbunden sein können, belastet werden.
3.2.3 Verlangen (§ 7 Abs. 2 Satz 1)
Rz. 19
Eine stillende Frau muss den Freistellungsanspruch geltend machen – der Arbeitgeber weiß in der Regel ja gar nicht, ob und zu welchen Zeiten die Frau stillt. Dabei soll die Frau ihrem Arbeitgeber so früh wie möglich – etwa während der Schutzfristen oder der Elternzeit – allgemein mitteilen, dass sie stillt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 MuSchG). Es genügt jede formlose Erklärung,...