Rz. 66
Die Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 entspricht dem früheren § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG und wurde redaktionell überarbeitet. Nach Satz 1 kann die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle abweichend von Abs. 1 in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft nach der Entbindung oder nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Entsprechend Abs. 1 Nr. 3 kann eine Kündigung nun auch für zulässig erklärt werden, wenn sie nicht mit der Situation der Frau nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche in Zusammenhang steht.
Rz. 67
Das Gesetz geht von einem grds. Verbot der Kündigung von Arbeitnehmerinnen in der Schutzfrist aus. Da aber im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers nach Art. 12 GG in schwerwiegenden Fällen auch gegenüber Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz eine Beendigung möglich sein muss, sieht § 17 Abs. 2 die Möglichkeit der Zulassung einer Kündigung durch die Aufsichtsbehörde in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft oder ihrer Lage bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, vor. Hierbei handelt es sich um eine Ausnahmeregel, die in der Praxis sehr restriktiv gehandelt wird.
Im Hinblick auf den Schutzzweck des MuSchG sowie den Schutzanspruch der Mutter aus Art. 6 Abs. 4 GG wird die Ausnahme nur in solchen Fällen angenommen, in denen eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unerträglich wäre.
Rz. 68
Die gesetzliche Regelung führt zu einer Doppelspurigkeit des Rechtsweges. Gegen die Erteilung oder Versagung der Genehmigung müssen die Verwaltungsgerichte angerufen werden, für die Überprüfung der Kündigung ist dagegen der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben.
Die Entscheidung der Verwaltungsbehörde stellt einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt dar. Die Ablehnung des Antrags kann vom Arbeitgeber, die erteilte Erlaubnis von der betroffenen Arbeitnehmerin im Verwaltungsverfahren mit einem Widerspruch angefochten werden. Durch die Zulässigkeitserklärung wird das öffentlich-rechtliche Kündigungsverbot überwunden, sodass eine zuvor erklärte Kündigung unheilbar nichtig und nicht nur schwebend unwirksam ist.
Der Arbeitgeber darf die Kündigung nach Vorliegen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde aussprechen, er muss die Bestandskraft des Bescheides nicht abwarten. Zwar steht die Vollziehung der Zustimmungserklärung unter dem Vorbehalt der aufschiebenden Wirkung durch die Einlegung des Widerspruchs der Schwangeren, sodass die Zulässigkeitserklärung erst mit Bestandskraft des Verwaltungsaktes endgültig rechtswirksam wird. Die Kündigung kann aber nach Auffassung des BAG ausgesprochen werden, sie ist zunächst "schwebend wirksam".
Der Arbeitgeber kann die Kündigung nicht unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Gestattung durch die Aufsichtsbehörde erklären, da die Kündigung als einseitige Willenserklärung bedingungsfeindlich ist. In Betracht kommt aber eine Bestätigung nach § 141 BGB nach Vorliegen der Erlaubnis, dazu bedarf es aber einer erneuten Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG.
Rz. 69
Zur Orientierung bei der Durchführung der Regelung des Abs. 2 kann die Verwaltungsvorschrift nach § 18 Abs. 1 Satz 6 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) herangezogen werden. Nach Art. 84 Abs. 2 GG kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates zudem auch gesondert zur Durchführung des Abs. 2 allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen.