Jens Harmeier, Arne Prieß
4.1 Psychogramm und typische Verhaltensmuster
Eine Trennung ist auf seiten der betroffenen Mitarbeiter häufig mit starken Gefühlen verbunden. Die Gefühleskala lässt sich mithilfe eines Psychogramms der Trennung visualisieren. Der Verlauf dieses Psychogramms ist relativ stabil und wiederholt sich mehr oder minder vergleichbar. Abbildung 7 zeigt den Verlauf in allen üblichen Phasen einer Trennung. Die Herausforderung besteht darin zu erkennen, in welcher Phase sich der Betroffene gerade befindet und wie ihm dort entsprechend sensibilisiert begegnet werden kann.
Abb. 7: Psychogramm der Trennung
Verhaltensmuster bei betroffenen Mitarbeitern
Neben dem Verlauf der Emotionen bei den betroffenen Mitarbeitern gibt es auch wiederkehrende Verhaltensmuster, die sich in fünf Gruppen unterteilen lassen:
- der Beherrschte,
- der Aggressive,
- der Depressive,
- der Schockierte,
- der Konstruktive.
Je nach Verhaltensmuster eines Mitarbeiters können die in der folgenden Tabelle aufgeführten Reaktionsstrategien empfohlen werden.
Reaktionsstrategien bei einer Trennung
Typische Verhaltensmuster und Reaktionsstrategien bei Mitarbeitern |
Handlungsempfehlungen |
Der Beherrschte |
- Sicherstellen, dass der Betroffene die Nachricht wirklich aufnimmt
- Wiederholen der Nachricht, wenn nötig, oder Neuformulierung
- Auf die Reaktion des Betroffenen achten
- Nicht versuchen, Emotionen in Gang zu setzen
- der Situation eine Struktur geben
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Der Aggressive |
- Dem Betroffenen Zeit lassen, seinem Ärger und seiner Wut Ausdruck zu geben
- Bei einem Angriff durch den Betroffenen nicht verteidigen
- Auf sachliche Argumente verzichten, da sie den Aggressiven in der Regel nicht beruhigen
- Deutlich machen, dass Aussagen des Betroffenen zur Kenntnis genommen werden und dabei ruhig bleiben
- Bei geplanter Gesprächsstrategie bleiben
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Der Depressive |
- Nicht das Gefühl der Schuld beim Betroffenen verstärken
- Auf sachliche Argumente verzichten, da sie den Depressiven in der Regel nicht beruhigen
- Sensibel sein gegenüber Signalen der Selbstdestruktion, z. B. Suizidgefährdung
- Bei geplanter Gesprächsstrategie bleiben
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Der Schockierte |
- Dem Betroffenen Zeit geben, die Mitteilung sacken zu lassen
- Nicht davor zurückscheuen, Schweigen als Mittel einzusetzen
- Dem Betroffenen die Möglichkeit geben, die Schockreaktion in einem Gefühlsausbruch zu entladen, z. B. weinen
- Hilfestellung durch die Systematik der nächsten Schritte geben
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Der Konstruktive |
- Sorgfältig zuhören
- So viele Informationen bereithalten wie möglich
- Fragen des Betroffenen offen und klar beantworten
- Präzise sein in Bezug auf die weiteren Schritte
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4.2 Reaktionsstrategien bei Trennungen
Die Nachricht einer bevorstehenden Trennung vom Arbeitgeber stellt für viele Mitarbeiter eine tiefgreifende Zäsur dar. Wie Menschen auf diese gravierende Veränderung reagieren, hängt von einer Vielzahl individueller und situativer Faktoren ab. Die Tabelle zeigt typische Reaktionsstrategien und Verhaltensmuster, die Mitarbeiter an den Tag legen, wenn sie mit der Botschaft einer Trennung konfrontiert werden. Ziel ist es, ein besseres Verständnis für die emotionalen und psychologischen Prozesse zu entwickeln, die in solchen Situationen ablaufen, um sowohl Arbeitgebern als auch Betroffenen selbst fundierte Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben.
Druck bei Führungskräften nicht außer Acht lassen
Unterschätzt werden darf auch nicht der Druck, der auf den Führungskräften lastet, die mit der Durchführung der Trennungen betraut sind. Sie befinden sich oftmals in einer unangenehmen Sandwichposition: die Geschäftsführung hat einen Personalabbau beschlossen. Die Führungskräfte des mittleren Managements stehen dann nicht nur zwischen den Mitarbeitern und der Geschäftsführung. Auch der Betriebsrat und HR sind in das Beziehungsgeflecht eingebunden. Last but not least möchte auch die Führungskraft selbst mit ihrem Gewissen vor sich bestehen können.
Um sich dieser Herausforderung zu stellen, sollten die Führungskräfte die verschiedenen Rollen verstehen und in der Lage sein, die Reaktionen der Beteiligten auszuhalten. Wichtig ist auch ein hohes Maß an Empathie und Einfühlungsvermögen, was es den Führungskräften erleichtert, ausgleichend zu wirken. Abbildung 8 zeigt die Sandwichposition der Führungskräfte.
Quelle: Andrzewski, L./Refisch, H.: Trennungs-Kultur und Mitarbeiterbindung – Kündigungen, Aufhebungen, Versetzungen fair und effizient gestalten, 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Köln 2015, S. 291 (modifiziert).
Abb. 8: Sandwichposition der Führungskräfte