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Mit Urteil vom 15. September 2016, Rechtssache C-516/14, Barlis 06, hat der EuGH entschieden, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigert werden kann, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt, obwohl die Finanzbehörde über alle notwendigen Informationen verfügt, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts vorliegen. Ebenfalls mit Urteil vom 15. September 2016, Rechtssache C-518/14, Senatex, hat der EuGH entschieden, dass der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe Rückwirkung zukommen kann, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde. Der BFH setzte dieses EuGH-Urteil mit Urteil vom 20. Oktober 2016, V R 26/15, um. Dabei hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass eine Rechnungsberichtigung nach § 31 Abs. 5 UStDV beim Rechnungsempfänger hinsichtlich seines Rechts auf Ausübung des Vorsteuerabzugs auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirken kann. Dies setzt nach dem BFH-Urteil allerdings voraus, dass das zu beurteilende Dokument bestimmte Mindestangaben enthält. Dem Urteil des EuGHs vom 12. April 2018, Rechtssache C-8/17, Biosafe, lässt sich entnehmen, dass im Fall eines in der ursprünglichen Rechnung zu niedrig ausgewiesenen Steuerbetrags erst nach einer entsprechenden Rechnungsberichtigung die materiellen und formellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug vorliegen. Ferner urteilte der EuGH am 21. November 2018 in der Rechtssache C-664/16, Vadan, dass ein Steuerpflichtiger, der nicht in der Lage ist, durch Vorlage von Rechnungen oder anderen Unterlagen den Betrag der von ihm gezahlten Vorsteuer nachzuweisen, nicht allein auf der Grundlage einer Schätzung in einem gerichtlich angeordneten Sachverständigengutachten ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen kann. Weiterhin führte der BFH im Urteil vom 15. Oktober 2019, V R 14/18, aus, dass auch unter Berücksichtigung der vorgenannten jüngeren Rechtsprechung des EuGHs an den sich aus dem Urteil vom 29. April 2004, Rechtssache C-152/02, Terra Baubedarf-Handel, ergebenden Erfordernissen festzuhalten ist. Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt demzufolge neben dem Vorliegen der materiellen Voraussetzungen auch weiterhin den Besitz einer Rechnung voraus. Insbesondere kann die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht durch bloßen Zeugenbeweis nachgewiesen werden oder eine Rechnung als formelle Anforderung für den Vorsteuerabzug komplett entfallen. Vielmehr ist der Fall der fehlenden Rechnung von dem Fall der Berichtigung einer zuvor fehlerhaft erteilten Rechnung abzugrenzen. Zudem hat der BFH im Urteil vom 22. Januar 2020, XI R 10/17, entschieden, dass die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug unabhängig davon gilt, ob sie zum Vorteil oder Nachteil des Leistungsempfängers wirkt. Weiterhin kann danach auch der Stornierung und Neuausstellung einer sie ersetzenden Rechnung eine Rückwirkung zukommen. Eine Rechnung ist danach auch dann „unzutreffend” im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV, wenn sie im Einvernehmen aller Beteiligten vollständig rückabgewickelt und die gezahlte Umsatzsteuer zurückgezahlt wurde. Schließlich hat der BFH im Urteil vom 12. März 2020, V R 48/17, entschieden, dass ein Abrechnungsdokument keine Rechnung ist und deshalb auch nicht mit der Folge einer Ausübungsvoraussetzung für den Vorsteuerabzug rückwirkend berichtigt werden kann, wenn es wegen ganz allgemein gehaltener Angaben nicht möglich ist, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen. Bezugnehmend auf die Erörterungen des Bundes mit den obersten Finanzbehörden der Länder ergibt sich für den Vorsteuerabzug Folgendes: |