BMF, Schreiben v. 7.6.2012, IV D 2 - S 7300/07/10001 :001, BStBl I 2012, 621
Bezug: |
BFH-Urteile vom 20.12.2005, V R 14/04, vom 9.11.2006, V R 9/04, BStBl 2007 II S. 285, vom 22.7.2010, V R 14/09, und vom 13.1.2011, V R 12/08, BStBl 2012 II S. 61 (die BFH-Urteile vom 20.12.2005, V R 14/04, und vom 22.7.2010, V R 14/09, werden zeitgleich im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht) |
|
BMF-Schreiben vom 31.5.2002, IV B 7 – S 7100 – 167/02, BStBl 2002 I S. 631 |
Mit Urteilen vom 20.12.2005, V R 14/04, vom 9.11.2006, V R 9/04, BStBl 2007 II S. 285, vom 22.7.2010, V R 14/09, und vom 13.1.2011, V R 12/08, BStBl 2012 II S. 61, hat der BFH über Sachverhalte mit Erschließungsmaßnahmen entschieden. Unter Berücksichtigung dieser Urteile gilt für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Erschließungsmaßnahmen durch Gemeinden oder eingeschaltete Erschließungsträger nach dem Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:
I. Erschließung durch die Gemeinde nach § 123 BauGB
Die Erschließung ist grundsätzlich Aufgabe der Gemeinden (§ 123 BauGB). Die Erschließung von Grundstücken dient u.a. dazu, diese an das öffentliche Verkehrs- und Versorgungsnetz anzuschließen. Sie umfasst die Herstellung von technischen, verkehrsmäßigen und sozialen Erschließungsanlagen auf den hierfür vorgesehenen öffentlichen Erschließungsflächen, insbesondere die Herstellung der öffentlichen Ver- und Entsorgungsnetze, der Entwässerungs- und Verkehrsanlagen (z.B. die dem öffentlichen Gemeingebrauch gewidmeten Straßen, Wege und Plätze), der Grünanlagen, Parkflächen und Kinderspielplätze sowie die Errichtung der Kommunikationsanlagen (z.B. für Telefon und Kabelfernsehen) und Anlagen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen (z.B. Lärmschutzwände). Nicht zur Erschließung gehören die auf den zu erschließenden Grundstücken selbst notwendigen (Einzel-)Anschlüsse, weil die gemeindliche Erschließungsaufgabe an der Grundstücksgrenze endet.
Führt die Gemeinde die Erschließungsmaßnahmen selbst im eigenen Namen und für eigene Rechnung durch oder bedient sie sich hierfür eines Unternehmers als Erfüllungsgehilfen (z.B. Bauunternehmer durch Werkvertrag), wird die Gemeinde hoheitlich und damit nichtwirtschaftlich im engeren Sinne tätig (vgl. Abschnitt 2.3 Abs. 1a Satz 4 UStAE). Eingangsleistungen, die im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Erschließungsmaßnahmen stehen, berechtigen folglich nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. Abschnitt 15.2 Abs. 15a UStAE). Zur Deckung des Aufwands von der Gemeinde erhobene öffentlich-rechtliche Erschließungsbeiträge nach §§ 127 ff. BauGB stellen keine steuerbaren Entgelte dar.
Soweit allerdings die Gemeinde einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) unterhält (z.B. Elektrizitäts-, Gas-, Wärme- oder Wasserversorgung), sind die hierauf entfallenden Anschluss- und Baukostenbeiträge, die die Grundstückseigentümer für die Herstellung des betreffenden öffentlichen Versorgungsnetzes entrichten, Entgelte für die steuerpflichtige Leistung „Verschaffung der Möglichkeit zum Anschluss des Grundstücks an das Versorgungsnetz” (vgl. BMF-Schreiben vom 7.4.2009, BStBl 2009 I S. 531). Insoweit steht dem BgA aus den Erschließungsaufwendungen für die allgemeinen Elektrizitäts-, Gas-, Wärme- oder Wasserversorgungsanlagen unter den sonstigen Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug zu.
II. Übertragung der Erschließungsaufgaben auf einen Erschließungsträger durch öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 124 BauGB
Die Gemeinde kann die ihr obliegenden Erschließungsaufgaben förmlich durch öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 124 Abs. 1 BauGB auf einen Erschließungsträger (z.B. private Erschließungsgesellschaft, Bauträger, einzelne Bauwillige) übertragen. Dabei sind zwei Fallkonstellationen denkbar:
1. (Rück-)Übertragung öffentlicher Flächen mit Erschließungsanlagen
Der Erschließungsträger ist oder wird Eigentümer der Grundstücke. Die Erschließung wird von ihm im eigenen Namen und für eigene Rechnung durchgeführt. Er nutzt die erschlossenen Grundstücke entweder für eigene Zwecke oder veräußert sie an Bauwillige unter ggf. Einkalkulierung der ihm entstandenen Erschließungsaufwendungen. Die öffentlichen Flächen mit Erschließungsanlagen werden vom Erschließungsträger nach Erschließung der Grundstücke auf die Gemeinde (zurück)übertragen oder durch Zustimmung zur öffentlich-rechtlichen Widmung für den Gemeingebrauch zugewendet. Auch wenn der Gemeinde im Fall der öffentlich-rechtlichen Widmung kein Eigentum übertragen wird, gelten die öffentlichen Flächen mit Erschließungsanlagen als geliefert, da diese durch die öffentlich-rechtliche Widmung für den Gemeingebrauch der privatrechtlichen Verfügungsmacht entzogen sind (vgl. BFH-Urteil vom 13.1.2011, V R 12/08, BStBl 2012 II S. 61).
Die Erschließungsanlagen gehen als Baumaßnahmen an den übertragenen Grundstücken dinglich in diese ein und stehen deshalb in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der Lieferung dieser Grundstücke an die Gemeinde. Diese Grundstückslieferunge...