Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Zusammenfassung
Das gesamte Arbeitsschutzsystem beruht auf dem Prinzip der Gefährdungsanalyse. Um dabei Risiken richtig einordnen zu können, ist es u. a. notwendig, das Unfallgeschehen und ggf. auftretende Berufskrankheiten zu untersuchen und auszuwerten. Eine sinnvoll strukturierte Unfallstatistik bietet dazu eine Datenbasis. Sie erlaubt zum Beispiel Unfallschwerpunkte aufzudecken und Schutzmaßnahmen zu entwickeln bzw. auf ihre Effektivität zu prüfen.
Eine Unfallstatistik ist eine strukturierte Form der Dokumentation des Unfallgeschehens. Diese wiederum ist Bestandteil wesentlicher Rechtsnormen im Arbeitsschutz. So fordert § 6 Arbeitsschutzgesetz, dass Unfälle mit Todesfolge oder mehr als 3 Tagen Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitgeber erfasst werden. §§ 3, 6 Arbeitssicherheitsgesetz weisen dem Betriebsarzt und der Fachkraft für Arbeitssicherheit zudem die Aufgabe zu, die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und im Zusammenhang damit Ursachen von Arbeitsunfällen zu untersuchen, die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten und dem Arbeitgeber Maßnahmen zur Verhütung dieser Arbeitsunfälle vorzuschlagen.
1 Wann ist eine Unfallstatistik sinnvoll?
Der Begriff "Statistik" bezeichnet genau genommen nicht nur irgendeine Art von Datenerhebung, sondern auch bestimmte mathematische Verfahren, die geeignet sind, empirische Daten sinnvoll und nachvollziehbar zu analysieren. Für eine regelgerechte Statistik müssen bestimmte mathematische Rahmenbedingungen eingehalten werden, die erst ab einer relativ hohen Ereigniszahl überhaupt Sinn machen. In kleineren und mittleren Unternehmen werden solche Unfallzahlen üblicherweise nicht erreicht.
Ab welcher Ereignisanzahl eine Unfallstatistik sinnvoll ist, kann nicht an einem bestimmten Grenzwert festgemacht werden. Es ist aber wichtig, bei kleinen Ausgangsmengen die erhobenen Zahlen nicht überzubewerten.
Statistische Schwankungen
Je kleiner die Datenbasis, desto zurückhaltender muss mit den Schlüssen umgegangen werden, die daraus gegebenenfalls gezogen werden.
In einem Kleinstbetrieb mit sehr geringen jährlichen Unfallzahlen ist eine Tabelle, in der alle Einzelereignisse erfasst sind, eine ausreichende und sinnvolle Dokumentationsform.
Auch in vielen Klein- und Mittelbetrieben werden die jährlichen Unfallzahlen nicht ausreichend sein, um eine regelgerechte statistische Auswertung zu ermöglichen. Trotzdem kann eine Auswertung des Unfallgeschehens nach einzelnen, auszuwählenden Kriterien hilfreiche Anregungen für die Sicherheitsarbeit bringen.
Aufklärung und Unterweisung
Auch wenn die Datenbasis für eine "echte" statistische Auswertung nicht ausreicht, veranschaulicht eine nach einfachen Kriterien zu erstellende betriebsinterne Unfallstatistik das Unfallgeschehen wirkungsvoll. Sie macht z. B. das Thema Arbeitsschutz für Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter fassbar und ist hilfreich für Risikobetrachtungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung.
2 Datenerhebung
Die Datenerhebung erfolgt i. d. R.:
- anhand der standardisierten Unfallmeldungen bzw. Berufskrankheitsanzeigen;
- ggf. durch eigene, betriebsinterne Unfallanalysen;
- aus Verbandbucheintragungen;
- ggf. unter Berücksichtigung der unfallbedingten Fehlzeiten.
Datenschutz
Unfalldaten sind schützenswerte, persönliche Daten. Die Auswertung, z. B. die Aufnahme der Daten aus den Unfallanzeigen, muss unter Datenschutzgesichtspunkten sicher erfolgen. Anonymisierte Auswertungen sind nicht personenbezogen und können betriebsintern kommuniziert werden.
3 Mögliche Kriterien
Sinnvolle Kriterien für eine Auswertung des Unfallgeschehens können u. a. sein:
- Unfall auslösender Umstand/Gegenstand
- Unfälle bezogen auf Abteilungen des Betriebes
- Unfälle bezogen auf Berufsgruppen
- betroffene Körperteile, Verletzungsarten, Berufskrankheiten
- Unfallort
- Unfallkosten (dafür werden neben den Unfallanzeigen ergänzende Daten benötigt, mind. die AU-Zeiten)
Dabei können ggf. mehrere Kriterien kombiniert werden.
Auswahl von Kriterien
In einem Krankenhaus kann es sinnvoll sein zu untersuchen, welche Berufsgruppen in welchem Maße von Stich- und Schnittverletzungen mit Infektionsgefahr betroffen sind (Pflegekräfte, Ärzte, Entsorgungsdienst …). Daraus sind Schlüsse für Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung und Vorsorgeuntersuchungen abzuleiten.
Keine absoluten Unfallzahlen vergleichen
Bei einer Unfallauswertung nach Berufsgruppen oder Abteilungen ist zu berücksichtigen, wie viele Mitarbeiter in diesen Bereichen beschäftigt sind, z. B. in dem eine Unfallquote pro Vollzeitkraft ermittelt wird.
Die Kriterien, nach denen später eine Auswertung erfolgen soll, sind sorgfältig auszuwählen. Nicht jedes denkbare Kriterium ist wirklich sinnvoll und aussagefähig. Kriterien, die man allerdings bei der Aufnahme der Einzelereignisse nicht mit berücksichtigt, können später auch nicht ausgewertet werden. Das gilt erst recht, wenn eine interne Vergleichbarkeit dadurch erreicht werden soll, dass die Unfallstatistik über mehrere Jahre geführt werden soll.
4 Betriebs- und branchenübergreifende Unfallstatistiken
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