André Häusling, Martin Kahl-Schatz
Klassisch geprägte Organisationen haben oftmals rein wirtschaftliche Ziele zum Fixpunkt ihrer Strategie erkoren. Sie streben ausschließlich nach Gewinnmaximierung und geben diese auch als ultimatives Ziel aus. Umsätze steigern, Kosten minimieren, Effizienz erhöhen – der finanzielle Erfolg war schließlich die Basis für den Aufstieg der Organisation. Um diese Ziele zu erreichen, wird sich in der Regel auf das Bestehende verlassen. So ruht man sich auf der eigenen einstmals erfolgreichen Produktpalette aus, "die haben uns schließlich erfolgreich gemacht". Das eigene Selbstverständnis ist so stark durch die Erfolge der Vergangenheit geprägt, dass sich der Blick nicht in die Zukunft richtet. Oft sind diese Organisationen abseits eines "Weiter so" nicht in der Lage, eine konkretere Strategie zu formulieren. Vielmehr drehen sich Planungs- und Entscheidungsfindung in den Unternehmen stark um sich selbst und sie übertragen die Gegebenheiten innerhalb der Organisation auf die Geschehnisse außerhalb des Unternehmens. Diese Organisationen haben die sogenannte Inside-Out-Perspektive stark verinnerlicht. Sie richten dementsprechend ihre Strategie stark nach dem aus, was die Organisation kann und was der Organisation den meisten Nutzen bringt.
Im vorhergehenden Absatz kam nicht ein einziges Mal das Wort "Kunde" vor. Das liegt daran, dass dieser für die strategische Ausrichtung einer klassischen Organisation nur eine untergeordnete Rolle spielt. Hierzu steht die agile Organisation in klarer Opposition. Sie macht den Kunden und den Kundennutzen zum Mittelpunkt ihres Denkens und Handelns und richtet die eigene Strategie maßgeblich an ihm aus. Ihre strategischen Beweggründe sind:
- Wie gelingt es uns als Organisation, dem Kunden mehr Nutzen zu liefern?
- Wie erreichen wir die höchstmögliche Kundenzufriedenheit?
- Und was will der Kunde eigentlich wirklich?
Die Organisation macht sich zur Aufgabe, diese Fragen kontinuierlich zu beantworten, richtet ihr Handeln entsprechend danach aus und lässt dies auch in ihre Gesamtstrategie einfließen. Sie ist geprägt durch eine starke "Outside-In"-Denkweise. Sie hört bei der Entwicklung ihrer Produkte stark auf das, was die Kunden wollen und den Unternehmen mitgeben, orientiert sich an den Gegebenheiten des Marktes und reagiert entsprechend.
Dies ist auch der Grund dafür, dass die agile Organisation der Neu- und Weiterentwicklung von Produkten eine große Bedeutung einräumt und hierbei den Kunden zu jeder Zeit auch in den Prozess miteinbezieht. Dadurch, dass sie ihr Ohr nah an Markt und Kunden hat und diese in ihre Überlegungen in Form von Feedbackschleifen zur Optimierung nutzt, entwickelt eine agile Organisation ein Gespür für das richtige Produkt zur richtigen Zeit. Sie behält den Markt immer im Auge und kann dadurch Lücken identifizieren, in die sie gezielt hineinstoßen kann. Sie verlässt hierbei auch gerne ausgetretene Pfade und hat den Mut, noch wenig erschlossene Märkte zu erobern. Sie beweist die Flexibilität und die Beweglichkeit, auf die Gegebenheiten um sie herum zu reagieren und bereits Antworten auf Fragen zu haben, die bisher noch von niemandem gestellt wurden, oder zumindest die richtigen Fragen in Richtung Markt/Kunde zu stellen, um dessen Bedürfnisse kennenzulernen.
Hier grenzt sie sich stark von klassischen Organisationen ab. Diese verlassen sich maßgeblich auf die Strahlkraft ihrer Produkte und dass diese auch zukünftig anhalten wird. In einigen Fällen ist dies auch durchaus zutreffend, bedingt durch die Gegebenheiten des Marktes, auf dem sie agieren. Sollten sich auf diesem Markt allerdings dramatische Veränderungen einstellen, etwa eine neue Technologie oder gar ein neuer Wettbewerber, der eine neue Technologie etabliert (man denke nur mal an Tesla im Automobilsektor), wird sich auch der Markt nachhaltig verändern. Um auf diesem Markt dann weiterhin bestehen zu können, bedarf es seitens der Organisation nun einer Anpassung an die neuen Gegebenheiten.
Die oben beschriebenen Organisationen, die sich stark um sich selbst drehen, lassen in dieser Situation eine entsprechende Anpassungsfähigkeit in der Regel vermissen. Sie haben ihre Strategie auf die Manifestation der Gegebenheiten innerhalb der Organisation nach dem Motto "Never change a running system" ausgerichtet und ihr Handeln, aber auch die Strukturen dieser Maxime untergeordnet. Innerhalb dieser Strukturen herrscht unter den Beschäftigten, aber auch im Management eine starke Sehnsucht nach Stabilität. Dies sorgt dafür, dass sich bestimmte Abläufe einschleifen. Kombiniert mit einer funktionalen Organisation findet allenfalls noch eine lokale Optimierung bestehender Prozesse und Strukturen statt. Dies fördert zwar einerseits die Routine innerhalb der Organisation, andererseits aber auch die organisationale Trägheit. Sie wird langsamer und unbeweglicher und ist zudem nicht mehr in der Lage, innovativ zu sein. Darunter leidet auch die Fähigkeit, eine wirksame Strategie zur Weiter- bzw. Neuentwicklung der eigenen Produkte, der Marke...