BMF, Schreiben v. 13.05.1987
Mit der Bitte um Kenntnisnahme übersende ich Erläuterungen zur Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen.
Erläuterungen zur Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 17. Juli 1984 (BVerfGE 67, 100) zur Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber einem Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages Stellung genommen. Zur Anwendung dieses Urteils vertrete ich die folgende Auffassung, die entsprechend auch für die Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Untersuchungsausschüssen der Gesetzgebungskörperschaften der Länder gilt.
1. Anwendungsbereich des § 30 AO
1.1 Amtsträger
Das Steuergeheimnis haben Amtsträger im Sinne von § 7 AO zu wahren. Amtsträger sind nicht nur Angehörige der Finanz- und Wirtschaftsverwaltungen, sondern z.B. auch Staatsanwälte und Richter sowie die Angehörigen der Rechnungshöfe. Zu den Amtsträgern zählen auch Minister und parlamentarische Staatssekretäre. Die Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses hat der Amtsträger auch dann noch zu beachten, wenn er aus dem Dienst ausgeschieden ist.
Mitglieder der Parlamente sind keine Amtsträger im Sinne von § 7 AO. Eine Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann sich deshalb für sie nicht unmittelbar aus § 30 AO ergeben. Auch Parlamentsmitglieder sind jedoch nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Geheimhaltung verpflichtet, falls sie ausnahmsweise Kenntnis von Tatsachen erlangen, die in den Schutzbereich des § 30 AO fallen.
1.2 Verwaltungsverfahren in Steuersachen
Dem Steuergeheimnis unterliegen insbesondere die Tatsachen, die in einem "Verwaltungsverfahren in Steuersachen" oder aus anderem Anlaß durch Mitteilung einer Finanzbehörde bekannt geworden sind. Die gilt auch für die Akten und Unterlagen, die auf Ersuchen oder von Amts wegen durch eine das steuerliche Verwaltungsverfahren durchführende Behörde einer anderen Stelle zur Verfügung gestellt worden sind (z.B. Staatsanwaltschaft, Sozialversicherungsträger, Religionsgemeinschaften, Anerkennungsbehörden nach dem WGG usw.).
1.3 Bescheinigungsverfahren
Ein Verwaltungsverfahren in Steuersachen liegt auch dann vor, wenn Behörden außerhalb der Finanzverwaltung Bescheinigungen erteilen, sofern die Erteilung der Bescheinigung nach einem Steuergesetz erforderlich ist und ausschließlich für steuerlichen Zwecke erfolgt. Deshalb sind auch die in dem Bescheinigungsverfahren tätig gewordenen Amtsträger dieser Behörden an das Steuergeheimnis gebunden (BVerfGE 67, 141).
1.4 Mitteilungen einer Finanzbehörde
Amtsträger, z.B. im Bereich der Staatsanwaltschaft, sind auch dann an das Steuergeheimnis gebunden, wenn sie "Mitteilungen" (Auskünfte, Unterlagen und Akten aus einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen) von anderen Behörden als den in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO genannten "Finanzbehörden" (z.B. einer Wirtschaftsbehörde) erhalten haben. Nach dem Sinn und Zweck der o.a. Vorschrift kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber den in § 30 Abs. 1 AO enthaltenen Grundsatz der umfassenden Wahrung des Steuergeheimnisses eingrenzen wollte. Daher unterliegen diejenigen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die den Wirtschaftsbehörden in Bescheinigungsverfahren bekannt geworden sind, auch dann noch dem Steuergeheimnis, wenn sie später der Staatsanwaltschaft im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen bekannt werden. Dies gilt auch dann, wenn sie in deren Akten mit anderweitig erlangten Informationen verbunden werden.
1.5 Verhältnisse
Durch § 30 AO werden nicht nur Geheimnisse im engeren Sinne, sondern alle "Verhältnisse" des Beteiligten geschützt, d.h. grundsätzlich alles, was im Besteuerungsverfahren bekanntgeworden ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Tatsachen für die Besteuerung relevant sind oder nicht. Das Steuergeheimnis erstreckt sich demnach auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen oder juristischen Person.
Zu den "Verhältnissen" zählen auch das Verwaltungsverfahren selbst, die Art der Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen, die vom Beteiligten getroffen wurden. So unterliegt es z.B. schon dem Steuergeheimnis, ob und bei welcher Finanzbehörde ein Beteiligter steuerlich geführt wird, ob ein Steuerfahndungsverfahren oder eine Außenprüfung stattgefunden hat. Geschützt ist auch die Information darüber, wer für einen Beteiligten im Verfahren aufgetreten ist, welche Anträge gestellt worden sind und in welcher Form das Verfahren von dem Beteiligten betrieben worden ist.
1.6 Verwaltungsinterne Vorgänge
Unter den Schutz des Steuergeheimnisses fallen nur die Verhältnisse eines anderen nicht aber verwaltungsinterne Vorgänge oder die Verhältnisse des Amtsträgers, der im Verwaltungsverfahren in Steuersachen tätig geworden ist. Allerdings sind Auskünfte nicht zulässig, soweit sie, und sei es auch nur mittelbar, Rückschlüsse auf Verhält...