People Analytics: Kommt jetzt das goldene Zeitalter für "HR-Analytics"?
Haufe Online-Redaktion: In Ihrer Studie „HR Trend Survey“ zählt – wenig überraschend – „Digitalisierung“ zu den wichtigsten HR-Trends 2016. Für 74 Prozent der Befragten hat dieses Thema Top-Priorität. Wie weit ist Ihrer Einschätzung nach die Digitalisierung in HR fortgeschritten, wo besteht noch Handlungsbedarf?
Udo Bohdal-Spiegelhoff: Insgesamt nutzen viele Personalabteilungen schon lange IT-Instrumente, um ihre Prozesse zu optimieren. Jedoch bleibt die Auswahl der Anbieter und Systeme heute noch häufig dem Zufall überlassen. Unternehmen sollten daher zunehmend versuchen, eine HR-Technologiestrategie „aus einem Guss“ zu finden.
Die Art und Weise, wie wir mit IT umgehen, hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Die Frage ist heute nicht mehr, ob wir IT verwenden, sondern wie wir sie konsumieren, um unser Leben effizienter und effektiver zu gestalten. Unternehmen, die IT besser für sich zu nutzen wissen als ihre Mitbewerber, können hierdurch Wettbewerbsvorteile generieren.
Die „Digital HR“-Transformation, die den Unternehmen bevorsteht wird tiefgreifend und radikal sein. Um in dem neuen Paradigma erfolgreich zu sein, sollten die HR-Teams künftig noch mehr mit der IT zusammenarbeiten, Design-Thinking-Ansätze annehmen, integrierte Analytics verwenden und Lösungen von Anbietern genau vergleichen.
Haufe Online-Redaktion: Es geht um mehr als die bloße Digitalisierung von HR-Prozessen. Sie sprechen in Ihrer Studie von einer digitalen „Employee Experience“, die HR schaffen müsse. Was ist damit gemeint? Und wie kann HR dies umsetzen?
Bohdal-Spiegelhoff: Die Mitarbeitererfahrung wird verbessert, indem HR soziale, mobile, analytics- und clould-basierte (SMAC) Technologien zusammenbringt. Neben der Technologie sollten die Unternehmen integrierte digitale HR-Strategien und -Programme aufbauen.
Haufe Online-Redaktion: Die Autoren des Studienbands schreiben außerdem, dass Unternehmen gerade in das „goldene Zeitalter“ der so genannten „People Analytics“ eintreten. Inwiefern?
Bohdal-Spiegelhoff: Wir konnten bereits über einige Jahre den Trend feststellen, dass immer mehr Unternehmen über People Analytics reden und einen Bedarf feststellen. Bisher wurde allerdings nur wenig in diesen Bereich investiert und die wenigsten Unternehmen haben bereits eigene Kompetenzen aufgebaut. Nun nimmt das Thema Fahrt auf: immer mehr Unternehmen stellen People-Analytics-Talente ein und investieren auch in die notwendigen Daten und Tools.
Haufe Online-Redaktion: Der Teilnehmerkreis Ihrer Studie ist international. Wie ist die Situation beim Thema „People Analytics“ in Deutschland? Hierzulande sind die Datenschutzanforderungen ja sehr streng und die Angst vor totaler Überwachung, dem „gläsernen Mitarbeiter“ groß…
Bohdal-Spiegelhoff: In Deutschland haben 70 Prozent geantwortet, dass People Analytics ein wichtiger oder sehr wichtiger Trend sei, 7 Prozentpunkte weniger als der Durchschnitt der weltweiten Studienteilnehmer. Diese Ergebnisse stützen unsere Beobachtung, dass Deutschland sich dem Thema People Analytics ein wenig vorsichtiger und verhaltener nähert als andere Länder; nichtsdestotrotz wird dieser Trend aber auch hierzulande immer wichtiger. Die Einführung von Analytics und insbesondere von People Analytics bedarf immer auch eines angemessenen Veränderungsmanagements, um zu zeigen, welche Vorteile sich für den einzelnen Nutzer ergeben, gegebenenfalls Risiken transparent zu machen und Ängste zu nehmen. In Deutschland ist dies wohl noch wichtiger als in anderen Ländern.
Haufe Online-Redaktion: Welche Chancen hat „People Analytics“ und der Einsatz von Big Data in HR vor dem Hintergrund der Datenschutzbestimmungen und betrieblichen Mitbestimmungspflichten in Deutschland?
Bohdal-Spiegelhoff: People Analytics hat in Deutschland ähnliche Möglichkeiten wie in anderen Ländern auch, nur dass die Hürden etwas höher sind und es länger dauern wird als anderswo, die notwendigen Maßnahmen zu implementieren. Aufgrund der Datenschutzbestimmungen hat man längere Vorlaufzeiten, um gegebenenfalls notwendige Einwilligungen von Mitarbeitern und/oder Bewerbern einzuholen. Ähnliches gilt für die betriebliche Mitbestimmung: Auch hier sollte man zusätzliche Zeit und Kapazitäten einplanen, um zum Beispiel den Betriebsrat frühzeitig in die Planung von Projekten zu involvieren. Im Vergleich zu anderen Ländern muss man etwas häufiger unkonventionelle Wege finden und um die Ecke denken. Hat ein Unternehmen beispielsweise keine eigene Datenbank über die Kompetenzen und Kenntnisse der Mitarbeiter, kann man alternativ öffentliche Information aus Social Media wie Xing oder Linkedin nutzen.
Haufe Online-Redaktion: In welchen Bereichen in HR wird Big Data bereits genutzt? Welche Einsatzfelder sind künftig denkbar?
Bohdal-Spiegelhoff: Big Data und Analytics wird bereits in vielen HR-Bereichen genutzt und hilft, vielfältige Fragen zu beantworten. Ein paar Beispiele:
- In der Personalplanung: “Wie viele Mitarbeiter brauchen wir in 5 Jahren für welche Rollen und mit welchem Skillset?”
- In der Organisationsentwicklung: “Wie strukturieren wir unseren Fachbereich am sinnvollsten?”
- Im HR Marketing. “Was bewegt Kandidaten, sich auf diese Stelle und bei meinem Unternehmen zu bewerben?”
- In der Personalauswahl: “Welcher Bewerber/-in ist am besten geeignet für diese Stelle und hat die höchste Wahrscheinlichkeit, gute Leistungen zu erbringen, lange im Unternehmen zu bleiben und hier Karriere zu machen und ein niedriges Risiko, disziplinarisch auffällig zu werden?”
- In der Personalentwicklung: “Welche Entwicklungsmaßnahmen sind für diesen Mitarbeiter mit seinem derzeitigen Kenntnisstand und Erfahrung in seiner aktuellen Position relevant, und welche bereiten ihn/sie auf den nächsten Karriereschritt vor?”
- In der Führungskräfteentwicklung: “Welche Mitarbeiter eignen sich für eine Führungslaufbahn?”
People Analytics in der Zukunft
Zukünftige Einsatzfelder könnten zum Beispiel in der vermehrten Verknüpfung von Personaldaten mit externen Daten und anderen Unternehmensdaten wie Finanz- und Vertriebsdaten sein, um unternehmensstrategische Fragen ganzheitlich zu beantworten. Auch denkbar wäre eine Art Return on Investment Kalkulation je Mitarbeiter, ähnlich wie Risikobewertungen bei Versicherungen. Was wir sicher sehen werden ist eine Verbreitung in der Nutzung von People Analytics.
Das Interview führte Melanie Rößler.
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