„Prima, ich habe ein Problem“
Haufe Online-Redaktion: Was im richtigen Leben als Scheitern bezeichnet wird, ist für den Clown die Basis für seine kreative Arbeit. Wie würde ein Clown mit einer typischen Panne im Büroalltag umgehen, zum Beispiel einer umgestoßenen Tasse Kaffee in einem wichtigen Meeting?
Michael Stuhlmiller: Grundsätzlich geht es um eine humorvolle Reaktion. Das wünschen wir uns alle in einer solchen Situation. Das witzige am Beispiel der Kaffeetasse ist, dass „Humor“ übersetzt „Flüssigkeit“ bedeutet. Humor will die Dinge immer so anstoßen, dass sie in Fluss kommen. Letztendlich gilt es, den Impuls aufzugreifen. Da fällt etwas um und jetzt geht es darum, mit einem witzigen Spruch zu reagieren. Je nachdem, welchen Anlass das Meeting hat, könnten Sie sagen: „Prima, jetzt wollen wir hoffen, dass der Rest unseres Gesprächs auch so in den Fluss kommt.“ Entscheidend ist, dass Sie nicht in Schock geraten und gar nicht reagieren.
Sie können sogar einen Gewinn aus der Situation ziehen, indem Sie demonstrieren, dass Sie souverän reagieren.
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Haufe Online-Redaktion: Das Signal an die Gesprächspartner ist also: Es gibt eine Panne, aber ich weiß, was ich zu tun habe?
Stuhlmiller: Für die Gesprächspartner ist es immer wichtig, dass sie sehen: Jetzt läuft es nicht so, wie es eigentlich laufen sollte, aber ihr Gegenüber bleibt gefasst und findet sogar eine humorvolle Antwort. Das ist in einer solchen Situation immer ein Gewinn. Wenn etwas schief läuft, sollten Sie beweisen, dass Sie die Nerven behalten und die Situation mit einem lockeren Spruch retten. Letztendlich geht es nicht einmal um den lockeren Spruch, sondern darum, kein großes Aufheben zu machen. Jeder kennt es aus dem Geschäftsleben: Es läuft eben nicht immer rund. Sie können sogar einen Gewinn aus der Situation ziehen, indem Sie demonstrieren, dass Sie souverän reagieren.
Haufe Online-Redaktion: Wie sieht es bei gewichtigeren Problemen aus, zum Beispiel, wenn ich in meiner aktuellen Position die Kündigung erhalte?
Stuhlmiller: Die Clownmethode beinhaltet vier Spielregeln. Die erste Spielregel lautet: Sorgen Sie für eine „innere Ausrichtung“. Durch Atemarbeit, Konzentration und Körperarbeit lerne ich, mich innerlich zu stabilisieren. Ein Satz wie „So schlimm ist das doch nicht“ funktioniert nicht. Denn wenn ich in eine solche Situation komme, gerate ich im wahrsten Sinn des Wortes „aus dem Häuschen“. Ich bin so geschockt, dass ich den Kontakt zu mir selbst verliere. Nun ist es zunächst nötig, dass ich in der Anwendung der inneren Achse wieder Ausrichtung, Klarheit und ein Gefühl der inneren Stärke erreiche.
Haufe Online-Redaktion: Welche weiteren Spielregeln gibt es?
Stuhlmiller: Die zweite Regel betrifft den Umgang mit Druck. Sie müssen etwas nicht sofort annehmen, sondern können den Druck, der auf Sie einwirkt, aufgreifen und sagen: Wenn die zu mir „Nein“ sagen, muss ich selbst noch lange nicht „Nein“ sagen. Sie sollten nicht beleidigt reagieren, sondern zunächst den Grund für die Kündigung erfragen. Die nächste Spielregel leitet die Frage ein: Wie kann ich Probleme für mich so umdeuten, dass ich daraus einen Gewinn ziehe? Das ist wiederum nur mit der richtigen inneren Ausrichtung möglich. Stellen Sie Fragen und lassen Sie sich Zeit, die Antworten auf Ihre Fragen tatsächlich wahrzunehmen. Dann finden Sie die Schaltstelle zu neuen, unerwarteten und kreativen Antworten. Spielregel Nummer vier betrifft den Umgang mit Konflikten.
Wenn die Mitarbeiter Angst haben, bloß nichts Falsches zu sagen, kommen nie neue Impulse.
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Haufe Online-Redaktion: Wie hilft die Clownmethode dabei, Konflikte besser zu lösen?
Stuhlmiller: Hierbei müssen Sie zunächst unterscheiden: Haben die Mitarbeiter ein Problem oder besteht tatsächlich ein Konflikt? Probleme haben meist mit der Sache zu tun, mit dem Umsetzen einer Aufgabe. Dann gilt es, die Mitarbeiter wieder ins Boot zu holen und die Schwierigkeiten, die bei der Aufgabe auftreten, zu meistern. Außerdem gilt es, die Haltung Problemen gegenüber zu verändern. Sie sollten nicht sofort nach Lösungen suchen, sondern sich fragen, welche neue Herangehensweise das Problem ins Spiel bringt. Personalmanager spielen hierbei eine wichtige Rolle, denn sie sind dafür zuständig, eine gute Fehlerkultur zu implementieren. Wenn die Mitarbeiter Angst haben, bloß nichts Falsches zu sagen, kommen nie neue Impulse. Der Konflikt hat dagegen die Aufgabe, eine Situation zum Kippen zu bringen. Die Clownmethode sagt, dass jeder Störenfried, vom Choleriker bis zum Besserwisser eigentlich ein positives Potenzial mitbringt. Wenn ich die richtige innere Ausrichtung habe, kann ich auch einen Choleriker ins Team integrieren. Es gilt, den Impuls zu nutzen und die Personen nicht auszugrenzen. Es geht überhaupt nicht darum, in den Konflikt einzusteigen, sondern darum, diesen spielerisch umzudeuten.
Haufe Online-Redaktion: Inwiefern kann die Clownmethode auch dabei unterstützen, souveräner bei Vorträgen oder Ansprachen aufzutreten?
Stuhlmiller: Hier geht es in erster Linie um die äußere Ausrichtung. Wenn jemand eine Ansprache hält, kommt es immer darauf an, wie er überhaupt den Raum betritt und wie er das Thema aufbaut – also wie er es schafft, sein Publikum zu inspirieren. Zahlreiche Techniken helfen dabei, Vorträge so zu gestalten, dass sie auch für die Zuhörer nachvollziehbar werden – zum Beispiel, indem sie in Geschichten eingebaut werden. Auch hier ist es wichtig, Druck aufzugreifen, wenn Zwischenfragen kommen, und Konflikte anders zu interpretieren. Ein provokanter Zwischenruf stellt ja auch immer einen Konflikt dar. Ein Clown hat immer eine Gegenteiler-Position, das heißt, er stellt alles um. In diesem Fall heißt es: Prima, ich habe ein Problem. Wie kann ich damit spielen?
Haufe Online-Redaktion: Wie sind Sie zu diesen Erkenntnissen gekommen?
Stuhlmiller: Die ganze Methode ist von der Bühne aus entwickelt. Dort gibt es viele Situationen, in denen etwas schief läuft und in denen das Publikum nicht so reagiert, wie es reagieren sollte. Wenn Sie sich verausgaben und schauen, wie Sie es den anderen Recht machen können, haben Sie verloren. Vor 27 Jahren habe ich mit einer kleinen Gruppe von Schauspielern, Musikern und Artisten die Berufsfachschule für Clowns gegründet. Seit dieser Zeit weiß ich, welche Probleme Teamgründungen mit sich bringen und welche Konflikte in Teams auftreten. Es gibt kaum eine Situation, die ich nicht selber erlebt habe – ob als Trainer, als Unternehmer oder als Künstler auf der Bühne. Nur hatte ich das große Glück, dass ich das in meine Arbeit mit einbeziehen konnte. Ich konnte das Studium des Scheiterns als mein Hauptthema ausarbeiten.
Michael Stuhlmiller ist Berufsclown, Gründer der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Clowns und Buchautor. In seinem neuen Buch „Die Kunst des spielerischen Scheiterns“ (Kailash, 2016) zeigt er auf, dass nicht nur Clowns spielerisch Scheitern können.
Das Interview führte Daniela Furkel.
"Gescheiter Scheitern": Podiumsdiskussion auf der Zukunft Personal 2016
Das Thema „Scheitern als Chance“ ist auch Gegenstand einer Podiumsdiskussion auf der Messe Zukunft Personal. Unter dem Titel „Gescheiter Scheitern“ diskutieren Reiner Straub (Personalmagazin) und Stephan Grabmeier (Haufe-umantis) mit Persönlichkeiten wie Thomas Lurz (Weltmeister im Freiwasserschwimmen), Hermann Arnold (Umantis) und Oliver Maassen (Pawlik Consultants). Die Podiumsdiskussion findet am 19. Oktober um 13 Uhr in Forum 1 statt (Koelnmesse, Halle 2.1).
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