Ein bisschen Paranoia darf sein
Dass ein guter Abschluss an der richtigen Uni, relevante Erfahrung und gute Connections beim beruflichen Aufstieg helfen, beten die Verfasser von Karrierebibeln schon seit Jahren herunter. Der Karrieretipp, den nun Niels Van Quaquebeke von Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg aufstiegswilligen Managern gibt, ist hingegen neu und klingt erst einmal etwas gewöhnungsbedürftig: Der Professor für Leadership und Organizational Behavior vertritt nämlich die Meinung, dass auch Paranoia beim beruflichen Aufstieg helfen kann.
Paranoide Führungskräfte sind misstrauisch – und so sozial aufmerksam
Paranoide Menschen zeichnen sich nämlich laut Quaquebeke durch hohes Misstrauen gegenüber anderen aus, was dazu führt, dass sie ständig aufmerksam gegenüber potenziell unvorteilhaften Situationen sind. Diese Eigenschaften könnten helfen, im Unternehmen nach oben zu kommen.
"Merkmale einer paranoiden Persönlichkeit sind unter anderem das Gefühl, von anderen hintergangen und ausgenutzt zu werden. Die Betroffenen vermuten überall um sie herum feindselige Haltungen ihnen gegenüber", erklärt Van Quaquebeke. Das führe zu einer genauen Beobachtung der sozialen Umgebung und einer häufig wechselnden Einteilung in Freund und Feind.
Paranoide Menschen seien bestrebt, Beziehungen so zu managen, dass ihre vermeintlichen Widersacher wenige Angriffspunkte haben. Und das helfe der Karriere, sagt Van Quaquebeke: "Um nach oben zu kommen, muss man sich einerseits immer wieder richtig positionieren. Andererseits ist es aber auch wichtig, sich aus Situationen heraus zu halten, die schädlich für die Karriere sein können", so der KLU-Professor. Beides gelinge Menschen mit paranoiden Wesenszügen besonders gut.
Paranoiker sind immer aufs Schlimmste gefasst
Seine Theorie kann der Professor auf die Ergebnisse einer Studie stützen, für die er ein halbes Jahr lang 441 Angestellte in unterschiedlichen Bereichen befragte. Die Studienteilnehmer beantworteten Fragen zu ihrer Position im Unternehmen und zu der Zahl ihrer Mitarbeiter. Darüber hinaus füllten sie einen Fragebogen zu paranoiden Vorstellungen aus. Das Ergebnis: Höhere Grundwerte in paranoider Persönlichkeit sagten den Aufstieg im Unternehmen voraus.
"Ein gewisses paranoides Verhalten kann für Führungskräfte durchaus eine positive Eigenschaft sein", resümiert Van Quaquebeke. "Paranoiker sind ständig auf das Schlimmste gefasst und entwickeln Strategien, um sich dagegen zu wappnen." Das könne sich auf das Verhalten von Mitarbeitern und Kollegen beziehen, auf die Absichten von Geschäftspartnern oder auf vermeintliche Sabotageversuche am Unternehmen und seinen Produkten.
Alle Szenarien schon in Gedanken durchgespielt
Als Beispiel für eine paranoide Führungspersönlichkeit nennt Van Quaquebeke den früheren Intel-Chef Andrew Grove. Dieser habe sich permanent Gedanken über die Qualität der Produkte, die Leistungsfähigkeit der Fabriken, die Arbeitsmoral seiner Angestellten und die Pläne seiner Konkurrenten gemacht. Und sei damit für viele Situationen bereits im Voraus gerüstet gewesen.
"Die Wirtschaftswelt wird immer unsicherer", sagt Van Quaquebeke, "wir sehen Wirtschaftskrisen, globalen Wettbewerb und neue disruptive technologische Entwicklungen." Menschen mit paranoiden Eigenschaften seien auf solche Herausforderungen häufig besser vorbereitet, weil sie in Gedanken diese Szenarien schon durchgespielt hätten.
Die Studienergebnisse hat Van Quaquebeke im Artikel "Paranoia as an Antecedent and Consequence of Getting Ahead in Organizations: Time-Lagged Effects Between Paranoid Cognitions, Self-Monitoring, and Changes in Span of Control" in der psychologischen Fachzeitschrift "Frontiers in Psycholgy" veröffentlicht. Hier können Sie den kompletten Beitrag auf Englisch lesen: journal.frontiersin.org
Zum Weiterlesen:
Ein Interview mit Professor Niels Van Quaquebeke ("Aufstieg dank Paranoia?") lesen Sie in Ausgabe 01/2017 der "Wirtschaft + Weiterbildung". Darin kommentiert er die Ergebnisse seiner Paranoia-Studie.
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