Es gilt als Binsenweisheit: Die Generation Y, also die zwischen 1980 und 1995 geborene Alterskohorte, ist anders. Anders jedenfalls als ihre Vorgänger: erwartungsvoll, hochadaptiv, internettig - sowas in der Art...
Außerdem ist sie knapper. Von der Sorte Gen Y gibt es wesentlich weniger als von der Sorte Babyboomer mit ihren Massenjahrgängen, an der Spitze die 1964 Geborenen und damit die mittlerweile Fünfzigjährigen. Und weil die Gen Y anders und knapper ist, besitzt sie eine große Macht am Arbeitsmarkt. Und deshalb bekommen Unternehmen derzeit Panikattacken. Und deshalb erhält Talent Management heftigen Rückenwind. Und deshalb darf ich diese Kolumne schreiben. Danke Gen Y.
Nachhaltige Festlegung von Weltbildern
Immer wieder sagen Kritiker: So viel anders als ihre Vorgänger sei die Gen Y überhaupt nicht, eigentlich sogar recht ähnlich. Auch ihre arbeitsbezogenen Einstellungen würden sich kaum unterscheiden.
Ich denke allerdings: Die Gen Y wäre nun auch die allererste Generation, die nicht anders als frühere Alterskohorten wäre. Was ihr nicht zu wünschen ist.
Jede Generation hat etwas Eigenes, was sie von ihren Vorgängern und Nachfolgern unterscheidet. Dies liegt in den Umständen ihres Aufwachsens und dem jeweils prägenden Zeitgeist. So wird gesellschaftliche Entwicklung erst möglich. Natürlich läuft dies nicht ohne Friktionen ab; Konflikte in familiären Milieus, im politischen Diskurs, in kulturellen Dramen sowie natürlich auch in Unternehmen verdeutlichen es Tag für Tag.
Die Herausbildung und Verfestigung von individuellen Einstellungsmustern und Verhaltensdispositionen findet nicht in allen Lebensphasen in gleicher Weise statt. Als besonders prägend gilt die Adoleszenz, also die späte Jugendzeit und das erste Erwachsensein. Das Geschehen in der Umwelt, welches sich in dieser „Phase der Offenheit“ ereignet, hat – so der Soziologe Karl Mannheim bereits im Jahr 1928 – „die Tendenz, sich als natürliches Weltbild festzusetzen“.
Beispiel Frauenquote: Unverständnis je nach Generation
Wenn nun die Babyboomer in einer Zeit groß geworden sind, als Frauen allesamt Röcke trugen, ihren Mann um Arbeitserlaubnis fragen mussten und Doris Day als weibliches Rollenmodell galt, können sie dies bis heute nur schwer abschütteln. Kein Wunder, dass sich viele Manager aus den späten 50er- und frühen 60er-Jahren mit der Frauenquote kaum anfreunden können. Die Gen Y weiß nicht einmal mehr, wer Doris Day - die übrigens immer noch lebt - eigentlich war.
Viel spannender finde ich übrigens den Meinungsstreit darüber, ob es sich bei der Gen Y nun um „Digital Natives“ oder um „Digital Naifs“ handelt.
Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.