Neulich auf dem größten europäischen "Get-Together" der HR-Szene, der Messe Zukunft Personal in Köln, schlenderte ich von Stand zu Stand, begann hier und dort Gespräche, brach diese rasch wieder ab - nicht ohne mancherlei "Give-Aways" einzusacken oder gleich vor Ort zu verspeisen.
Plötzlich sah ich bei einem Aussteller das mir nicht bekannte Wort "Parsing". Also ließ ich mich in den nächsten Talk verwickeln. Dabei erfuhr ich Details zu einem Produkt, dem sogenannten "CV-Lizer", bei dem laut Werbetext "freitextliche Lebensläufe mittels semantischer Kriterien analysiert und alle relevanten Informationen extrahiert werden".
90 Prozent Zeitersparnis mit Parsing klingt verlockend
Noch mehr als die Technik beeindruckte mich das Nutzenversprechen: "Bis zu 90 Prozent Zeitersparnis!" Da selbst im Talent Management Zeit gleich Geld und Geld immer knapp ist, testete ich Tage später ganz bequem vom Home-Office aus diese Anwendung. Als exemplarischen Lebenslauf nahm ich den unserer Bundeskanzlerin von ihrer Homepage ( www.angela-merkel.de).
Knallharte Parsing-Recherche führt zu Lücken im Lebenslauf der Bundeskanzlerin
Ergebnis: Die Dame hat bei ihrem CV etwas geflunkert. Was durch die investigative Parsing-Anwendung überdeutlich wird. Drei Belege für ihre Enttarnung durch den "CV-Lizer": Als persönliche Anrede sei eigentlich "Mr." zu verwenden, meint das Programm. Jetzt wissen wir endlich warum unser "Herr Bundeskanzlerin" so konsequent gegen die Frauenquote ist.
Zweitens, als ihre fachlichen Kompetenzen werden an vorderer Stelle Landwirtschaft und Gartenbau identifiziert. Jetzt wissen wir auch warum sie als Parteichefin viele ihrer politischen Gegner einfach so unterpflügt.
Drittens, als Enddatum ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit wird vom "CV-Lizer" das Jahresende 1999 recherchiert. Jetzt wissen wir leider nicht, was sie eigentlich seither macht.
Würde ich die Dame auf dieser Basis einstellen? Nein, denn ihre Lücke im Lebenslauf erscheint mir viel zu groß. Ohne Parsing-Anwendung hätte ich dies nicht bemerkt...
Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.
In Zeiten des Fachkräftemangels sollten Gruppen- und Abteilungsleiter Lebensläufe möglicher Mitarbeiter sichten, statt den neuen Kollegen durch eine Software in der Personalabteilung 'parsen' zu lassen.
Purer Quatsch. Was ist das für eine Unternehmens-Philosophie?
- Hans Steup, Berlin