Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeugniserteilung und -berichtigung. Zeugnisberichtigung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Formulierung im Arbeitszeugnis, der Arbeitnehmer sei „ehrlich und pünktlich”, entwertet die durchschnittliche Leistungsbeurteilung „zu unserer vollen Zufriedenheit”. Denn durch die Hervorhebung der an sich selbstverständlichen Pünktlichkeit (= zeitliche Zuverlässigkeit) und dem Weglassen des wichtigen Beurteilungskriteriums „Zuverlässigkeit” wird dem, Arbeitnehmer „zwischen den Zeilen” bescheinigt, dass er im Übrigen nicht zuverlässig ist.
2. Legt der Arbeitgeber daher im Zeugnisrechtsstreit die Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers nicht dar oder kann er sie nicht beweisen, kann der Arbeitnehmer die Entfernung des Merkmals Pünktlichkeit aus dem Zeugnis verlangen.
Normenkette
BGB § 630
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Zeugnis mit folgendem Wortlaut unter dem Datum 04.09.2000 zu erteilen:
„Zeugnis
Frau … H., geboren am … 1950, war vom 15.12.1997 – 31.07.2000 in unserem Unternehmen im Büro beschäftigt.
Ihr Aufgabengebiet umfaßte
- Kundenbetreuung am Empfang
- Erstellen von Getränkelieferscheinen und -rechnungen
- Tagesfaktura
- Mitbetreuung der Telefonzentrale
- Bestellwesen
- Öffnen der Eingangspost
- Erstellen der monatlichen Lohnabrechnung
Die Aufarbeitung der Lieferscheine bzw. Rechnungen, Tagesabschlüsse und Lohnabrechnung erfolgt bis Ende 1999 auf einem UNIX-System und ab 01.01.2000 auf Windows-NT-Ebene.
Frau H. war eine ehrliche Mitarbeiterin. Die Ihr übertragenen Aufgaben erledigte sie zu unserer vollen Zufriedenheit.
Ihr Verhalten gegenüber Kolleginnen und Kollegen war freundlich und zuvorkommend.
Frau H. scheidet zum 31.07.2000 aus unserem Unternehmen aus. Wir wünschen ihr für die Zukunft alles Gute auf ihrem Berufsweg.
(Unterschrift)”
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 3.100,00 DM festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zeugnisberichtigung.
Die am … 1950 geborene Klägerin war bei der Beklagten vom 15.12.1997 bis 31.07.2000 im Büro beschäftigt.
Die Beklagte erteilte der Klägerin unter dem 04.09.2000 (Bl. 35 d.A.) zunächst ein erstes Zeugnis. Dieses wurde von der Klägerin beanstandet. Daraufhin erteilte die Beklagte „im Oktober 2000” ein neues „Arbeitszeugnis”. Wegen des genauen Inhalts wird auf Bl. 4 d.A. verwiesen. Die Beklagte hat mittlerweile den grammatikalischen Fehler im ersten Absatz (uns statt in) bereinigt.
In der mündlichen Verhandlung vom 02.05.2001 stritten die Parteien nur noch um die Streichung der Formulierung „und pünktliche” sowie um die Änderung des Ausstellungsdatums von „im Oktober 2000” in „04.09.2000”.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Begriff „pünktliche Mitarbeiterin” nicht wohlwollend und durch Tatsachen nicht belegt sei. Der Begriff „pünktlich” sei schillernd. Die Beklagte habe durch die Verwendung dieses Begriffes eine nicht wohlwollende Beurteilung über die Klägerin abgeben wollen. Wäre die Formulierung „pünktlich” als wohlwollend von Seiten der Beklagten benutzt worden, hätte es ohne weiteres genügt, wie vom Vorsitzenden vorgeschlagen, den Begriff „pünktlich” durch „zuverlässig” zu ersetzen.
Die Klägerin beantragt daher:
Das Zeugnis der Klägerin vom Oktober 2000 wird wie folgt richtig gestellt:
- Das Datum ist anzugeben mit „04.09.2000”
- im 4. Absatz, dort Satz 1 wird „und pünktliche” ersatzlos gestrichen.
Die Beklagte erkannte den Antrag in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Datumsberichtigung an und beantragt im Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der Vokabel „pünktlich” um eine positive Bewertung handele, was beispielsweise eine Abgrenzung zu Arbeitnehmern darstellen solle, die immer wieder durch verspätetes Erscheinen am Arbeitsplatz, also durch Unpünktlichkeit, auffallen. Pünktlich solle also die zeitliche Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers positiv bewerten.
Zuverlässigkeit habe ins Zeugnis nicht aufgenommen werden können, da die Klägerin nicht zuverlässig gewesen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist örtlich gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 ZPO zuständig.
II.
Die Klage ist auch begründet.
1. Soweit die Klägerin die Änderung des Datums beantragt hatte, ist Anerkenntnisurteil ergangen. Insofern wird auf die Abfassung von Entscheidungsgründen gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313b ZPO verzichtet.
2. Die Klage ist jedoch auch begründet, soweit die Klägerin die Entfernung der Formulierung „und pünktliche” aus dem Zeugnistext begehrt. Der Berichtigungsanspruch folgt dabei aus positiver Vertragsverletzung i.V.m. § 249 BGB (Naturalrestitution; vgl. ErfK, 2. Aufl., § 630 BGB RdNr. 127).
a) Ein Zeugnis muss wahr aber auch wohlwollend sein. Dem Arbeitgeber kommt hierbei ein Beurteilungsspielraum zu. Der Arbeitnehmer hat...