Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten anwaltlicher Tätigkeit für ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung in einem Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber hat nicht die Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit zu tragen, die einem Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung in einem Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG entstanden sind.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1, § 65 Abs. 1, §§ 78, 23 Abs. 1, § 103 Abs. 2, § 78a
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts München vom 22. September 1998 – 8 TaBV 35/98 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Anwaltskosten im Zusammenhang mit einem Beschlußverfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG.
Ein früheres Mitglied der bei der beteiligten Arbeitgeberin gebildeten Jugend- und Auszubildendenvertretung verlangte vor Abschluß seiner Ausbildung am 9. Juli 1996 mit Schreiben vom 14. Juni 1996 seine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin mit einem am 5. Juli 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag festzustellen, daß kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Diesem Antrag entsprach das Arbeitsgericht. Dagegen erhob der Jugend- und Auszubildendenvertreter Beschwerde, die sein erstinstanzlicher Verfahrensbevollmächtigter einlegte. Danach meldete sich der Antragsteller als Verfahrensbevollmächtigter und begründete die Beschwerde. In der mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht nahm er die Beschwerde zurück. Der bei der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat war in diesem Verfahren nicht beteiligt worden.
Der Antragsteller verlangte für seine Tätigkeit von dem von ihm vertretenen Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung die Erstattung von Kosten in Höhe von 1.496,15 DM. Dieses trat mit Erklärung vom 30. Juni 1997 einen darauf gerichteten Freistellungsanspruch gegen die Arbeitgeberin an den Antragsteller ab.
Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei nach § 40 Abs. 1 iVm. § 65 Abs. 1 BetrVG zur Kostenerstattung verpflichtet. Das Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG habe die Verteidigung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung betroffen. Die Arbeitgeberin habe ferner die Kosten des vorliegenden Verfahrens zu tragen, das zur Durchsetzung eines betriebsverfassungsrechtlichen Kostenanspruchs erforderlich sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
- die Arbeitgeberin zu verurteilen, an den Beschwerdeführer DM 1.496,15 zu zahlen,
die Arbeitgeberin zu verurteilen, an den Beschwerdeführer die Kosten erster Instanz in Höhe von DM 343,85 zu zahlen,
hilfsweise
festzustellen, daß die Arbeitgeberin die Kosten dieses Verfahrens zu tragen habe.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Die Vorinstanzen haben die Anträge zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein bisheriges Antragsziel weiter. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Der Senat hat im Rechtsbeschwerdeverfahren erstmals den bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrat beteiligt. Der Betriebsrat hat keinen Antrag gestellt.
B. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hatte keinen Erfolg.
I. Der Antragsteller kann von der Arbeitgeberin aus abgetretenem Recht keine Erstattung der Kosten seiner anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren verlangen.
1. Der Antragsteller ist aktivlegitimiert. Er macht einen betriebsverfassungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend, der ursprünglich dem Betriebsrat oder dem Jugend- und Auszubildendenvertreter zugestanden haben soll(§ 40 Abs. 1 iVm. § 65 Abs. 1 BetrVG). Ein solcher Anspruch kann auf die Freistellung von einer Verbindlichkeit oder auf die Zahlung an den jeweiligen Forderungsinhaber gerichtet sein. Er kann von dem Betriebsrat an den Gläubiger der Forderung abgetreten werden. Die Vorschrift des § 400 BGB, nach der eine unpfändbare Forderung nicht übertragen werden kann, steht der Abtretung nicht entgegen. Zwar ist der fragliche Kostenerstattungsanspruch nach § 850 a Nr. 3 ZPO nicht pfändbar. Doch läßt § 400 BGB nach seinem Rechtsgedanken eine Abtretung zu, wenn der Gläubiger der an den Betriebsrat gerichteten Forderung darauf verzichtet, seinen Anspruch gegenüber dem Betriebsrat geltend zu machen und sich dafür dessen Freistellungsanspruch abtreten läßt(st. Rspr. BAG 15. Januar 1992 – 7 ABR 23/90 – BAGE 69,214 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41).
2. Dem Betriebsrat stand gegenüber der Arbeitgeberin kein Anspruch auf Freistellung von den Kosten der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers für ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung zu. Es fehlt bereits an einem die Kostentragungspflicht auslösenden Betriebsratsbeschluß zur Beauftragung des Antragstellers für das damalige Beschlußverfahren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber nur diejenigen Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit zu tragen, die auf eine Beauftragung des Anwalts aufgrund eines Beschlusses des Betriebsrats zurückgehen. Der Betriebsrat handelt als Kollegialorgan, das seine Meinungsbildung durch Beschlußfassung vollzieht. An den vom Betriebsrat gefaßten Beschluß knüpft das BetrVG weitreichende Folgen nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für den Arbeitgeber. Dazu gehört auch dessen Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG. Das verlangt, daß sich der Betriebsrat als Gremium mit dem zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt befaßt und ihn einer einheitlichen Willensbildung durch Abstimmung zuführt, die in der Beschlußfassung zum Ausdruck kommt. Die stillschweigende Hinnahme einer anwaltlichen Tätigkeit ohne ausdrücklichen Beschluß des Betriebsrats löst daher keine Kostenerstattungspflicht des Arbeitgebers aus(vgl. BAG 14. Februar 1996 – 7 ABR 25/95 – AP BetrVG 1972 § 76 a Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 76; zuletzt BAG 8. März 2000 – 7 ABR 11/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Ein ausdrücklicher Beschluß des Betriebsrats zur Beauftragung des Antragstellers in dem Verfahren – 8 TaBV 92/96 – ist im Streitfall nicht vorgetragen. Er folgt auch nicht aus dem im Rechtsbeschwerdeverfahren auf Anfrage des Senats erstmals vorgelegten Betriebsratsbeschluß vom 11. Juli 1996, dessen Inhalt zwischen den übrigen Beteiligten nicht streitig ist. Danach hatte der Betriebsrat beschlossen, die Übernahme von zwei Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung, zu denen auch das im Verfahren – 8 TaBV 92/96 – beteiligte Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung gehörte, durch Rechtsanwalt S. prüfen zu lassen. Dieser Beschluß läßt nicht erkennen, daß der Betriebsrat die Einlegung eines Rechtsmittels in dem damaligen Beschlußverfahren und die Beauftragung gerade des Antragstellers beschlossen hatte.
3. Das unmittelbar betroffene Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung konnte von der Arbeitgeberin ebenfalls keine Kostenerstattung verlangen. Der Antragsteller hat auch insoweit keinen Anspruch aus abgetretenem Recht.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Jugend- und Auszubildendenvertretung kein eigenständiger Repräsentant der jugendlichen Arbeitnehmer und kein selbständiges Mitwirkungsorgan der Betriebsverfassung. Ihre Rechte und Pflichten und diejenigen ihrer Mitglieder bestehen gegenüber dem Betriebsrat, nicht gegenüber dem Arbeitgeber. Geht ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung zur Erfüllung seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz Zahlungspflichten ein, sind diese Teil der vom Betriebsrat verursachten Kosten, die der Arbeitgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen hat(vgl. BAG 30. März 1994 – 7 ABR 45/93 – BAGE 76, 214 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 42, zu B I 3 der Gründe).
b) Zu den vom Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragenden Kosten der Tätigkeit des Betriebsrats können auch solche gehören, die durch das Führen von Rechtsstreitigkeiten in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten entstehen, in denen die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung eines Mitglieds eines Betriebsverfassungsorgans betroffen ist. Deswegen sind bei einem Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung ebenso wie bei einem Betriebsratsmitglied die Kosten aus der Hinzuziehung eines Anwalts erstattungsfähig, die zur sachgerechten Verteidigung ihrer Rechtsstellung in einem Ausschlußverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG erforderlich sind(vgl. BAG 19. April 1989 – 7 ABR 6/88 – BAGE 61, 340 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 29). In einem solchen Verfahren wird das Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung ausschließlich wegen seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung und mit dem Ziel seines Ausschlusses aus einem gesetzlichen Gremium der Betriebsverfassung in Anspruch genommen.
c) Dagegen besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kein betriebsverfassungsrechtlicher Kostenerstattungsanspruch, wenn ein Mitglied eines betriebsverfassungsrechtlichen Gremiums seine individual-rechtlichen Interessen gegenüber dem Arbeitgeber wahrnimmt. Deshalb sind Anwaltskosten, die ein Betriebsratsmitglied aufgrund seiner Beteiligung in einem Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG entstanden sind, nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig, weil es sich nicht um eine Betriebsratstätigkeit handelt und die in diesem Verfahren zu berücksichtigenden kollektiven Interessen vom Betriebsrat selbst zu wahren sind(BAG 21. Januar 1990 – 7 ABR 39/89 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr.28). Nichts anderes gilt für die Beteiligung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung in einem Beschlußverfahren, das die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses im Anschluß an den Abschluß der Ausbildung zum Gegenstand hat(vgl. dazu BAG 11. Januar 1995 – 7 AZR 574/94 – AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 24 = EzA BetrVG 1972 § 78 a Nr. 22, zu II 2 a der Gründe). In einem solchen Verfahren ist der Betriebsrat zu beteiligen, um das kollektive Interesse der Belegschaft an der Kontinuität der Amtsführung der Jugend- und Auszubildendenvertretung in das Verfahren einzubringen. Die Beteiligung des jeweiligen Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung dient ausschließlich dessen individual-rechtlichen Interesse an der Fortsetzung seiner Tätigkeit bei dem Arbeitgeber aufgrund eines Arbeitsverhältnisses, das infolge eines schriftlichen Weiterbeschäftigungsverlangens entstanden war(Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. § 40 Rn. 51 a). Das zeigt auch die Nachwirkungsvorschrift des § 78 a Abs. 3 BetrVG. Sie verdeutlicht, daß ein Auflösungsverfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG nicht einmal das Bestehen einer Mitgliedschaft in der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei Einleitung des Beschlußverfahrens voraussetzt.
d) Die Kostentragungspflicht des Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung für eine anwaltliche Vertretung in einem Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG verletzt im Streitfall auch nicht das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift dürfen die Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Das verbietet nach dem Schutzzweck der Norm die Benachteiligung eines Amtsträgers ua. wegen seiner Amtsstellung, also seiner Zugehörigkeit zu einem der in § 78 BetrVG genannten Betriebsverfassungsorgane. Danach kann eine unzulässige Benachteiligung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung im Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmern darin liegen, daß es allein wegen seiner Amtsstellung mit Vermögensaufwendungen belastet wird, die bei einem sonstigen Arbeitnehmer ohne betriebsverfassungsrechtliches Amt nicht den Arbeitnehmer, sondern den Arbeitgeber treffen würden(BAG 21. Januar 1990 – 7 ABR 39/89 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 28).
Eine gesetzeswidrige Benachteiligung des damaligen Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung liegt aber nicht vor. Das Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung war dem Beschlußverfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG nicht wegen seiner Amtsstellung ausgesetzt, sondern weil er als Auszubildender seine Weiterbeschäftigung nach Abschluß der Ausbildung verlangt hatte. Gegenüber anderen Arbeitnehmern, die sich gegen entsprechende Feststellungsklagen des Arbeitgebers auf Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses zu Wehr setzen müßten, wird er nicht benachteiligt. Auch sie müßten im Urteilsverfahren im Falle eines Prozeßverlustes oder der Rücknahme des Rechtsmittels die Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung selbst tragen.
II. Dem Antragsteller steht aus abgetretenem Recht gegenüber der Arbeitgeberin auch kein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz des Ausgangsverfahrens in Höhe von 343,85 DM zu.
Ein auf § 40 Abs. 1 BetrVG beruhender Kostenerstattungsanspruch des Betriebsrats besteht schon deswegen nicht, weil es an einer entsprechenden Beschlußfassung des Betriebsrats über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens gefehlt hat und diese Beschlußfassung nach Abschluß der ersten Instanz nicht mehr nachholbar ist(vgl. BAG 8. März 2000 – 7 ABR 11/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Zwar hat der Antragsteller einen Betriebsratsbeschluß vom 3. Dezember 1999 vorgelegt. Dieser genügt den von Gesetzes wegen zu stellenden Anforderungen nicht. Er ist erst nach Abschluß des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgt.
III. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erstattung des Verzugsschadens nach § 286 BGB. Die Arbeitgeberin befand sich mit einer Leistung gegenüber dem Antragsteller nicht im Verzug. Es fehlte an einem Kostenerstattungsanspruch, den sie hätte erfüllen müssen.
IV. Der Hilfsantrag fällt nicht mehr zur Entscheidung an. Wie der Antragsteller in der Rechtsbeschwerdebegründung klargestellt hat, war über diesen Antrag nur bei Fehlen einer materiell-rechtlichen Entscheidung über den Antrag zu 2) zu entscheiden.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Linsenmaier, Schiele, Seiler
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.04.2000 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 2052 |
BB 2001, 1357 |
DB 2000, 2280 |
NWB 2000, 3818 |
ARST 2001, 19 |
FA 2000, 294 |
FA 2000, 349 |
FA 2001, 16 |
NZA 2000, 1178 |
ZAP 2000, 1279 |
ZTR 2000, 574 |
AP, 0 |
AuA 2001, 234 |
AuA 2003, 49 |
AGS 2001, 77 |