Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung im gemeinsamen Betrieb
Leitsatz (amtlich)
1. Bilden mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb, ist für die Frage, ob regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt werden und eine geplante Betriebsänderung daher nach §§ 111 ff. BetrVG mitbestimmungspflichtig ist, auf die Gesamtzahl aller im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen.
2. Diese Bezugsgröße bleibt maßgeblich auch dann, wenn über das Vermögen einer der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Gesellschaften der Konkurs eröffnet wird und der Konkursverwalter den der Gemeinschuldnerin zuzuordnenden Betriebsteil, in dem weniger als 21 Arbeitnehmer beschäftigt sind, unmittelbar nach Konkurseröffnung stillegt. Ob es sich dabei um die Stillegung eines wesentlichen Betriebsteils handelt, beurteilt sich nach den Verhältnissen des gemeinsamen Betriebes.
Normenkette
BetrVG §§ 111-112; KO § 6; BGB § 705
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. Juni 1996 - 6 TaBV 8/95 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines von der Einigungsstelle verabschiedeten Sozialplans.
Die 1983 gegründete Gemeinschuldnerin plante, verkaufte und erstellte industrielle Anlagen im In- und Ausland. Sie war ursprünglich eine 100 %ige Tochtergesellschaft der C C & Co. AG (CCC AG). Die Gemeinschuldnerin, die CCC AG sowie sechs weitere Unternehmen, die im Verhältnis zur CCC AG als Tochter- bzw. Enkelunternehmen standen, waren gemeinsam in Hamburg ansässig. Es handelte sich dabei um die C C & Co. Anlagenbau GmbH (CCC Anlagenbau GmbH), die C G E GmbH (CGE GmbH), die C C & Co. Bau GmbH (CCC Bau GmbH), die C C & Co. Trading GmbH (CCC Trading GmbH), die C Umwelttechnik GmbH sowie die C M GmbH. Diese Unternehmen waren durch Ausgliederung von Unternehmensbereichen aus der CCC AG als Muttergesellschaft entstanden. Die CCC AG hatte ihre 100 %ige Beteiligung an der Gemeinschuldnerin auf ihre Tochtergesellschaft CCC Anlagenbau GmbH übertragen.
Die CCC AG leitete als Management-Holding den Konzern. Die Mitglieder ihres Vorstandes und ihrer Geschäftsleitung waren mehrheitlich Geschäftsführer der Tochtergesellschaften. Zwischen der CCC AG und den Tochtergesellschaften wie auch zwischen diesen und den Enkelgesellschaften bestanden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. Für alle liquiden Mittel war ein sog. cash pool gebildet worden, der nach einer von der CCC AG vorgegebenen Finanzstrategie eingesetzt wurde.
Die CCC AG und ihre sieben weiteren Hamburger Tochter- bzw. Enkelgesellschaften waren gemeinsam in Räumen am S in Hamburg untergebracht. Dabei war die Haustechnik der CCC AG für alle Gesellschaften zuständig. Die Mitarbeiter der am S befindlichen Unternehmen benutzten eine gemeinsame Kantine.
Am 3. Mai 1990 fand letztmalig eine Betriebsratswahl statt, bei der für alle acht Unternehmen ein gemeinsamer Betriebsrat mit neun Mitgliedern gewählt wurde, der Beteiligte zu 2). Die Betriebsratsmitglieder waren Arbeitnehmer der CCC AG, der CCC Bau GmbH, der CCC Trading GmbH und der CGE GmbH. Der Betriebsrat konstituierte sich am 11. Mai 1990. Die Wahl wurde nicht angefochten.
Jedenfalls bis Mitte Mai 1991 gab es eine einheitliche Personalabteilung, die bei der CCC AG eingerichtet und für Personalangelegenheiten aller Gesellschaften zuständig war. Die Beteiligten streiten darüber, ob auch danach alle wesentlichen Entscheidungen in Personalangelegenheiten einheitlich getroffen wurden.
Im September 1992 beschäftigte die Gemeinschuldnerin 11 Arbeitnehmer. Die Gesamtzahl der bei der CCC AG und ihren Hamburger Tochter- bzw. Enkelgesellschaften eingesetzten Arbeitnehmer lag jedoch über 300. Die Arbeitnehmer waren unter Beteiligung des Betriebsrats regelmäßig auch für Tätigkeiten anderer Gesellschaften eingesetzt worden.
Am 17. September 1992 stellte der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin Konkursantrag. Das Konkursverfahren wurde am 18. September 1992 eröffnet und der Antragsteller als Konkursverwalter bestellt. Die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin erbrachten an den Folgetagen noch Arbeitsleistungen, bis sie am 21., 22. und 23. September 1992 aufgrund von Aufhebungsverträgen aus dem Unternehmen ausschieden. Spätestens am 23. September 1992 stellte die Gemeinschuldnerin ihre geschäftlichen Aktivitäten ein.
Die CCC AG hatte bereits am 21. August 1992, die CCC Anlagenbau GmbH ebenfalls am 17. September 1992 Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt. Das Konkursverfahren über das Vermögen der CCC Anlagenbau GmbH wurde am 1. Dezember 1992, das über das Vermögen der CCC AG zu einem späteren Zeitpunkt eröffnet; zum Konkursverwalter wurde auch hier jeweils der Antragsteller bestellt. Beide Unternehmen waren bereits zuvor stillgelegt worden. Für die CCC AG wurde am 8. Oktober 1992 und für die CCC Anlagenbau GmbH am 30. Dezember 1992 ein Interessenausgleich abgeschlossen. Ein Interessenausgleich für die Gemeinschuldnerin ist nicht vereinbart worden. Von den anderen am S ansässigen Gesellschaften der CCC-Gruppe blieben allein die C M GmbH und die CCC Umwelttechnik GmbH zahlungsfähig. Die CCC Trading GmbH, die CCC Bau GmbH und die CGE GmbH fielen ebenfalls in Konkurs; zum Konkursverwalter wurde nicht der Antragsteller bestellt.
Am 23. November 1994 beschloß die einheitlich für die drei vom Antragsteller vertretenen Gemeinschuldnerinnen gebildete Einigungsstelle, daß hinsichtlich der CCC AG ein Sozialplan wegen Masselosigkeit nicht aufgestellt werde. Am 5. Dezember 1994 kam es zum Abschluß eines Sozialplans für die CCC Anlagenbau GmbH. Da bezüglich der Gemeinschuldnerin keine Einigung erzielt werden konnte, verabschiedete die Einigungsstelle in dieser Sitzung mit Stimmenmehrheit einen Sozialplan mit einem Gesamtvolumen von 123.250,-- DM. Diesen Spruch greift der Antragsteller mit seiner am 12. Januar 1995 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift an.
Er ist der Ansicht, die Gemeinschuldnerin sei nicht sozialplanpflichtig, da sie die dafür erforderliche Mindestbetriebsgröße von regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmern nicht erreicht habe. Die Gemeinschuldnerin habe keinen gemeinsamen Betrieb mit der CCC AG und ihren am S ansässigen Tochter- sowie Enkelgesellschaften gebildet. Die in diesen Gesellschaften tätigen Arbeitnehmer könnten ihr daher nicht zugerechnet werden. Jedenfalls seit Mitte 1991 habe es keine einheitliche Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten für die fraglichen Unternehmen mehr gegeben. Personalangelegenheiten seien von der jeweiligen Geschäftsführung der Gesellschaften mit Unterstützung der dort beschäftigten Personalsachbearbeiter wahrgenommen worden.
Ein etwa bestehender gemeinsamer Betrieb sei jedenfalls mit der Konkurseröffnung am 18. September 1992 aufgelöst worden. Zu diesem Zeitpunkt hätte die CCC AG ihre etwaigen Arbeitgeberbefugnisse hinsichtlich der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin verloren.
Der Antragsteller hat beantragt
festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 5. Dezember 1994 unwirksam ist.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die CCC AG habe zusammen mit der Gemeinschuldnerin und den weiteren sechs Tochter- und Enkelgesellschaften auch noch nach dem 30. Juni 1991 einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet und deshalb mehr als 20 Arbeitnehmer gehabt. Die wesentlichen personellen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen seien nach wie vor unternehmensübergreifend mit dem Betriebsrat behandelt worden, und zwar durch den Vorstandsvorsitzenden der CCC AG bzw. seine Vertreter sowie den Vorstandsassisenten der CCC AG. Die bei der CCC Anlagenbau GmbH beschäftigte Sachbearbeiterin sei nur weisungsgebunden für die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin tätig gewesen.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrVG sei bereits durch den Antrag auf Konkurseröffnung ausgelöst worden. Schon zu diesem Zeitpunkt sei eine Betriebsänderung geplant gewesen, und zwar in Gestalt der Änderung des Unternehmensgegenstandes von einem wirtschaftlich werbenden in einen wirtschaftlich verwaltenden. Selbst wenn man jedoch die Betriebsänderung erst in dem Stillegungsbeschluß des Konkursverwalters sehen wollte, fehlte es nicht an der in § 111 BetrVG vorausgesetzten Mindestgröße. Die gemeinsame betriebliche Organisation sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgelöst gewesen. Werde der Betrieb einer Gemeinschuldnerin erst nach Konkurseröffnung stillgelegt, so behalte der Betriebsrat zumindest ein Restmandat nach §§ 111 ff. BetrVG.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs weiter.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zurückzuweisen. Der Spruch der Einigungsstelle ist wirksam. Die nach § 111 Satz 1 BetrVG erforderliche Mindestarbeitnehmerzahl war erreicht, da die Gemeinschuldnerin zusammen mit den sieben weiteren in Hamburg ansässigen Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb geführt hatte, in dem mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt waren (1.). Hierauf war auch für die unmittelbar nach Konkurseröffnung erfolgte Stillegung durch den Antragsteller abzustellen (2.). Die Stillegung des der Gemeinschuldnerin zuzuordnenden Betriebsteils erfüllte - bezogen auf den Gemeinschaftsbetrieb - die Voraussetzungen einer mitbestimmungspflichtigen Änderung gem. § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG (3.).
1.a) Nach ständiger Rechtsprechung können mehrere rechtlich selbständige Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb führen. Dies setzt voraus, daß sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend hierzu rechtlich verbunden und einen einheitlichen Leitungsapparat geschaffen haben. Insbesondere müssen die Arbeitgeberfunktionen in den sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes für die beteiligten Unternehmen institutionell einheitlich wahrgenommen werden. Es genügt, daß sich die Existenz der einheitlichen Leitung aus der tatsächlich geübten Praxis ableiten läßt. Ergeben die Umstände des Einzelfalles, daß der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, rechtfertigt dies regelmäßig die Annahme einer konkludenten Führungsvereinbarung (vgl. zuletzt etwa BAG Beschluß vom 14. Dezember 1994 - 7 ABR 26/94 - BAGE 79, 47 = AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG Beschluß vom 24. Januar 1996 - 7 ABR 10/95 - AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb).
Von diesen Voraussetzungen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat unter Berücksichtigung der vorgelegten Protokolle über Betriebsratssitzungen und der Vernehmung der Zeugin R festgestellt, daß auch nach dem Ausscheiden der bis dahin zuständigen Mitarbeiter im Jahre 1991 die grundsätzlichen personellen und sozialen Fragen einheitlich für alle beteiligten Unternehmen geregelt worden sind, und zwar durch den Vorstandsvorsitzenden der CCC AG bzw. dessen Vertreter und den Vorstandsassistenten. Dem Betriebsrat ist der Vorstandsassistent als neuer Ansprechpartner für alle Unternehmen vorgestellt worden. Auch wurden gemeinsame Betriebsversammlungen mit den Mitarbeitern aller Unternehmen durchgeführt.
Diese Feststellungen sind mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden und daher für den Senat bindend. Wenn das Landesarbeitsgericht hieraus und aus den sonstigen unstreitigen Umständen auf das Vorliegen einer einheitlichen Leitung bei Wahrnehmung des Kerns der Arbeitgeberfunktion in personellen und sozialen Fragen geschlossen hat, ist das rechtlich nicht zu beanstanden. Die gemeinsame Unterbringung aller Arbeitnehmer ist ein zusätzliches Indiz für das Vorliegen einer einheitlichen Struktur. Es fehlt insbesondere an greifbaren Anhaltspunkten dafür, daß sich die auch vom Antragsteller bis 1991 nicht in Abrede gestellte einheitliche Leitung nach dem Ausscheiden der bis dahin auf Arbeitgeberseite zuständigen Personen grundsätzlich geändert hätte. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts belegen vielmehr, daß es bei einer einheitlichen Wahrnehmung der entscheidenden Funktionen blieb.
Die Rechtsbeschwerde rügt insoweit im wesentlichen auch nur noch, das Landesarbeitsgericht habe nicht festgestellt, daß die beteiligten Unternehmen einen einheitlichen Betriebszweck verfolgten. Dies ist aber kein unverzichtbares Merkmal eines gemeinsamen Betriebes. Ausschlaggebend ist vielmehr die Organisationseinheit. Innerhalb dieser Einheit können die beteiligten Unternehmen unterschiedliche Zwecke verfolgen, die nicht einmal in einem unmittelbaren funktionellen Zusammenhang stehen müssen (BAG Urteil vom 5. März 1987 - 2 AZR 623/85 - BAGE 55, 117, 127 f. = AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969, zu B II 2 a der Gründe; BAG Beschluß vom 14. Dezember 1994 - 7 ABR 26/94 - BAGE 79, 47, 54 = AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz, zu B I 2 a der Gründe).
b) Das Landesarbeitsgericht hat für die Frage der Mitbestimmungspflicht nach § 111 BetrVG zutreffend auf die Gesamtzahl der in dem gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abgestellt.
Das Bestehen eines gemeinsamen Betriebes ist auch für die Beurteilung der Mitbestimmungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu beachten. Wenn als Merkmal des gemeinsamen Betriebes auf die Einheitlichkeit der Entscheidung in personellen und sozialen Fragen abgestellt wird, ist dies nicht so zu verstehen, daß die entsprechende Organisationsstruktur nur für die Mitbestimmungstatbestände der §§ 87 ff. bzw. 92 ff. BetrVG Bedeutung hätte, während für die wirtschaftlichen Angelegenheiten auf die einzelnen Bestandteile des Gemeinschaftsbetriebes zurückzugreifen wäre. Das Betriebsgeschehen ist betriebsverfassungsrechtlich einheitlich zu beurteilen. Auch die Mitbestimmungsrechte der §§ 111 ff. BetrVG knüpfen grundsätzlich an die Organisation des Betriebes und nicht an die des Unternehmens an. Dementsprechend ist der Senat schon in seiner Entscheidung vom 9. April 1991 (1 AZR 488/90 - BAGE 68, 1 = AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972) davon ausgegangen, daß Betrieb im Sinne des § 111 BetrVG auch ein gemeinsamer Betrieb sein kann (s. auch BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 - 7 ABR 28/90 -, n.v.; vgl. weiter Däubler in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 5. Aufl., §§ 112, 112 a Rz 85; Löwisch, BetrVG, 4. Aufl., § 112 Rz 51; Herrmann, Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen, 1993, S. 182 ff., 185 - m.w.N.).
Für die Beurteilung, ob ein Betrieb in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt und damit die Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG gelten, ist dementsprechend auf die Gesamtzahl aller im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen (Däubler, Festschrift für Zeuner, S. 19, 26; Herrmann, aaO, S. 184). Diese lag im Streitfall weit über 20 Arbeitnehmern.
2. Die Gesamtzahl bleibt auch maßgeblich für die vom Antragsteller nach Konkurseröffnung durchgeführte Maßnahme.
Für die Beurteilung der Mitbestimmungspflichtigkeit ist allerdings auf die Stillegungsentscheidung des Antragstellers und nicht schon auf den Konkursantrag abzustellen. Dieser ist noch nicht als geplante Betriebsänderung zu werten (Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 111 Rz 48; MünchArbR/Matthes, § 355 Rz 2; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 111 Rz 33; a.A. GK-BetrVG/Fabricius, 5. Aufl., § 111 Rz 335). § 111 BetrVG stellt auf die organisatorische Änderung der bisherigen Betriebsstruktur ab (vgl. etwa Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 111 Rz 28). Durch den Antrag auf Konkurseröffnung oder auch durch die Eröffnung des Konkursverfahrens selbst ändert sich an der Organisation noch nichts. Erst die Entscheidungen des Konkursverwalters - meistens Stillegung, u.U. aber auch ganz oder teilweise Fortführung des Betriebes - lösen organisatorische Änderungen im Sinne des Gesetzes aus.
Im vorliegenden Fall bleibt für die Beurteilung der Sozialplanpflichtigkeit die Gesamtzahl der im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer entscheidend, da die gemeinschaftliche Organisation faktisch erst durch die Stillegungsentscheidung des Konkursverwalters abgeändert wurde. Dabei kann dahingestellt bleiben, welche Rechtsnatur der Führungsvereinbarung beim gemeinsamen Betrieb zukommt. Selbst wenn sie eine BGB-Gesellschaft begründen sollte, die bei Fehlen eines eigenen Gesellschaftsvermögens durch den Konkurs eines Gesellschafters aufgelöst würde, so daß auch die Auflösung des bis dahin geführten gemeinsamen Betriebes eintreten müßte (so der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 5. März 1987 - 2 AZR 623/85 - BAGE 55, 117 = AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969; vgl. aber Konzen, Unternehmensaufspaltungen und Organisationsänderungen im Betriebsverfassungsrecht, S. 116; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 258, 259; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 283 ff., 292), käme es jedenfalls für die Frage der Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG nicht allein auf den Wegfall der Rechtsgrundlage an. Maßgebend wäre auch dann die faktische Umsetzung der neuen Rechtslage. Entscheidend für die Annahme einer Betriebsänderung ist grundsätzlich eine Änderung der betrieblichen Organisation. So ist auch die Spaltung eines Unternehmens noch keine Betriebsänderung; erst die tatsächliche Aufspaltung des bis dahin einheitlichen Betriebes erfüllt den Tatbestand des § 111 Satz 2 Nr. 3 BetrVG (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 10. Dezember 1996 - 1 ABR 32/96 - AP Nr. 110 zu § 112 BetrVG 1972). Auch wenn eine bloße Führungsvereinbarung nicht ohne weiteres mit einer Umwandlung gleichzusetzen ist, da sie keinen gemeinsamen Rechtsträger begründet, ist dieser Grundsatz hier in gleicher Weise zu beachten. Durch den rechtlichen Wegfall der (unterstellten) BGB-Gesellschaft allein ändert sich an der zuvor gehandhabten Organisationsstruktur noch nichts. Dies geschieht erst, wenn das einzelne Unternehmen - im Streitfall durch den Konkursverwalter - praktische Konsequenzen zieht und eine ändernde Organisationsentscheidung trifft.
Im Zeitpunkt der Stillegung des der Gemeinschuldnerin zuzuordnenden Betriebsteils bestanden noch die Organisationsstrukturen, die vor der Konkurseröffnung entwickelt worden waren. Das folgt schon aus den relevanten Daten: Konkursantrag am 17. September, Konkurseröffnung am 18. September, Stillegung spätestens am 23. September. Die organisatorische Änderung im Sinne der faktischen Beendigung des Gemeinschaftsbetriebes fiel also mit der Stillegung des der Gemeinschuldnerin zuzuordnenden Betriebsteils zusammen. Aufgrund des zeitlichen Ablaufs ist davon auszugehen, daß beide als einheitliche Maßnahme anzusehen sind. Für die Bestimmung der Betriebsgröße im Zeitpunkt der Stillegung des der Gemeinschuldnerin zuzuordnenden Betriebsteils war deshalb auf die Gesamtzahl der im Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen.
3. Das Landesarbeitsgericht hat schließlich zutreffend auch angenommen, daß ein wesentlicher Betriebsteil im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG stillgelegt wurde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob schon allein der Betriebsteil, der der Gemeinschuldnerin zuzuordnen war, nach der Zahl der beschäftigten Mitarbeiter oder nach seiner sonstigen Funktion als "wesentlich" zu betrachten ist. Die Stillegung der Gemeinschuldnerin sowie die Stillegung der gleichfalls vom Antragsteller vertretenen CCC AG und CCC Anlagenbau GmbH sind nämlich als einheitliche Maßnahme zu würdigen.
Führen mehrere Arbeitgeber einen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsrechts als eine Einheit, müssen sie sich auch bei Änderungen ihres gemeinschaftlichen Betriebes koordinieren und sich Entscheidungen der anderen Unternehmen jedenfalls dann zurechnen lassen, wenn diese unmittelbar in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehen. Andernfalls wäre selbst eine sofortige Stillegung des ganzen Gemeinschaftsbetriebes bei sehr kleinen Anteilen aller beteiligten Unternehmen keine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung , weil jeder der zuzuordnenden Teile im Verhältnis zur Gesamteinheit nicht "wesentlich" wäre.
Deshalb ist es gerechtfertigt, für die Prüfung einer nach § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG erheblichen Änderung auch die Stillegung der CCC AG und die Stillegung der CCC Anlagenbau GmbH einzubeziehen. Hierauf hat bereits das Arbeitsgericht abgestellt und - vom Antragsteller unwidersprochen - festgestellt, daß alle drei Stillegungen in unmittelbarem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang standen; bezogen auf den Gesamtbetrieb liege darin in jedem Fall die Stillegung eines wesentlichen Teils. Diese Ausführungen hat sich das Landesarbeitsgericht ausdrücklich zu eigen gemacht.
Der zeitliche Zusammenhang wird aus den Interessenausgleichen deutlich, die hinsichtlich der CCC AG und der CCC Anlagenbau GmbH abgeschlossen wurden. Der sachliche Zusammenhang ergibt sich aus der durch die Konkurse indizierten wirtschaftlichen Notlage und aus der personellen Verbindung durch den Antragsteller, der die CCC AG bereits seit August 1992 als Sequester vertrat, die verfahrensbeteiligte Gemeinschuldnerin seit Konkurseröffnung am 18. September 1992 und die CCC Anlagenbau GmbH mindestens seit Konkurseröffnung am 1. Dezember 1992. Bestätigt wird der Zusammenhang durch das für alle drei Gemeinschuldnerinnen gemeinsam geführte Einigungsstellenverfahren.
Die Stillegung der drei Unternehmen erfüllt bei einer Gesamtbetrachtung das Kriterium der Stillegung eines wesentlichen Betriebsteils, wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben. Der Antragsteller hat die vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht angegriffen. Unabhängig davon kann für die CCC Anlagenbau GmbH angenommen werden, daß sie mindestens 21 Arbeitnehmer beschäftigte. Dies folgt daraus, daß der Antragsteller die Sozialplanverpflichtung gegenüber der Gemeinschuldnerin wegen ihrer zu niedrigen Arbeitnehmerzahl verneint, mit der CCC Anlagenbau GmbH aber einen Sozialplan abgeschlossen hat. Danach ist einschließllich der 11 von der Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer und der bei der CCC AG beschäftigten Arbeitnehmer von einer Gesamtzahl auszugehen, die deutlich über 30 Arbeitnehmern lag. Diese Zahl wäre - ausgehend von einer bei neun Betriebsratsmitgliedern maximalen Betriebsgröße von 600 Arbeitnehmern - für die Beurteilung der Wesentlichkeit ausreichend (s. dazu Senatsurteil vom 7. August 1990 - 1 AZR 445/89 - AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972). Daß es sich darüber hinaus nicht nur um die Entlassung von Arbeitnehmern, sondern um die Stillegung auch sächlicher Betriebsmittel und um Betriebsteile im Sinne von funktional abgrenzbaren Bereichen handelte, ist nicht im Streit.
4. Nicht zu entscheiden brauchte der Senat die Angemessenheit der Sozialplanleistungen, weil der Sozialplan insoweit nicht fristgerecht angegriffen worden ist (§ 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG). Damit bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob hinsichtlich der wirtschaftlichen Umstände auf die Leistungsfähigkeit aller Unternehmen abzustellen ist (so etwa Däubler in Däubler/Kittner/Klebe, aaO, §§ 112, 112 a Rz 85) oder nur auf die Verhältnisse des jeweiligen Arbeitgeber-Unternehmens (so etwa Herrmann, aaO, S. 185, 186). Bei dieser Sachlage war eine Beteiligung der anderen sieben Unternehmen am Verfahren nicht erforderlich. Streitgegenstand ist nur die Wirksamkeit des Sozialplans, der zwischen den hier Verfahrensbeteiligten zustande gekommenen war. Der Antragsteller hat sich insoweit nicht gegen seine Inanspruchnahme gewehrt. Er hat vielmehr hinsichtlich der anderen von ihm repräsentierten Unternehmen verhandelt bzw. sogar einen Sozialplan abgeschlossen, weil er insoweit die Voraussetzungen der §§ 111, 112 BetrVG anerkannte.
Unterschriften
Dieterich Wißmann Rost Rösch Lappe
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.11.1997 durch Klapp, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1998, 1012 |
BB 1998, 1315 |
FA 1998, 215 |
KTS 1998, 492 |
NZA 1998, 723 |
RdA 1998, 251 |
ZIP 1998, 1320 |