Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan neu gegründeter Unternehmen. Zum Begriff der Neugründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen: Senatsbeschluß vom 22. Februar 1995 – 10 ABR 21/94 –
Leitsatz (amtlich)
Übertragen zwei Unternehmen einzelne Betriebe einem neu gegründeten Unternehmen, das die Betriebe mit einer auf dem Zusammenschluß beruhenden unternehmerischen Zielsetzung fortführen soll, so handelt es sich um eine Neugründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen im Sinne von § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Wird dieser Betrieb innerhalb von vier Jahren nach der Gründung des Unternehmens stillgelegt, so ist er nicht von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG befreit.
Normenkette
BetrVG 1972 § 112a Abs. 2, § 112 Abs. 5
Verfahrensgang
LAG Hamm (Beschluss vom 30.11.1993; Aktenzeichen 13 TaBV 119/93) |
ArbG Bochum (Beschluss vom 20.04.1993; Aktenzeichen 2 BV 10/93) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. November 1993 – 13 TaBV 119/93 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines von der Einigungsstelle beschlossenen Sozialplans.
Antragstellerin ist die P… H… GmbH & Co. KG als Arbeitgeberin. Antragsgegner ist der Betriebsrat des B… Betriebes der Arbeitgeberin.
Die Arbeitgeberin wurde zum 1. Januar 1990 als Gemeinschaftsunternehmen der P… V… GmbH & Co. KG und der Beteiligungsgesellschaft A… mbH gegründet, um deren Aktivitäten auf dem Gebiet der Imprägniertechnik von Holzschwellen, Holzmasten und Lärmschutzwänden zu konzentrieren.
Die P… V… GmbH & Co. KG ist eine Tochtergesellschaft der P… B… – und V… AG, die zum P… konzern gehört. Sie erbrachte eine Kommanditeinlage mit einem Anteil von 74,9 v.H. durch Einbringung ihrer Betriebe in N… und L…. Die Beteiligungsgesellschaft A… mbH, eine Tochtergesellschaft der E… Bergwerksverein AG, die zum Ruhrkohlekonzern gehört, erbrachte ihre Kommanditeinlage in Höhe von 25,1 v.H. durch Einbringung ihres Betriebes in B… und einer Einlage in Höhe von … 2.825.000.-- DM. Persönlich haftende Gesellschafterin der Arbeitgeberin ist die P… H… GmbH, an der die Kommanditisten mit entsprechenden Anteilen beteiligt sind.
Der von der Beteiligungsgesellschaft A… mbH eingebrachte Betrieb in B… bestand seit dem Jahre 1920 als Imprägnier- und Holzwerk und beschäftigte bei der Gründung der Arbeitgeberin zehn Arbeitnehmer. In der Folgezeit wurde die Zahl der Arbeitnehmer auf 57 erhöht. Der Betrieb befand sich auf einem von der E… Bergwerksverein AG gepachteten Grundstück.
Nachdem aufgrund von Bodenuntersuchungen erhebliche Kontaminationen des Betriebsgeländes festgestellt worden waren, wurde das Pachtverhältnis zum 31. Dezember 1992 gekündigt. Die Arbeitgeberin beschloß, den Betrieb zu diesem Termin stillzulegen und kündigte allen Arbeitnehmern.
Am 14. Januar 1993 wurde von der Einigungsstelle folgender Sozialplan beschlossen:
Ҥ 1
Geltungsbereich
Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, deren Arbeitsplatz aufgrund der zum 31.12.1992 vorgenommenen Betriebsschließung weggefallen ist, insbesondere für die in der Anlage aufgeführten Mitarbeiter.
§ 2
Abfindungen
Mitarbeiter im Sinne des § 1, deren Arbeitsverhältnis wegen der Betriebsschließung beendet wurde, erhalten eine Abfindung nach folgender Berechnung:
§ 3
Fälligkeit der Abfindung
- Die Abfindung wird am Tage des Ausscheidens fällig.
- Ansprüche gemäß § 113 Abs. 2 BetrVG, die der Beschäftigte erlangt, werden auf die Leistungen dieses Sozialplans angerechnet.”
Der Sozialplan hat ein Gesamtvolumen von ca. 1,6 Millionen DM. In der Begründung des Beschlusses wird darauf verwiesen, daß die Arbeitgeberin seit dem Jahre 1990 nicht unerhebliche Gewinne erwirtschaftet habe und die Betriebe in L… und N… weiterarbeiteten. Ein Großteil der entlassenen Arbeitnehmer habe keine Berufsausbildung. Deshalb beständen für diese Arbeitnehmer schlechte Aussichten auf eine neue Arbeitsstelle.
Die Arbeitgeberin hält den Sozialplan für unwirksam. Ihr Unternehmen habe zum Zeitpunkt der Stillegung des B… Betriebes noch keine vier Jahre bestanden, so daß eine Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht erzwungen werden könne.
Es habe sich auch nicht um eine Neugründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstukturierung von Unternehmen und Konzernen im Sinne des § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG gehandelt. Weder sei das zum P… konzern gehörende Unternehmen der P… V… GmbH & Co. KG noch das zum Ruhrkohlekonzern gehörende Unternehmen der Beteiligungsgesellschaft A… mbH rechtlich umstrukturiert worden. Diese Unternehmen bestünden in ihrer rechtlichen Struktur weiterhin fort.
Die Arbeitgeberin meint ferner, daß die Einigungsstelle bei der Bemessung der Abfindungen die Grenze ihres Ermessens überschritten habe. Die Berechnung der Abfindungen führe bei einem Divisor von 60 zu unvertretbar hohen Abfindungssummen. So erhielten einzelne Mitarbeiter, deren Bruttomonatsgehalt 5.000,-- DM betragen habe, Abfindungen von über 100.000,-- DM.
Die Arbeitgeberin hat beantragt
festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 14. Januar 1993 unwirksam ist.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hält den Sozialplan für rechtswirksam. Die Neugründung der Arbeitgeberin sei im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung der beteiligten Unternehmen erfolgt. Diese hätten bestehende Betriebe ausgegliedert und der Arbeitgeberin übertragen. Eine solche Neugründung sei nicht durch ein neues wirtschaftliches Risiko gekennzeichnet, das eine Ausnahme von der Sozialplanpflicht rechtfertige. Auf eine Änderung der rechtlichen Struktur der beteiligten Unternehmen komme es nicht an.
Die Einigungsstelle habe bei der Bemessung der Abfindungen auch ihr Ermessen nicht überschritten. Durchschnittlich ergebe sich pro Beschäftigungsjahr ein Betrag, der unter einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst liege.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Antrag weiter. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Der Sozialplan ist wirksam. Die Arbeitgeberin ist nicht nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG von der Sozialplanpflicht befreit. Ihre Gründung erfolgte im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung der beteiligten Unternehmen im Sinne von § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG.
I. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Stillegung des B… Betriebes zum 31. Dezember 1992 innerhalb von vier Jahren nach Gründung der Arbeitgeberin am 1. Januar 1990 erfolgt ist. Dabei ist unerheblich, daß der B… Betrieb länger als vier Jahre bestanden hat. Für die Befreiung eines neu gegründeten Unternehmens von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG kommt es allein auf das Alter des neu gegründeten Unternehmens an, nicht aber auf das Alter eines von ihm übernommenen Betriebes. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 13. Juni 1989 – 1 ABR 14/88 – AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972) und der herrschenden Meinung in der Literatur (Willemsen, Anm. zu BAG AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972; von Hoyningen-Huene, NJW 1985, 1801; Heinze, NZA 1987, 41, 49; Loritz, NZA 1993, 1109, 1110; Knorr, Neues Arbeitsrecht Teil D, Rz 244; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., §§ 111 bis 113, Rz 71). Dem hat sich der Senat im Beschluß vom 22. Februar 1995 (– 10 ABR 21/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) angeschlossen.
II. Die Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG gilt jedoch nach § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht für die Arbeitgeberin, da ihre Gründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung der beteiligten Unternehmen erfolgte.
1. Mit der Regelung in § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG wollte der Gesetzgeber Unternehmen und Konzerne, die rechtlich umstrukturiert werden und bei denen Unternehmen nur formal gegründet werden, von der Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausnehmen (vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 10/2102, S. 28). Nach den Gesetzesmaterialien gehören zu den Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen die Verschmelzung bestehender Unternehmen auf ein neu gegründetes Unternehmen, die Umwandlung eines bestehenden Unternehmens auf neu gegründete Unternehmen, die Auflösung eines bestehenden Unternehmens und die Übertragung seines Vermögens auf ein neu gegründetes Unternehmen, die Aufspaltung eines bestehenden Unternehmens auf mehrere neu gegründete Unternehmen und die Abspaltung von bestehenden Unternehmensteilen auf neu gegründete Tochtergesellschaften. Diese Aufzählung ist nur beispielhaft und nicht abschließend (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., §§ 112, 112a Rz 18a). Der Ausschluß vom Sozialplanprivileg ist in diesen Fällen sachgerecht, da andernfalls die “Flucht aus dem Sozialplan”, bezogen auf die bereits vor der Umstrukturierung im Unternehmen oder Konzern beschäftigten Arbeitnehmer durch Rechtsgeschäft möglich wäre, ohne daß es zu einem im Sinne von § 112a Abs. 2 BetrVG relevanten unternehmerischen Neuengagement käme (Willemsen, Anm. zu BAG AP Nr. 3 zu § 112a BetrVG 1972).
Voraussetzung für eine rechtliche Umstrukturierung von Unternehmen in diesem Sinne ist nicht, daß schon bestehende Unternehmen dabei in ihrer rechtlichen Struktur geändert werden. Gerade die auch genannte Abspaltung von bestehenden Unternehmensteilen auf neu gegründete Tochtergesellschaften macht deutlich, daß der Gesetzgeber auch Fälle erfassen wollte, in denen bestehende Unternehmen in ihrer rechtlichen Struktur und ihrem Bestand unverändert bleiben. Die Abspaltung von bestehenden Unternehmensteilen bezieht sich daher nicht auf bestehende rechtliche Einheiten, sondern auf abgrenzbare unternehmerische Aktivitäten, deren Wahrnehmung von einer rechtlichen Einheit auf eine andere verlagert wird. Es geht nicht um die Änderung bestehender rechtlicher Strukturen, d.h. von bestehenden Unternehmen als juristischen Personen, sondern darum, daß bestehende unternehmerische Aktivitäten innerhalb von rechtlichen Strukturen wahrgenommen werden, die sich von den bisher bestehenden unterscheiden (Senatsbeschluß vom 22. Februar 1995 – 10 ABR 21/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; Loritz, NZA 1993, 1111; Willemsen, DB 1990, 1408).
2. Um eine solche Änderung der rechtlichen Strukturen der an der Gründung der Arbeitgeberin beteiligten Unternehmen der P… V… GmbH & Co. KG und der Beteiligungsgesellschaft A… mbH handelt es sich im vorliegenden Falle.
Die Arbeitgeberin wurde von der P… V… GmbH & Co. KG und der Beteiligungsgesellschaft A… mbH als Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Dabei brachte die P… V… GmbH & Co. KG in das neue Unternehmen ihre Betriebe in L… und N… und die Beteiligungsgesellschaft A… mbH ihren Betrieb in B… ein. Beide Unternehmen wurden damit in der Weise rechtlich umstrukturiert, daß die unternehmerischen Aktivitäten, die bisher mit den Betrieben in L… und N… einerseits und mit dem Betrieb in B… andererseits getrennt verfolgt wurden, nunmehr zusammengefaßt in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG verfolgt werden sollten. Dazu wurden die Betriebe in L… und N… von der P… V… GmbH & Co. KG und der Betrieb in B… von der Beteiligungsgesellschaft A… mbH der Arbeitgeberin übertragen. Damit wurden schon bisher bestehende Unternehmensteile abgespalten und innerhalb einer neuen rechtlichen Struktur weiterbetrieben.
Auch wenn dies zur Verwirklichung einer erweiterten unternehmerischen Zielsetzung erfolgte, bleibt der nach § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG erforderliche Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung der beteiligten Unternehmen bestehen. Die erweiterte unternehmerische Zielsetzung sollte nämlich in erster Linie durch die rechtliche Abspaltung bisheriger Unternehmensteile und deren Zusammenführung unter einer neuen Rechtsform verfolgt werden. Die rechtliche Ausgliederung der bestehenden Betriebe aus den bisherigen Unternehmen und ihre Übertragung auf die Arbeitgeberin bildet damit das Ziel der Neugründung. Wird ein bisher verfolgtes unternehmerisches Engagement nur in einer neuen Rechtsform, wenn auch mit erweiterter Zielsetzung, aufrechterhalten, besteht auch kein nicht abschätzbares wirtschaftliches Risiko, das die Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG rechtfertigt.
III. Der Beschluß der Einigungsstelle vom 14. Januar 1993 überschreitet nicht die der Einigungsstelle gesetzten Ermessensgrenzen.
1. Durch § 112 Abs. 5 BetrVG sind der Einigungsstelle Leitlinien für die Ermessensentscheidung vorgegeben worden, deren Nichtbeachtung den von der Einigungsstelle beschlossenen Sozialplan ermessensfehlerhaft macht. Die Einigungsstelle hat demnach bei einem Beschluß über einen Sozialplan nicht nur die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen und auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten, sondern insbesondere den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls Rechnung zu tragen (§ 112 Abs. 5 Nr. 1 BetrVG), die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen und diejenigen Arbeitnehmer, die eine zumutbare Weiterbeschäftigung ablehnen, von Leistungen aus dem Sozialplan auszuschließen (§ 112 Abs. 5 Nr. 2 BetrVG) sowie bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, daß der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden (§ 112 Abs. 5 Nr. 3 BetrVG). Ein Verstoß gegen diese Richtlinien stellt einen Ermessensfehler dar (BAG Beschluß vom 26. Mai 1988 – 1 ABR 11/87 – AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG 1972; Beschluß vom 14. September 1994 – 10 ABR 7/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Einen derartigen Ermessensfehler enthält der Beschluß der Einigungsstelle vom 14. Januar 1993 nicht.
Mit Recht führt das Landesarbeitsgericht aus, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesamtbetrag der Sozialplanleistungen den Fortbestand des Unternehmens oder die verbleibenden Arbeitsplätze gefährde. Die Arbeitgeberin hat seit ihrer Gründung im Jahre 1990 Gewinne erzielt und betreibt weiterhin die Betriebe in L… und N…. Die Betriebsschließung in B… erfolgte deshalb auch nicht wegen einer schlechten Wirtschaftslage, sondern allein wegen der Kontaminierung des Betriebsgeländes. Deshalb wendet sich die Arbeitgeberin auch nicht gegen die Bemessung des Gesamtvolumens des Sozialplans, sondern dagegen, daß der Berechnungsmodus für die Abfindung in Einzelfällen zu unverhältnismäßig hohen Abfindungen führe.
Damit kann sie jedoch keinen Erfolg haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 27. Oktober 1987 – 1 ABR 9/86 – AP Nr. 41 zu § 112 BetrVG 1972) und der herrschenden Meinung in der Literatur (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 244 V 1c; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., §§ 112, 112a Rz 37; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Aufl., §§ 112, 112a Rz 93; GK-Fabricius, BetrVG, 4. Aufl., §§ 112, 112a Rz 106) sind Sozialplanabfindungen nicht an die Grenzen des § 10 KSchG gebunden. Deshalb könnte der Berechnungsmodus nicht allein deshalb als ermessensfehlerhaft angesehen werden, wenn in Einzelfällen Abfindungen das 18fache eines Monatsverdienstes übersteigen sollten.
In den von der Arbeitgeberin herangezogenen Einzelfällen beruht die hohe Abfindungssumme auf sehr langen Beschäftigungszeiten der betroffenen Arbeitnehmer. Die Berücksichtigung von Betriebszugehörigkeitszeiten bei der Bemessung der Abfindungen hat die Einigungsstelle allerdings sachgerecht dadurch begrenzt, daß sie bei Betriebszugehörigkeiten über dem 25. Betriebszugehörigkeitsjahr den Divisor verdoppelt hat. Dies wirkt einer unverhältnismäßigen Erhöhung der Abfindungen allein im Hinblick auf lange Betriebszugehörigkeitszeiten entgegen. Im übrigen hat die Einigungsstelle die Höhe der Abfindung begrenzt, indem die Abfindung nur 110 % der Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und dem Jahresnettoeinkommen des Arbeitnehmers bis zum Erreichen des Rentenalters (63. bzw. 65. Lebensjahr) betragen darf. Deshalb erscheint schon zweifelhaft, ob bei den von der Arbeitgeberin für die einzelnen Arbeitnehmer genannten Abfindungssummen diese Höchstbegrenzungsklausel überhaupt berücksichtigt worden ist. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist der Berechnungsmodus im Hinblick auf die von der Einigungsstelle selbst gesetzten Schranken nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen.
3. Die Einigungsstelle hat auch die gesetzlichen Ermessensrichtlinien in § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 und 2 BetrVG beachtet. Sie ist bei der Festlegung des Berechnungsmodus davon ausgegangen, daß es sich bei der überwiegenden Anzahl der Arbeitnehmer um Arbeitnehmer handelt, die keine Berufsausbildung und deshalb schlechte Aussichten am Arbeitsmarkt haben. Darüber hinaus wurde den Gegebenheiten des Einzelfalls auch durch die Berücksichtigung von Unterhaltspflichten und die Berücksichtigung der Schwerbehinderteneigenschaft Rechnung getragen. Die Abfindungssummen wurden zudem nicht pauschal nach der Betriebszugehörigkeit und dem Monatsverdienst bemessen (vgl. BAG Beschluß vom 14. September 1994 – 10 ABR 7/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen), sondern tragen den Gegebenheiten des Einzelfalls durch Berücksichtigung des Lebensalters, der Verdoppelung des Divisors ab dem 26. Betriebszugehörigkeitsjahr und der Höchstbegrenzungsklausel Rechnung.
Insgesamt läßt damit der Sozialplan einen Ermessensfehler im Sinne des § 112 Abs. 5 BetrVG nicht erkennen.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Hermann, Schlaefke
Fundstellen
Haufe-Index 856741 |
BB 1995, 1591 |
JR 1996, 132 |
NZA 1995, 697 |
ZIP 1995, 1111 |