Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachteilsausgleich ohne Sozialplanpflicht
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber ist auch dann verpflichtet, einen Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung bis hin vor die Einigungsstelle zu versuchen, wenn der Betriebsrat anläßlich der geplanten Betriebsänderung nach § 112a BetrVG einen Sozialplan nicht erzwingen kann.
Normenkette
BetrVG § 112 Abs. 3, 1-2, § 113 Abs. 3, § 112a Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der 32jährige Kläger ist seit dem 1. Mai 1981 in dem Betrieb der jetzigen Beklagten als Fleischermeister zu einem Monatslohn von zuletzt 4.470,-- DM brutto beschäftigt. Seinen Arbeitsvertrag hat er abgeschlossen mit der Firma G GmbH & Co., die in Berlin,, eine Fleischwarenfabrik betrieb. Dieser Betrieb wurde später von der Firma R Fleischwarenfabrik GmbH & Co. übernommen, indem sie von der Firma G GmbH & Co. die Grundstücke und das unbewegliche Inventar pachtete. Die Firma R Fleischwarenfabrik GmbH & Co. hat ihren Betrieb zum 31. März 1986 eingestellt.
In der Zwischenzeit war am 18. März 1986 von der Firma S GmbH mit Sitz in München und einem Herrn F.K. die Firma B Produktionsgesellschaft R mbH, die jetzige Beklagte, gegründet worden. Diese schloß mit der Firma G GmbH & Co. einen Pachtvertrag über die Grundstücke und das unbewegliche Inventar und kaufte von der Firma R Fleischwarenfabrik GmbH & Co. das bewegliche Inventar und übernahm deren Personal unter Aufrechterhaltung des Besitzstandes, darunter auch den Kläger.
Zum 31. Oktober 1986 stellte die Beklagte das Geschäft mit Frischfleisch und gefrorenem Fleisch ein und löste aus diesem Grunde die Zerlegerei auf. Sie kündigte deshalb mit Zustimmung des Landesarbeitsamtes von den insgesamt bei ihr beschäftigten rd. 100 Arbeitnehmern 31 Arbeitnehmern, darunter dem Kläger, zum 31. März 1987. In dem Kündigungsschreiben heißt es u.a.:
"Über die Hintergründe der leider notwendig werden-
den Kündigungen sind Sie auf zwei Betriebsversamm-
lungen umfassend informiert worden. Außerdem wurde
der Betriebsrat separat entsprechend informiert und
gehört. Der Betriebsrat hat in Ihrem Falle der Kün-
digung nicht widersprochen.
Am 07.11.1986 hat das zuständige Landesarbeitsamt
während einer mündlichen Verhandlung im Beisein des
Betriebsrates die Sperrfrist von 4 Wochen aufgeho-
ben."
Der Kläger hat gegen die Kündigung zunächst Kündigungsschutzklage erhoben, dann aber mit Schreiben vom 11. Februar 1987 sein Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 1987 gekündigt. Auf dem Kündigungsschreiben findet sich der folgende Vermerk der Beklagten:
"Mit der vorzeitigen Kündigung auf Ihren Wunsch hin,
sind wir einverstanden."
In der Folgezeit bemühte sich der Betriebsrat um die Vereinbarung eines Sozialplans für die entlassenen Arbeitnehmer und beantragte beim Arbeitsgericht die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden. Die Beklagte beantragte ihrerseits beim Arbeitsgericht die Feststellung, daß es sich bei den im Zusammenhang mit der Einstellung der Produktion und des Vertriebs von Frischfleisch und gefrorenem Fleisch erfolgten betriebsbedingten Entlassungen von 31 Mitarbeitern im November 1986 um keine sozialplanpflichtige Angelegenheit gemäß § 112 Abs. 4 und 5 BetrVG gehandelt hat. Dem Antrag wurde vom Arbeitsgericht stattgegeben. Die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist vor dem Senat anhängig.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - von der Beklagten die Zahlung einer Abfindung verlangt. Die Beklagte habe ihren Betrieb eingeschränkt, ohne einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben. Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.292,-- DM
nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Dezember 1986 zu zah-
len.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist darauf, daß sie erst im März 1986 als Unternehmen neu gegründet worden sei. Nach § 112 a Abs. 2 BetrVG sei sie daher nicht verpflichtet, bei einer Betriebsänderung einen Sozialplan mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. In einem solchen Falle könnten Arbeitnehmer auch keine Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG verlangen. Im übrigen sei das Arbeitsverhältnis des Klägers durch dessen eigene Kündigung beendet worden.
Das Arbeitsgericht hat die auf die Zahlung einer Abfindung gerichtete Klage des Klägers abgewiesen. Auf dessen Berufung hin hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 6.000,-- DM brutto/netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. März 1987 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter, soweit das Landesarbeitsgericht dieser stattgegeben hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen Abfindungsanspruch des Klägers nach § 113 Abs. 3 BetrVG bejaht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß die Beklagte mit der Einstellung der Produktion und des Vertriebs von Frischfleisch und gefrorenem Fleisch eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG durchgeführt hat, ohne mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich versucht zu haben. Infolge dieser Betriebsänderung sei der Kläger entlassen worden. § 112 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG befreie neu gegründete Unternehmen in den ersten vier Jahren nach der Gründung nur von der Verpflichtung, einen Sozialplan zu vereinbaren, lasse aber die Verpflichtung, vor einer Betriebsänderung einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu versuchen, unberührt. Der Kläger sei auch aufgrund dieser Betriebsänderung entlassen worden. Daß er später sein Arbeitsverhältnis vorzeitig gekündigt hat, um eine neu gefundene Arbeitsstelle antreten zu können, ändere daran nichts.
Dieser Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu folgen.
II. Nach § 113 Abs. 3 in Verb. mit Abs. 1 BetrVG kann der Arbeitnehmer die Zahlung einer Abfindung verlangen, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und wenn infolge dieser Betriebsänderung der Arbeitnehmer entlassen wird. Diese Voraussetzungen für einen Abfindungsanspruch sind im vorliegenden Falle gegeben.
1. Die Beklagte hat mit der Entlassung von 31 ihrer rd. 100 Arbeitnehmer eine Betriebsänderung jedenfalls in der Form einer Einschränkung ihres Betriebes im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG durchgeführt. Daß der bloße Personalabbau eine Betriebseinschränkung darstellt, wenn er in der Größenordnung den in § 17 Abs. 1 KSchG genannten Zahlen- und Prozentwerten entspricht, ist ständige Rechtsprechung des Senats (BAGE 43, 222 = AP Nr. 12 zu § 111 BetrVG 1972) und ist durch § 112 a Abs. 1 BetrVG, wonach eine Betriebsänderung allein in der Entlassung von Arbeitnehmern bestehen kann, bestätigt worden. Die Entlassung von 31 Arbeitnehmern eines Betriebes mit rd. 100 Beschäftigten erfüllt auch die zahlenmäßigen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG, wonach in Betrieben mit rd. 100 Arbeitnehmern die Entlassung von mehr als 25 Arbeitnehmern genügt.
2.a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte vor Durchführung dieser Betriebsänderung einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat weder herbeigeführt noch versucht. Weder ist es zu einem schriftlich niedergelegten Interessenausgleich zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat über die Einstellung der Produktion und des Vertriebs von Frischfleisch und gefrorenem Fleisch und die damit verbundene Entlassung von 31 Arbeitnehmern gekommen (vgl. BAGE 49, 160 = AP Nr. 13 zu § 113 BetrVG 1972), noch hat die Beklagte die Einigungsstelle angerufen, um vor dieser noch einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu versuchen (vgl. BAGE 47, 329 = AP Nr. 11 zu § 113 BetrVG 1972). Dazu ist aber nach der genannten Entscheidung des Senats ein Unternehmer, der Ansprüche auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG vermeiden will, verpflichtet, wenn ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat nicht herbeigeführt und schriftlich niedergelegt werden konnte.
Von dieser Verpflichtung, vor Durchführung der Betriebsänderung einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu versuchen, war die Beklagte nicht deswegen befreit, weil es sich bei ihr um ein neu gegründetes Unternehmen handelte und die geplante Betriebsänderung in den ersten vier Jahren nach der Neugründung erfolgte. § 112 a Abs. 2 BetrVG bestimmt für solche Unternehmen und Betriebsänderungen lediglich, daß § 112 Abs. 4 und 5 BetrVG keine Anwendung findet. Damit wird nur die Erzwingbarkeit eines Sozialplans für eine durchgeführte Betriebsänderung ausgeschlossen, nicht aber der Unternehmer von seinen sonstigen betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen anläßlich der Durchführung einer Betriebsänderung befreit.
b) Fehl geht der Einwand der Beklagten, daß dann, wenn der Betriebsrat keinen Sozialplan erzwingen könne, der Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf eine Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG haben könne. Der Abfindungsanspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG ist kein Ersatz für einen Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan. Das folgt schon daraus, daß der Betriebsrat - abgesehen von den Fällen des § 112 a BetrVG - einen Sozialplan auch dann noch erzwingen kann, wenn der Unternehmer eine Betriebsänderung schon durchgeführt hat, ohne zuvor einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben. § 113 Abs. 3 BetrVG will dadurch, daß er den Arbeitgeber mit Nachteilsausgleichsansprüchen belastet, diesen anhalten, seiner Verpflichtung zu genügen, vor Durchführung einer Betriebsänderung einen Interessenausgleich über das Ob und Wie der Betriebsänderung mit dem Betriebsrat zu versuchen. Der Betriebsrat soll im Rahmen der Verhandlungen über einen Interessenausgleich die Möglichkeit haben, auf die endgültige Entscheidung des Arbeitgebers im Interesse der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer einzuwirken, bevor der Arbeitgeber vollendete Tatsachen schafft (zuletzt Urteil des Senats vom 23. August 1988 - 1 AZR 276/87 -, auch zur Veröffentlichung vorgesehen).
c) Richtig ist, daß in den Fällen, in denen nach § 112 a BetrVG der Betriebsrat einen Sozialplan nicht erzwingen kann, die anzurufende Einigungsstelle nur zu dem Zweck gebildet wird und gebildet werden kann, noch eine Einigung über den Interessenausgleich zu versuchen oder mangels einer Einigung das Scheitern des Versuches zu dokumentieren. Gleichwohl kann die Anrufung der Einigungsstelle allein mit dem Ziel, hier noch eine Einigung über den Interessenausgleich zu versuchen, nicht als überflüssiger Formalismus angesehen werden mit der Folge, daß in den Fällen des § 112 a BetrVG der Unternehmer von der Verpflichtung frei wäre, eine Einigung über den Interessenausgleich bis hin vor die Einigungsstelle zu versuchen.
Gerade wenn die wirtschaftlichen Nachteile einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer nicht durch einen Sozialplan ausgeglichen oder gemildert werden können, wenn der Unternehmer einen solchen Sozialplan nicht freiwillig mit dem Betriebsrat vereinbart, erscheint eine Beratung der Betriebsänderung mit dem Betriebsrat und der Versuch einer Einigung über den Interessenausgleich, d.h. über das Ob und Wie der Betriebsänderung, um so dringender, weil damit die Chance geboten wird, daß die Betriebsänderung so durchgeführt wird, daß wirtschaftliche Nachteile für die Arbeitnehmer nicht oder jedenfalls nicht in der Höhe zu erwarten sind, wie sie Folge der vom Unternehmer zunächst geplanten Betriebsänderung gewesen wären. Der von § 112 Abs. 1 bis 3 BetrVG vom Unternehmer geforderte Versuch eines Interessenausgleichs bis hin zur Einigungsstelle hat daher gerade in den Fällen des § 112 a BetrVG einen Sinn. Dann ist es auch gerechtfertigt, in diesen Fällen die Sanktion des § 113 BetrVG eingreifen zu lassen, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung, einen Interessenausgleich bis hin zur Einigungsstelle zu versuchen, nicht nachkommt.
d) Die Beklagte hat einen solchen Versuch, zu einem Interessenausgleich zu kommen, nicht unternommen. Sie ist daher nach § 113 Abs. 3 BetrVG verpflichtet, den Arbeitnehmern, die infolge der Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verloren haben, eine Abfindung auch dann zu zahlen, wenn es sich bei ihr um ein neu gegründetes Unternehmen im Sinne von § 112 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG handelt und die Betriebsänderung innerhalb der ersten vier Jahre nach der Neugründung erfolgte und daher nicht sozialplanpflichtig war. Die unter den Betriebspartnern streitige Frage, ob § 112 a Abs. 2 BetrVG auch dann Anwendung findet, wenn das neu gegründete Unternehmen lediglich einen schon lange Zeit bestehenden Betrieb übernimmt und fortführt, und ob es sich bei der Neugründung der Beklagten um eine Gründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen im Sinne von § 112 a Abs. 2 Satz 2 BetrVG handelte, braucht daher im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden.
3. Der Kläger ist infolge der von der Beklagten durchgeführten Betriebsänderung auch entlassen worden. Die Beklagte hat dem Kläger ausdrücklich wegen der geplanten Betriebsänderung am 10. November 1986 gekündigt. Daß das Arbeitsverhältnis später aufgrund der Kündigung des Klägers im Einverständnis mit der Beklagten einen Monat vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sein Ende gefunden hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 23. August 1988 (- 1 AZR 276/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) ausgesprochen, daß es für § 113 Abs. 3 BetrVG nicht darauf ankommt, ob die "Entlassung" des Arbeitnehmers infolge der Betriebsänderung durch Kündigung des Arbeitgebers, durch vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen veranlaßte Aufhebungsverträge oder durch vom Arbeitgeber aus eben diesen Gründen veranlaßte Eigenkündigungen der Arbeitnehmer erfolgt. Maßgebend sei, daß in allen diesen Fällen der Arbeitnehmer infolge der Betriebsänderung seinen Arbeitsplatz verliert. Dieser Verlust des Arbeitsplatzes ist derjenige wirtschaftliche Nachteil, der nach § 113 Abs. 3 in Verb. mit Abs. 1 BetrVG durch eine Abfindung ausgeglichen werden soll.
Im vorliegenden Falle hat der Kläger aufgrund der von der Beklagten durchgeführten Betriebsänderung seinen Arbeitsplatz verloren. Der Kläger hat nur deswegen sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt, weil ihm zuvor von der Beklagten gekündigt war und er sich deshalb um einen neuen Arbeitsplatz bemühen mußte und schließlich einen solchen gefunden hat, den er zum 1. März 1987 antreten sollte. Der Umstand, daß der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben hatte und daher noch nicht mit letzter Sicherheit feststand, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit dem 31. März 1987 überhaupt sein Ende finden würde, steht dem nicht entgegen. Der Kläger mußte angesichts der unstreitigen Betriebsänderung und der daraus folgenden Notwendigkeit der Entlassung von Arbeitnehmern damit rechnen, daß seine Kündigungsschutzklage abgewiesen wird. Er war daher gehalten, sich um einen anderen Arbeitsplatz zu bemühen. Wenn er diesen schon vorzeitig antreten konnte und deswegen zum 28. Februar 1987 kündigte oder die Beklagte bat, mit einem vorzeitigen Ausscheiden einverstanden zu sein, ändert das nichts daran, daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten und damit der Verlust des Arbeitsplatzes allein auf der von der Beklagten durchgeführten Betriebsänderung beruht.
III. Das Landesarbeitsgericht hat den Abfindungsanspruch des Klägers auf 6.000,-- DM bemessen. Es hat dabei die Dauer der Betriebszugehörigkeit von 5 1/2 Jahren, das Lebensalter des Klägers von 32 Jahren und seine dadurch begründeten relativ guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie die Tatsache berücksichtigt, daß der Kläger tatsächlich unmittelbar wieder eine neue Beschäftigung gefunden hat. Es hat weiter den Umstand zugrunde gelegt, daß der Kläger infolge der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung seinen Anspruch auf die tarifliche Zusatzvergütung für das Jahr 1986 verloren hat.
Die Revision greift diese Überlegungen an. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf die tarifliche Zusatzvergütung in die Bemessung der Abfindung einbezogen habe, obwohl dieser Anspruch dem Kläger nach der eigenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht mehr zugestanden habe. Auch habe das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt, daß der Betriebsrat einen Interessenausgleich nicht verlangt habe.
Beide Angriffe sind nicht begründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Höhe der Abfindung ist eine Ermessensentscheidung, die einer Überprüfung durch das Revisionsgericht nur daraufhin unterliegt, ob das Landesarbeitsgericht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und bei seiner Entscheidung nicht gegen Rechtsvorschriften oder Denkgesetze verstoßen hat. Die Mitberücksichtigung des Verlustes des Anspruchs auf die tarifliche Zusatzvergütung stellt einen solchen Rechtsverstoß nicht dar. Der Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG soll gerade Nachteile ausgleichen, die dem Arbeitnehmer infolge der durchgeführten Betriebsänderung in rechtlich zulässiger Weise entstehen. Von daher ist es kein Rechtsfehler, wenn das Landesarbeitsgericht auch berücksichtigt, daß der Kläger gerade aufgrund der zulässigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses schon am 10. November 1986 den Anspruch auf die tarifliche Zusatzvergütung verloren hat.
Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht - wovon zugunsten der Beklagten ausgegangen werden kann - nicht berücksichtigt hat, daß der Betriebsrat einen Interessenausgleich nicht verlangt hat. Die Verpflichtung, einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu versuchen, trifft die Beklagte unabhängig davon, ob der Betriebsrat einen solchen ausdrücklich verlangt hat. Gerade der Umstand, daß der Betriebsrat auf einem Sozialplan bestand und zu diesem Zweck auch die Bestellung einer Einigungsstelle betrieb, mußte der Beklagten deutlich machen, daß der Betriebsrat der Betriebsänderung jedenfalls ohne einen angemessenen Sozialplan nicht zustimmen wollte und damit letztlich doch eine Einigung über die Betriebsänderung einschließlich ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen verlangte.
Damit erweist sich die Revision der Beklagten als unbegründet. Sie hat nach § 97 ZP0 die Kosten der Revision zu tragen.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Koerner Rösch
Fundstellen
BAGE 60, 87-94 (LT1) |
BAGE, 87 |
BB 1989, 773-775 (LT1) |
DB 1989, 331-332 (LT1) |
BetrR 1990, 19-22 (LT1) |
EWiR 1990, 125 (L1) |
Gewerkschafter 1989, Nr 4, 38-38 (ST1) |
NZA 1989, 278-280 (LT1) |
RdA 1989, 131 |
ZIP 1989, 256 |
ZIP 1989, 256-258 (LT1) |
AP § 113 BetrVG 1972 (LT1), Nr 18 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVE Entsch 32 (LT1) |
AR-Blattei, ES 530.14.5 Nr 32 (LT1) |
EzA § 113 BetrVG 1972, Nr 18 (LT1) |