Leitsatz (amtlich)
1. Für die Klage eines Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer auf Erstattung nachentrichteter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig; daran hat der Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974 (AP Nr. 3 zu § 405 RVO) nichts geändert.
2. Der Arbeitgeber kann von seinem Arbeitnehmer die Erstattung rückständiger Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nur im Lohnabzugsverfahren nach näherer Maßgabe der §§ 394, 395, 1397 RVO, § 119 AVG verlangen. Ist ein Lohnabzugsverfahren wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich, so ist ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen (Bestätigung von BAG 6, 7 = AP Nr. 1 zu §§ 394, 395 RVO).
3. Die Beschränkung des Erstattungsanspruchs auf das Lohnabzugsverfahren gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen seiner Beschäftigung im Ausland nicht dem deutschen, sondern einem vergleichbaren ausländischen Sozialversicherungssystem unterworfen ist, die Arbeitsvertragsparteien aber für ihr Arbeitsverhältnis die Geltung deutschen Rechts vereinbart haben.
Normenkette
RVO §§ 394-395, 405, 1396-1397; AVG §§ 118-119; ZPO § 38; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 2; RsprEinhG §§ 2, 11; BGB § 670
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 11.03.1976; Aktenzeichen 6 Sa 485/75) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt (Main) vom 11. März 1976 – 6 Sa 485/75 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Beklagte war vom 14. Juli 1968 bis zu seiner fristlosen Entlassung vom 23. April 1971 bei der Klägerin als Leiter der Analysenabteilung Gruppe A beschäftigt. Er wurde in Campione d'Italia, einer zum italienischen Staatsgebiet gehörenden Enklave in der Schweiz nahe Lugano, eingesetzt und erhielt für seine Tätigkeit eine wöchentliche Pauschalvergütung von 250,– DM sowie eine Umsatzbeteiligung. In dem schriftlichen Anstellungsvertrage vom 25. Juli 1968 haben die Parteien Düsseldorf als Gerichtsstand für alle Angelegenheiten und Rechtsstreitigkeiten aus diesem Vertrage bestimmt und die Geltung deutschen Rechts vereinbart. Anstelle von Düsseldorf wurde später auf Wunsch der Klägerin Frankfurt (Main) als Gerichtsstand festgelegt.
Ebenfalls am 25. Juli 1968 unterzeichnete der Beklagte eine Zusatzerklärung, wonach er zur Kenntnis nahm, daß er seine Bezüge brutto für netto ausgezahlt erhalte und die in Frage kommenden Steuern und Versicherungen selbst zahlen müsse, ferner daß die Klägerin für, diese Beträge nicht haftbar sei. Dementsprechend zahlte ihm die Klägerin während des Arbeitsverhältnisses seine Vergütung ohne Abzüge aus.
Nach dem Ausscheiden des Beklagten wurde die Klägerin von der zuständigen italienischen Sozialversicherungsbehörde in Como zur Nachentrichtung der Sozialabgaben für den Beklagten herangezogen. Die auf die nachentrichteten Sozialabgaben entfallenden Arbeitnehmeranteile beliefen sich auf insgesamt 1.850.962 Lire.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Erstattung der auf diesen entfallenden Beitragsanteile in Höhe von umgerechnet 10.545,– DM nebst 4 % Verzugszinsen. Sie hat vorgetragen:
Da sie nach dem Ausscheiden des Beklagten aus ihren Diensten keine Einbehaltungsmöglichkeiten mehr gehabt habe, sei der Beklagte um die an die italienische Sozialversicherungsbehörde abgeführten Arbeitnehmeranteile ungerechtfertigt bereichert. Sie könne daher von ihm die Erstattung der Arbeitnehmeranteile verlangen. Die italienische Sozialversicherungsbehörde habe ihr mit Schreiben vom 19. Juli 1972 auch bestätigt, daß sie aufgrund der italienischen Gesetzesbestimmungen das Recht habe, sich wegen der Entrichtung der Arbeitnehmeranteile beim Beklagten schadlos zu halten. Da der Beklagte inzwischen als Selbständiger tätig sei, habe er die Möglichkeit, sich die Arbeitnehmeranteile von dem italienischen Sozialversicherungsträger auszahlen zu lassen. Entsprechende Anträge habe er bereits gestellt. Darüber hinaus habe sich der Beklagte ihr gegenüber vertraglich zur Erstattung der Beiträge verpflichtet; denn sein italienischer Bevollmächtigter Dr. V. B. habe in einem Schreiben an ihren Bevollmächtigten Dr. T.-P. vom 8. Mai 1972 erklärt, sein Mandant sei bereit, die Summe von 1.850.000 Lire für zu seinen Lasten gehende Beiträge zurückzuzahlen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 10.545,– DM nebst 4 % Zinsen aus 10.545,– DM für die Zeit vom 2. bis zum 22. März 1972, aus 5.582,35 DM für die Zeit vom 23. März 1972 bis zum 20. November 1973, aus 2.890,42 DM für die Zeit vom 21. November 1973 bis zum 4. Dezember 1973 und aus 1.323,97 DM seit dem 5. Dezember 1973 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und entgegnet:
Als Arbeitgeberin habe die Klägerin die Pflicht gehabt, ihn nach den entsprechenden italienischen Gesetzesbestimmungen ordnungsgemäß bei der Sozialversicherungsbehörde anzumelden und die anteiligen Sozialversicherungsbeiträge von seinem Gehalt einzubehalten. Dies habe sie jedoch nicht getan, sondern ihn lediglich als Tourist angemeldet. Nach seinem Ausscheiden könne sie von ihm eine Erstattung der Beitragsanteile nicht verlangen. Auf das Schreiben seines Bevollmächtigten Dr. B. vom 8. Mai 1972 könne die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen. Es habe sich hierbei lediglich um einen Vorschlag im Rahmen der damals geführten Vergleichsverhandlungen gehandelt, die jedoch gescheitert seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin konnte keinen Erfolg haben.
I. Die Klage ist zulässig. Die Vorinstanzen haben mit Recht die internationale Zuständigkeit und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als gegeben erachtet.
1. Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich mangels besonderer Regelungen im wesentlichen nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die örtliche Zuständigkeit. Ist danach ein deutscher Gerichtsstand begründet, dann ist das deutsche Gericht im Regelfalle auch international zuständig (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit [zu 2 der Gründe]; BAG AP Nr. 2 zu § 106 BetrVG 1972 [zu II 2 der Gründe]; BGHZ [GrS] 44, 46 [47] = AP Nr. 3 zu § 512 a ZPO [zu 2 der Gründe]).
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im vorliegenden Falle nach den §§ 12 ff. ZPO in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung vom 21. März 1974 (BGBl. I, 753) geltenden Fassung; denn die Neufassung findet nach Art. 3 des genannten Gesetzes nur Anwendung auf Streitsachen, die nach seinem Inkrafttreten anhängig geworden sind. Die vorliegende Klage ist aber bereits am 13. Juni 1972 eingereicht worden. Zu dieser Zeit konnten nach § 38 ZPO a.F. auch die Parteien eines Arbeitsverhältnisses die örtliche Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichts durch Vereinbarung bestimmen. Das ist hier geschehen, indem die Parteien Frankfurt (Main) als Gerichtsstand vereinbart haben. Damit haben sie zugleich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit begründet.
2. Auch der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben; denn es handelt sich um eine bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG und nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.
a) Der eingeklagte Erstattungsanspruch ist allerdings eine Folgewirkung des italienischen Sozialversicherungsrechts, das wie das deutsche Sozialversicherungsrecht öffentlich-rechtlicher Natur ist und dem die Parteien deshalb nach dem für das öffentliche Kollisionsrecht geltenden Territorialitätsprinzip (vgl. BGH NJW 1960, 1101 f. [zu 2 der Gründe]) unterlagen, weil der Ort, an dem der Beklagte beschäftigt wurde, zum italienischen Staatsgebiet gehört. Der Klageanspruch resultiert daraus, daß das italienische ebenso wie das deutsche Sozialversicherungsrecht den Arbeitgeber zur Zahlung auch der auf den Arbeitnehmer entfallenden und von ihm letztlich zu tragenden Beitragsanteile verpflichtet und die italienische Sozialversicherungsbehörde sich deshalb auch insoweit an den Arbeitgeber hält. Das ergibt sich aus Art. 19 des italienischen Gesetzes über die Neuregelung der Renten der obligatorischen Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung vom 4. April 1952 (Riordinamento delle pensioni dell'assicurazione obbligatoria per l'invalidità, la vecchiaia eti superstiti), veröffentlicht im Supplemente ordinario alla Gazzetta Ufficiale (Regelmäßiges Ergänzungsblatt zum Amtsblatt) Nr. 89 vom 15. April 1952. Die Vorschrift lautet:
„II datore di lavoro e responsabile del pagamento dei contributi anche per la parte a carico del lavoratore; qualunque patto in contrario e nullo.
II contributo a carico del lavoratore e trattenuto dal datore di lavoro sulla retribuzione corrisposta al lavoratore stesso alla scadenza del periodo di paga cui il contributo si riferisce.”
Zu deutsch:
„Der Arbeitgeber ist für die Entrichtung auch desjenigen Anteils der Beiträge verantwortlich, den der Arbeitnehmer zu tragen hat; jegliche gegenteilige Vereinbarung ist nichtig.
Der Arbeitgeber behält den Anteil, den der Arbeitnehmer zu tragen hat, von dem Entgelt ein, das er dem Arbeitnehmer für den Zeitraum zu zahlen hat, auf den sich der Beitrag bezieht.”
Die durch die Pflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge begründeten Rechtsbeziehungen zwischen der italienischen Sozialversicherungsbehörde und dem Arbeitgeber sind öffentlich-rechtlicher Art. Das bedeutet jedoch nicht ohne weiteres, daß auch der Ausgleichsanspruch des Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer ebenfalls dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre.
b) Für das in dieser Beziehung vergleichbare deutsche Recht hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 3. April 1958 (BAG 6, 7 [9] = AP Nr. 1 zu §§ 394, 395 RVO [zu I der Gründe]) entschieden, daß der Anspruch eines Arbeitgebers gegen seinen ausgeschiedenen Arbeitnehmer auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung bürgerlich-rechtlicher Natur und deshalb der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten und nicht zu den Sozialgerichten gegeben sei, weil der Arbeitgeber eine Beitragserstattung nicht im Anrechnungsverfahren der §§ 394, 395 RVO verlange und sich daher für sein Klagebegehren gerade nicht auf die Vorschriften der RVO, sondern auf allgemeine bürgerlich-rechtliche Vorschriften berufe.
c) Diese Entscheidung ist durch den Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974 (AP Nr. 3 zu § 405 RVO) nicht überholt. Dort hat der Gemeinsame Senat ausgesprochen, daß der Anspruch des nicht Versicherungspflichtigen Angestellten auf Zahlung des Arbeitgeberzuschusses zur Krankenversicherung nach § 405 RVO, selbst wenn es um einen Zuschuß für eine private Krankenversicherung geht, ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf dem Gebiete der Sozialversicherung ist und deshalb der Rechtsweg zu den Sozialgerichten beschritten werden muß, obwohl es sich um einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber handelt. Im vorliegenden Falle geht es nicht um einen gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Arbeitgeberzuschuß zur Sozialversicherung, so daß der Senat durch den Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht gehindert ist, den hier geltend gemachten Erstattungsanspruch als einen im Zivilrechtsweg zu verfolgenden bürgerlichrechtlichen Anspruch anzusehen; einer Vorlage an den Gemeinsamen Senat nach den §§ 2, 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl. I, 661) bedarf es hierzu nicht. Der Beschluß des Gemeinsamen Senats stellt jedoch Maßstäbe für die Abgrenzung von sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Ansprüchen auf, die über die entschiedene Rechtsfrage hinaus allgemeine Bedeutung haben und die deshalb auch für andere Fälle Beachtung verlangen.
Der Gemeinsame Senat ist von dem Grundsatz ausgegangen, daß sich die Art einer Streitigkeit – öffentlichrechtlich oder bürgerlich-rechtlich – nach der Natur des Rechtsverhältnisses richtet, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Als maßgebliches Kriterium für die Natur des Rechtsverhältnisses sieht es der Gemeinsame Senat an, ob der Anspruch nach Voraussetzung und Rechtsfolge auf das Privatrecht oder auf das öffentliche Recht, hier speziell auf das Recht der Sozialversicherung verweist und einem ihm eigentümlichen Sicherungszweck dient. Dagegen hält er es nicht für ausschlaggebend, daß die beteiligten Parteien zueinander nicht in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, sondern einander gleichgeordnet sind.
d) Beurteilt man den vorliegenden Fall nach diesen Maßstäben, so ergibt sich, daß der eingeklagte Erstattungsanspruch nach Voraussetzung und Rechtsfolge nicht im Sozialversicherungsrecht verankert ist und auch nicht einem der Sozialversicherung eigentümlichen Sicherungszweck dient, daß er seine Rechtsgrundlage vielmehr im Privatrecht, nämlich in § 670 BGB, findet.
Nach § 670 BGB ist der Auftraggeber dem Beauftragten zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet, die dieser zur Ausführung der Auftrags gemacht hat und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift auf Fälle der vorliegenden Art kommt allerdings nicht in Frage, weil die Abführung der Beitragsanteile des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung auf einer durch die Sozialversicherungsgesetze begründeten öffentlich-rechtlichen Pflicht des Arbeitgebers und nicht auf einem vertraglich begründeten Auftrag beruht. Gleichwohl wird § 670 BGB auch in solchen Fällen herangezogen, in denen der Arbeitgeber kraft gesetzlicher Vorschrift für den Arbeitnehmer öffentlich-rechtliche Leistungen erbringen muß, die letztlich der Arbeitnehmer zu tragen hat. Das gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den Anspruch des Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer auf Erstattung der für diesen abgeführten Lohnsteuern, für den stets der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen angenommen wurde (vgl. AP Nr. 20 zu § 670 BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt [vor I der Gründe m.w.N.]). In dieser Entscheidung ist (zu I 2 c der Gründe) ausgeführt, daß die Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer aus Anlaß des Lohnsteuerabzugsverfahrens Teil des Arbeitsverhältnisses und der ihm innewohnenden Redlichkeitspflicht des Arbeitnehmers sind, die in diesem Zusammenhang durch die Vorschriften des Auftragsrechts konkretisiert wird.
Ebenso hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts für den vergleichbaren Anspruch des Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer auf Rückerstattung einer überzahlten Berlinzulage den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als gegeben angesehen (Urteil vom 9. Dezember 1976 – 3 AZR 371/75 – [demnächst] AP Nr. 1 zu § 611 BGB Erstattung [zu I der Gründe]). Dort hatte der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer irrtümlich eine zu hohe Berlinzulage ausgezahlt und den überzahlten Betrag später dem Finanzamt erstatten müssen, weshalb er mit seiner Klage nunmehr einen entsprechenden Ausgleich von seinem Arbeitnehmer verlangte. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Berlinzulage beruhte auf dem Gesetz zur Förderung der Berliner Wirtschaft vom 29. Oktober 1970 (BGBl. I, 1482). Der eigentliche Schuldner dieses Anspruchs ist der Fiskus, vertreten durch die zuständigen Finanzämter. Der Arbeitgeber muß die Zulage zwar errechnen und aus der Summe der Lohnsteuerabzüge erfüllen; er wird dabei aber für den Fiskus tätig und handelt gleichsam als dessen Zahlstelle. Die Zulage gilt nicht als Bestandteil des Lohnes und hat öffentlich-rechtlichen Charakter. Zahlt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer zu Lasten des Fiskus eine zu hohe Berlinzulage aus, so muß er den zuviel gezahlten Betrag dem Finanzamt erstatten (§ 29 Abs. 4 Satz 1 Berlin-FörderungsG). Auch dieser Erstattungsanspruch des Finanzamts ist öffentlich-rechtlicher Natur. Den im Falle der Überzahlung entstehenden Ausgleichsanspruch des Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts dagegen als einen privatrechtlichen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis angesehen und dazu ausgeführt, wirtschaftlich gehe es zwar auch hier um die Rückabwicklung einer öffentlichen Leistung; dadurch würden aber gleichzeitig die arbeitsrechtlichen Beziehungen geprägt, denn die Regelungen des Berlin-Förderungsgesetzes konkretisierten die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis; weiche ein Vertragspartner von diesen Grundsätzen ab, so könnten daraus für den anderen Vertragspartner Schadenersatz- oder Erstattungsansprüche entstehen, die vor den Arbeitsgerichten zu verfolgen seien.
e) Für den vorliegenden Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der von ihm abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung kann die Rechtslage nicht anders beurteilt werden. Auch hier geht es um den Ausgleich öffentlich-rechtlicher Leistungen, die vom Arbeitgeber im Interesse des Arbeitnehmers und für diesen erbracht worden sind. Da das Sozialversicherungsrecht keine den Erstattungsanspruch begründende Norm enthält, kann sich der Anspruch nur aus dem durch die Vorschriften des Auftragsrechts insoweit konkretisierten Arbeitsverhältnis ergeben. Zwar wird der Erstattungsanspruch auch im Sozialversicherungsrecht angesprochen, wo der Arbeitgeber für diesen Anspruch auf das Lohnabzugsverfahren verwiesen wird (vgl. §§ 394, 395, 1397 RVO, § 119 Abs. 1 und 3 AVG; ebenso für das italienische Recht Art. 19 Abs. 2 des obengenannten Gesetzes vom 4. April 1952).
Diese Vorschriften begründen aber selbst nicht unmittelbar den Erstattungsanspruch, sondern regeln nur die Art und Weise, wie er zu realisieren ist. Sie setzen sein Bestehen mithin voraus. Daher handelt es sich bei dem Erstattungsanspruch nicht um einen nach Voraussetzungen und Rechtsfolge dem Sozialversicherungsrecht zugehörigen Anspruch. Er dient, anders als der Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß nach § 405 RVO, auch nicht einem der Sozialversicherung eigentümlichen Sicherungszweck, nämlich der Sicherung der Beitragsleistungen. Diese sind bei der Entstehung des Erstattungsanspruchs erbracht. Es geht nur noch darum, wer die für die Sozialversicherung des Arbeitnehmers aufgewendeten Leistungen im Innenverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber letztlich zu tragen hat. Zwar muß auch für die Entscheidung dieser Frage auf Vorschriften des Sozialversicherungsrechts zurückgegriffen werden; ob der Arbeitgeber die Erstattung seiner Aufwendungen verlangen kann, hängt von der sozialversicherungsrechtlichen Vortrage ab, ob dem Arbeitnehmer insoweit eine Beitragslast auferlegt war, zu deren Ablösung die Aufwendungen des Arbeitgebers dienten. Es ist aber nichts Ungewöhnliches, daß im Rahmen bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreitigkeiten von den dafür zuständigen Zivilgerichten auch öffentlich-rechtliche Vortragen zu prüfen sind. So haben etwa bei der Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber, mit der er diesen auf Ersatz seines Rentenschadens wegen angeblich nicht oder nicht richtig abgeführter Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch nimmt, die für eine solche Schadenersatzklage zuständigen Arbeitsgerichte (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 823 BGB Schutzgesetz) auch die Frage zu prüfen, ob der Arbeitgeber seine sozialversicherungsrechtlichen Pflichten in bezug auf die Beitragsleistung verletzt hat.
Für den eingeklagten Erstattungsanspruch ist mithin der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß auf den eingeklagten Erstattungsanspruch deutsches Arbeitsrecht anzuwenden ist. Die Parteien haben in ihrem Arbeitsvertrag ausdrücklich die Geltung deutschen Rechts vereinbart. Gegen die Wirksamkeit dieser Rechtswahl bestehen keine Bedenken.
a) Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung. Die Klägerin ist eine schweizerische Aktiengesellschaft, der Beklagte deutscher Staatsangehöriger. Der Ort, an dem die Arbeit zu leisten war, liegt auf italienischem Staatsgebiet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt für Arbeitsverträge mit Auslandsberührung der Grundsatz der Parteiautonomie. Die Vertragsparteien können das maßgebliche Recht selbst bestimmen, wobei sich diese Wahlfreiheit nicht auf das nachgiebige Recht beschränkt (AP Nr. 10 zu Internationales Privatrecht – Arbeitsrecht [mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen]; AP Nr. 11 a.a.O. [zu II 2 der Gründe]; AP Nr. 12 a.a.O. [zu II 1 der Gründe], auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Im Streitfalle ist durch die deutsche Staatsangehörigkeit des Beklagten eine sachliche Beziehung zum deutschen Recht gegeben, die die getroffene Rechtswahl trägt.
b) Demgegenüber macht die Revision geltend, das italienische Arbeitsrecht gehöre nach italienischer Rechtsauffassung nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Recht an; das für den Beschäftigungsort maßgebliche öffentliche Recht könne aber durch Parteivereinbarung nicht abbedungen werden; die von den Parteien getroffene Rechtswahl sei daher mißglückt, so daß das italienische und nicht das deutsche Arbeitsrecht gelte.
Es kann dahinstehen, ob die italienische Rechtsordnung das gesamte italienische Arbeitsrecht als öffentliches Recht ausgestaltet hat. Sollte dies zutreffen, so führt das gleichwohl nicht zur Außerachtlassung der Rechtswahl der Parteien und zur Anwendung des italienischen Arbeitsrechts. Der Wille einer ausländischen Norm, alle Arbeit in ihrem Geltungsbereich zu erfassen, kann das inländische Gericht nicht dazu zwingen, sich dem bei seinen Entscheidungen zu beugen. Die Frage nach dem Anwendungsbereich des ausländischen öffentlichen Rechts beantwortet sich allein nach dem Kollisionsrecht des Gerichtsstandes und nicht nach dem Geltungswillen der ausländischen Norm (Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, 1959, Nr. 164, S. 193). Mithin entscheidet im vorliegenden Falle allein das deutsche Internationale Privatrecht darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien deutschem oder italienischem Arbeitsrecht unterliegt. Das deutsche Internationale Privatrecht aber wird von dem Grundsatz der Parteiautonomie beherrscht und erkennt deshalb die hier von den Parteien getroffene Wahl des deutschen Arbeitsrechts an.
2. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der von ihr zur italienischen Sozialversicherungsbehörde abgeführten Arbeitnehmeranteile unter Hinweis auf die §§ 393, 394, 1396, 1397 EVO und auf die §§ 118, 119 AVG verneint. Nach diesen Vorschriften können die Arbeitgeber die auf ihre Arbeitnehmer entfallenden Beitragsanteile nur im Wege des Lohnabzugsverfahrens wieder einziehen. Ist wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein solches Lohnabzugsverfahren nicht mehr möglich, so ist ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen (BAG 6, 7 [9 ff.] – AP Nr. 1 zu §§ 394, 395 RVO [zu II der Gründe]). Das Landesarbeitsgericht verkennt nicht, daß die genannten Vorschriften unmittelbar nur für die Erstattung von Beiträgen zur deutschen Sozialversicherung gelten. Es meint jedoch, in diesen Vorschriften komme ein allgemeines, das deutsche Arbeitsrecht beherrschendes soziales Schutzprinzip zum Ausdruck, das auch dann Geltung beanspruche, wenn es um die Erstattung von Beiträgen zu einer ausländischen Sozialversicherung gehe. Dem tritt der Senat bei.
Die Beschränkung des Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers auf das Lohnabzugsverfahren gilt für alle deutschen Sozialversicherungszweige. Sie hat den Zweck, den Arbeitnehmer vor einer Aufhäufung der von ihm zu erstattenden Beitragsanteile durch den Arbeitgeber und vor einer künftigen Erstattungsklage zu bewahren. Die im Interesse des Arbeitnehmers geschaffene Sozialversicherung soll nicht mit der sozial unerwünschten und den Gesetzeszweck beeinträchtigenden Begleiterscheinung der druckenden Beitragslast und der Beitragsverschuldung des Arbeitnehmers sowie der daraus sich ergebenden Klage-, Vollstreckungs- und sonstigen Druckmöglichkeiten des Arbeitgebers verbunden sein. Solchen unerwünschten Begleiterscheinungen soll die Beschränkung der Erstattungsmöglichkeit auf das Lohnabzugsverfahren entgegenwirken (BAG 6, 7 [10] = AP Nr. 1 zu §§ 394, 395 EVO [zu II 2 b und c der Gründe]).
Dieser soziale Schutzzweck erfordert es, die obengenannten Vorschriften entsprechend auch dann anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsvertrag vom deutschen Recht beherrscht wird, wegen seiner Beschäftigung im Ausland nicht dem deutschen, sondern einem vergleichbaren ausländischen Sozialversicherungssystem unterworfen ist. Das hier in Betracht kommende italienische Sozialversicherungssystem beruht ebenfalls auf Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, wobei der Arbeitgeber auch die auf den Arbeitnehmer entfallenden und von dessen Arbeitsentgelt einzubehaltenden Beitragsanteile abzuführen hat (vgl. Art. 19 des oben unter I 2 zitierten italienischen Gesetzes vom 4. April 1952). Ob damit der Arbeitgeber nach italienischem Recht für seinen Beitragserstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer ebenso wie nach deutschem Recht allein auf das Lohnabzugsverfahren verwiesen und jede andere Art der Erstattung ausgeschlossen ist, kann unentschieden bleiben. Da die Parteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen deutschem Recht unterstellt haben, muß dem Beklagten auch der nach deutschem Recht gegebene Schutz des Arbeitnehmers vor Beitragsverschuldung und der daraus sich ergebenden Drucksituation zugute kommen. Er ist insoweit in gleicher Weise schutzbedürftig wie ein in Deutschland arbeitender Arbeitnehmer. Denn das italienische Sozialversicherungssystem führt zu denselben unerwünschten Begleiterscheinungen wie das deutsche, wenn der Arbeitgeber den Beitragsanteil seines Arbeitnehmers nicht – wie Art. 19 Abs. 2 des erwähnten italienischen Gesetzes vorsieht – vom laufenden Arbeitsentgelt einbehält, sondern unter Umständen erst nach Jahren mit nunmehr zu erheblichen Beträgen aufgelaufenen Erstattungsansprüchen hervortritt. Dies zeigt sich gerade auch im vorliegenden Falle besonders deutlich, wo die Klägerin den Beklagten auf Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von mehr als 10.000,– DM in Anspruch nimmt.
Hiernach ist es der Klägerin verwehrt, vom Beklagten die Erstattung der von ihr nachentrichteten Arbeitnehmeranteile zur italienischen Sozialversicherung zu verlangen.
3. Entgegen der Ansicht der Revision kann eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß eine Realisierung des Beitragserstattungsanspruchs nur im Wege des Lohnabzugsverfahrens möglich ist, im vorliegenden Falle nicht deswegen gemacht werden, weil der Beklagte die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses gerade zu dem Zweck herbeigeführt hätte, um sich einem sonst möglichen Lohnabzugsverfahren zu entziehen. Der Beklagte hat sein Arbeitsverhältnis nicht selbst aufgekündigt, sondern ist von der Klägerin fristlos entlassen worden. Dafür, daß er seine fristlose Entlassung in der Absicht provoziert hätte, der Klägerin die Erstattungsmöglichkeit durch entsprechende Gehaltsabzüge zu nehmen, fehlt jeder greifbare Anhaltspunkt.
4. Ohne Rechtsirrtum hat das Landesarbeitsgericht schließlich angenommen, daß der Beitragserstattungsanspruch auch nicht auf eine zwischen den Parteien nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses getroffene Vereinbarung gestützt werden kann. Die Klägerin hat hierzu auf das Schreiben des den Beklagten vertretenden Wirtschaftsprüfers B. an ihren Vertreter, Rechtsanwalt Dr. T.-P. vom 8. Mai 1972 hingewiesen, worin es u.a. heißt, der Beklagte sei bereit, die Summe von 1.850.000,– Lire für zu seinen Lasten gehende Beiträge zurückzuzahlen. Hierin will die Klägerin ein vertragliches Anerkenntnis sehen. Das genannte Schreiben ist jedoch Teil einer zwischen den Vertretern der Parteien geführten Korrespondenz zur vergleichsweisen Beilegung der aus Anlaß der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses entstandenen Streitigkeiten. Das Landesarbeitsgericht sieht daher in der gezeigten Bereitschaft des Beklagten zur Beitragserstattung mit Recht lediglich einen Vorschlag für einen später abzuschließenden umfassenden Vergleich, nicht aber ein rechtsverbindliches Anerkenntnis. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts wird von der Revision auch nicht angegriffen.
III. Nach alledem hat das Landesarbeitsgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, so daß die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.
Unterschriften
gez.: Dr. Hilger, Siara, Dr. Seidensticker, Heidenreich, Krebs
Fundstellen
Haufe-Index 1420188 |
NJW 1978, 1766 |
IPRspr. 1977, 46 |