Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsgemäßheit des § 9 KSchG
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 KSchG ist verfassungsgemäß. Sie verstößt weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG noch gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip.
Normenkette
KSchG 1969 § 9; KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung; BGB §§ 140, 626; GG Art. 14, 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 14.01.1982; Aktenzeichen 8 (4) Sa 727/80) |
ArbG München (Teilurteil vom 26.11.1974; Aktenzeichen 4 Ca 3501/73) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14. Januar 1982 – 8 (4) Sa 727/80 – im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als es das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung vom 31. Dezember 1973 aufgelöst und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 25.000,– DM an den Kläger verurteilt hat.
2. Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch über die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1973.
Die Beklagte ist eine Industrievertretungs- und Import-Export-Handelsfirma. Der Kläger, von Beruf Diplom-Ingenieur, trat am 11. Januar 1971 bei der Beklagten als Angestellter ein. Entsprechend dem Anstellungsvertrags-Entwurf vom 20. Januar 1971, nach dem sich die Parteien in der Folgezeit richteten, sollte der Kläger als technischer und kaufmännischer Mitarbeiter sowie als Vertreter des Geschäftsführers tätig sein. Weiter war im Vertragsentwurf vorgesehen, daß der Kläger nach Ablauf eines Jahres als Kommanditist in die Beklagte eintreten sollte.
Nach dem Vertragsentwurf war gem. Nr. 15 im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses nur eine Kündigung mit sechsmonatiger Frist zum Jahresende möglich. Der Fall des späteren Ausscheidens des Klägers aus der Beklagten sollte im Gesellschaftsvertrag geregelt werden.
Am 2. Juli 1971 unterschrieben die Parteien und der Rechtsbeistand der Beklagten ein Vertragswerk, das sie als “Grundvertrag” bezeichneten. In diesem “Grundvertrag” sind arbeitsvertragliche wie auch gesellschaftsrechtliche Regelungen enthalten. Unter Nr. 9 des “Grundvertrages” vereinbarten die Parteien folgende Kündigungsregelung:
“Eine Kündigung ab 1.7.1971 ist nur aus wichtigem Grunde möglich.”
Mit dieser Formulierung wichen sie von der ursprünglich vorgesehenen Regelung ab, die in Anlehnung an Nr. 15 des Anstellungsvertrags-Entwurfs vom 20. Januar 1971 beiden Parteien eine Kündigungsmöglichkeit mit sechsmonatiger Frist zum Jahresende einräumte.
Trotz wiederholter Verhandlungen über einen Gesellschaftsvertrag kam es nicht zum Eintritt des Klägers als Kommanditist bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 27. April 1973 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos.
Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und forderte aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges Gehaltszahlung einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Zeit von Mai 1973 bis Dezember 1977 in Höhe von 407.970,95 DM.
Das Arbeitsgericht München hat mit Teilurteil vom 26. November 1974 – 4 Ca 3501/73 – festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 27. April 1973 nicht beendet worden ist. Das Landesarbeitsgericht München hat die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten durch Urteil vom 14. November 1977 – 4 Sa 112/75 – zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts mit Urteil vom 14. Dezember 1979 – 7 AZR 1042/77 – (AP Nr. 71 zu § 626 BGB) aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im erneuten Berufungsverfahren hat die Beklagte ihren Sachvortrag zur fristlosen Kündigung vom 27. April 1973 ergänzt und im übrigen folgendes vorgetragen: Zumindest müsse die außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, weil durch den Grundvertrag vom 2. Juli 1971 die ordentliche Kündigung für die Zeit nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen über die Aufnahme des Klägers als Kommanditist nicht ausgeschlossen worden sei. Zur Begründung des erstmals im erneuten Berufungsverfahren hilfsweise gestellten Auflösungsantrages hat die Beklagte vorgetragen, eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und dem Kläger sei nicht zu erwarten. Die Gründe lägen einerseits im Scheitern der Vertragsverhandlungen, worauf auch die fristlose Kündigung gestützt sei. Andererseits habe der Kläger durch sein Verhalten zu erkennen gegeben, daß es ihm nur noch darum gehe, der Beklagten zu schaden. Dies habe sich darin gezeigt, daß der Kläger maßlose Forderungen in Höhe von 407.970,95 DM gegen sie gerichtlich geltend gemacht habe.
Das Landesarbeitsgericht hat das Teilurteil des Arbeitsgerichts abgeändert, das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung vom 31. Dezember 1973 aufgelöst und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 25.000,– DM verurteilt. Die Revision gegen seine Entscheidung hat es nicht zugelassen.
Auf die Beschwerde des Klägers hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 14. Mai 1982 – 7 AZN 116/82 – die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts zugelassen.
Mit der allein vom Kläger eingelegten Revision begehrt dieser die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1973 aufgelöst und die Beklagte zu einer Abfindung in Höhe von 25.000,– DM verurteilt hat. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt hinsichtlich des in der Revisionsinstanz noch allein zu beurteilenden Auflösungsantrages zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Eine abschließende Entscheidung über den Auflösungsantrag ist dem Senat nicht möglich, da es weiterer tatsächlicher Feststellungen und ihrer Würdigung durch das Berufungsgericht bedarf, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zulässigerweise gemäß § 139 ZPO gerügt hat, daß sie sich bei einem entsprechenden richterlichen Hinweis zur Begründung ihres Auflösungsantrages auf alle von ihr vorgebrachten Kündigungsgründe berufen hätte.
I. In der Revisionsinstanz geht es nur noch um die Frage, ob das Landesarbeitsgericht zu Recht das Arbeitsverhältnis der Parteien auf den hilfsweise von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag zum 31. Dezember 1973 gegen Zahlung einer Abfindung von 25.000,– DM aufgelöst hat. Da die Beklagte ihrerseits keine Revision eingelegt hat, steht in der Revisionsinstanz rechtskräftig fest, daß die fristlose Kündigung vom 27. April 1973 weder als außerordentliche noch als umgedeutete ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat.
1. Zur Begründung der Stattgabe des hilfsweise von der Beklagten gestellten Auflösungsantrages hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt folgendes ausgeführt: Die Beklagte sei gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG antragsberechtigt. Die Beklagte habe zwar nur eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Sie habe sich aber mit Erfolg auf die Umdeutung der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung berufen, so daß eine Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers möglich sei. Einer Umdeutung der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung stehe auch nicht die in Nr. 9 des Grundvertrages enthaltene Regelung entgegen, nach der ab 1. Juli 1971 eine Kündigung nur noch aus wichtigem Grunde möglich gewesen sei. Der Ausschluß der ordentlichen Kündigung durch Nr. 9 des Grundvertrages habe jedoch längstens bis zum Scheitern der Vertragsverhandlungen über den Eintritt als Kommanditist gegolten. Der Wortlaut dieser Klausel spreche zwar eher für die unbefristete Dauer des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung. Für die Befristung des Kündigungsausschlusses spreche aber der Zusammenhang des Kündigungsausschlusses mit der in Nr. 10 des Grundvertrages zum Ausdruck gekommenen Willenseinigung der Parteien, nach der der Kläger zum 1. Januar 1972 als Kommanditist habe eintreten sollen. Denn der Ausschluß der ordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses für den Fall einer gleichzeitigen gesellschaftsrechtlichen Bindung der Arbeitsvertragsparteien sei typisch. Dies lege nahe, auch dem Kündigungsausschluß diese Funktion beizumessen. Eine derartige Auslegung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil in Nr. 15 des Vertragsentwurfs vom 20. Januar 1971, nach dem sich die Parteien bis zum Grundvertrag vom 2. Juli 1971 gerichtet hätten, vorgesehen gewesen sei, daß das Arbeitsverhältnis im ersten Jahr nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende ordentlich habe gekündigt werden können und der Fall des späteren Ausscheidens im Gesellschaftsvertrag, der auch damals schon für die Zeit ab 1. Januar 1972 geplant gewesen sei, habe geregelt werden sollen. Schließlich spreche auch die beiderseitige Interessenlage für diese Auslegung. Der Kläger sei unstreitig allein an einem Arbeitsverhältnis ohne gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Beklagten nicht interessiert gewesen. Dies schließe ein Interesse des Klägers an einer engen Bindung an das Arbeitsverhältnis durch Ausschluß der ordentlichen Kündigung trotz des Scheiterns der Vertragsverhandlungen aus. Dementsprechend könne auch nicht angenommen werden, daß sich die Beklagte allein durch Kündigungsausschluß auch für den Fall des Scheiterns dieser Vertragsverhandlungen besonders eng an das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger habe binden wollen. Für eine derartige differenzierte Regelung der Kündigungsberechtigung zu Lasten der Beklagten biete der Sachverhalt keine Anhaltspunkte.
2. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Auslegung von einzelvertraglichen Abreden ist nur in beschränktem Umfang revisibel, da die Auslegung nichttypisierter Einzelabreden Tatfrage ist. Eine Rechtsverletzung ist nur dann gegeben und vom Revisionsgericht zu beanstanden, wenn die vom Berufungsgericht angenommene Bedeutung der Erklärung den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB widerspricht, mit den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar ist oder wesentliche Umstände bei der Auslegung unberücksichtigt bleiben (BAG Urteil vom 2. März 1973 – 3 AZR 325/72 – AP Nr. 36 zu § 133 BGB m.w.N.). Derartige Rechtsfehler hat die Revision weder dargetan noch sind solche sonstwie ersichtlich. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Vertragsauslegung ist jedenfalls vertretbar.
3. Das angefochtene Urteil ist auch insoweit frei von Rechtsfehlern, als es die Voraussetzungen für eine Umdeutung (§ 140 BGB) der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 1973 angenommen hat.
Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts bestand zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung kein vertraglicher Ausschluß der ordentlichen Kündigung, so daß eine Umdeutung nicht durch vertragliche Regelungen ausgeschlossen war.
Das Landesarbeitsgericht hat auch die Voraussetzungen, die für eine Umdeutung im Rahmen des § 140 BGB gegeben sein müssen (vgl. BAG Urteil vom 31. Mai 1979 – 2 AZR 473/77 – AP Nr. 50 zu § 256 ZPO, zu II 2a der Gründe m. w. N.; BAG Urteil vom 18. September 1975 – 2 AZR 311/74 – AP Nr. 10 zu § 626 BGB Druckkündigung; BAG Urteil vom 12. September 1974 – 2 AZR 535/73 – AP Nr. 1 zu § 44 TVAL II), zu Recht angenommen. Die Revision hat insoweit auch keine Angriffe erhoben.
Soweit das Landesarbeitsgericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine sechsmonatige Kündigungsfrist für die mittels Umdeutung (§ 140 BGB) anzunehmende ordentliche Kündigung seiner Würdigung zugrunde gelegt hat, ist das Urteil frei von Rechtsfehlern.
Nach § 157 BGB ist es die Aufgabe des Richters, Lücken im Vertrag, die erst nachträglich als Folgen des weiteren Verlaufs der Dinge sich ergeben, auszufüllen. Dabei ist von dem Sinn und Zweck des Vertrages auszugehen und dem mutmaßlichen Parteiwillen in der Weise Rechnung zu tragen, daß zu prüfen ist, wie die Parteien als redliche und verständige Vertragspartner ihren Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die Lücke im Vertrag bewußt gewesen wäre (vgl. BAG Urteil vom 7. Dezember 1956 – 1 AZR 135/55 – AP Nr. 3 zu § 63 RegelungsG).
Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung entspricht diesen Grundsätzen, denn es ist bei seiner Würdigung davon ausgegangen, was die Parteien nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen redlicherweise kündigungsrechtlich vereinbart hätten. Dabei ist es zutreffend von der in Nr. 15 des Vertragsentwurfes vom 20. Januar 1971 für das erste Beschäftigungsjahr vorgesehenen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende ausgegangen.
4. Das Landesarbeitsgericht hat weiterhin zu Recht angenommen, daß die Beklagte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG berechtigt gewesen ist, hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Ablaufes der – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzunehmenden – Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende zu beantragen.
Liegen – wie hier – die Voraussetzungen für eine Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung vor (§ 140 BGB), so ist der Arbeitgeber (vgl. Urteil des Senats vom 26. Oktober 1979 – 7 AZR 752/77 – AP Nr. 5 zu § 9 KSchG 1969) dazu berechtigt, für den Fall einer sich ergebenden Sozialwidrigkeit der mittels Umdeutung anzunehmenden ordentlichen Kündigung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist zu begehren. An diesem Standpunkt, gegen den auch die Revision keine Bedenken erhebt, hält der Senat fest.
5. Wie die Revision durchgreifend rügt, enthält das angefochtene Urteil insoweit einen zur Aufhebung führenden materiellrechtlichen Fehler, als es an die dem Arbeitgeber obliegende Darlegungslast hinsichtlich des Vorliegens von Auflösungstatsachen i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu geringe Anforderungen gestellt hat. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Verhandlungsgrundsatz verletzt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat den hilfsweise von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag aus den folgenden Gründen für begründet angesehen: Das Scheitern der Vertragsverhandlungen über den Eintritt des Klägers als Kommanditist stelle zwar keinen Kündigungsgrund dar, belaste aber das persönliche Verhältnis zwischen dem Kläger und dem geschäftsführenden Komplementär der Beklagten, der an diesen Verhandlungen maßgeblich beteiligt gewesen sei, zwangsläufig so sehr, daß eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht mehr erwartet werden könne. Die Bedeutung des Scheiterns der Vertragsverhandlungen über den Eintritt des Klägers als Kommanditist für das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Komplementär der Beklagten ergebe sich im einzelnen notwendigerweise daraus, daß beide Seiten den Abschluß eines entsprechenden Gesellschaftsvertrags in Aussicht genommen hätten, beide gegenseitig sich für das Scheitern dieser Verhandlungen verantwortlich machten, das persönliche Verhältnis zwischen diesen beiden Personen durch die nach Lage der Dinge unvermeidliche Fortsetzung des noch nicht beigelegten gesellschaftsrechtlichen Streites in Bezug auf den Grundvertrag vom 2. Juli 1971 auch weiterhin belastet würde. Das persönliche Auskommen gerade dieser beiden Personen sei für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses besonders wichtig, weil der Kläger zur Unterstützung und Vertretung des Komplementärs der Beklagten eingestellt worden sei.
b) Mit diesen Ausführungen hat das Landesarbeitsgericht den Verhandlungsgrundsatz verletzt, denn es hat zur Begründung des Auflösungsantrages Umstände herangezogen, die seitens der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten nicht vorgebracht worden sind. Außerdem hat es den Umfang der dem Arbeitgeber obliegenden Darlegungslast verkannt.
Zur Begründung des hilfsweise gestellten Auflösungsantrags hatte die Beklagte folgendes vorgetragen: Zum einen lägen die Gründe im Scheitern der Vertragsverhandlungen, mit welchen auch die fristlose Kündigung gestützt werde. Darüber hinaus habe der Kläger durch sein Verhalten zu erkennen gegeben, daß es ihm nur noch darum gehe, der Beklagten zu schaden. Dies manifestiere sich nicht zuletzt in den maßlosen Forderungen, die darin gipfelten, mit der Klageschrift vom 16. Januar 1978 von der Beklagten 407.970,95 DM zu verlangen.
Der Sachvortrag der Beklagten genügt nicht den Anforderungen, die an die Begründetheit eines vom Arbeitgeber hilfsweise gestellten Auflösungsantrages zu stellen sind.
aa) Schlagwortartige Formulierungen reichen zur Begründung eines arbeitgeberseitigen Auflösungsantrages nicht aus. Zur Schlüssigkeit eines derartigen Auflösungsantrages gehört der Vortrag von greifbaren Tatsachen, die so beschaffen sein müssen, daß sie eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen (BAG Urteil vom 30. September 1976 – 2 AZR 402/75 – BAG 28, 196, 200 = AP Nr. 3 zu § 9 KSchG 1969, zu 3b der Gründe). Als derartige Gründe können zwar auch Umstände geeignet sein, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen (vgl. Urteil des Senats vom 26. Oktober 1979 – 7 AZR 752/77 = AP Nr. 5 zu § 9 KSchG 1969, zu A II 2b der Gründe; BAG 9, 131, 133 = AP Nr. 7 zu § 7 KSchG, zu II 1 der Gründe). Jedoch muß der Arbeitgeber darlegen, welche der zur Kündigung vorgetragenen Tatsachen auch für den Auflösungsantrag herangezogen werden und aus welchem Grund diese einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (BAG Urteil vom 30. Juni 1983 – 2 AZR 524/81 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu B II 2 der Gründe; vgl. auch BAG Urteil vom 25. Januar 1979 – 2 AZR 259/77 – zu III 1 der Gründe, nicht veröffentlicht).
bb) Auflösungsgründe, die vom darlegungsbelasteten Arbeitgeber nicht vorgetragen worden sind, dürfen von dem Tatsachengericht nicht verwertet werden. Selbst offenkundige Tatsachen dürfen nicht berücksichtigt werden, wenn sich der darlegungsbelastete Arbeitgeber hierauf nicht zur Begründung seines Auflösungsantrages berufen hat (BAG Urteil vom 30. September 1976, a a O, zu 4 der Gründe; BAG Urteil vom 26. Oktober 1979, a a O, zu A II 2a der Gründe).
cc) Obwohl das Landesarbeitsgericht das Scheitern der Vertragsverhandlungen weder als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung noch als einen die (im Wege der Umdeutung anzunehmende) ordentliche Kündigung rechtfertigenden Grund i.S. des § 1 Abs. 2 KSchG angesehen hat, hat es – ohne entsprechenden Vortrag der Beklagten – aus dem Scheitern der Vertragsverhandlungen eine zwangsläufige Belastung des persönlichen Verhältnisses zwischen dem Kläger und dem geschäftsführenden Komplementär der Beklagten gefolgert, die eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit der Parteien ausschließe. Damit hat das Landesarbeitsgericht, worauf die Revision zu Recht hinweist, den im Verfahren vor den Arbeitsgerichten geltenden Verhandlungsgrundsatz verletzt. Darüber hinaus hat es auch den Umfang der dem Arbeitgeber obliegenden Darlegungslast verkannt. Die Beklagte hat keine negative Prognose für die zukünftige Zusammenarbeit der Parteien anhand von greifbaren Tatsachen aufgestellt. Die angeblich negativen Auswirkungen des Scheiterns der Vertragsverhandlungen auf das persönliche Verhältnis des Klägers mit dem Komplementär der Beklagten beruhen auf eigenständig gezogenen Folgerungen des Landesarbeitsgerichts und sind daher wegen der hierin liegenden Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes auch für das Revisionsgericht unbeachtlich (BAG Urteil vom 16. März 1972 – 5 AZR 435/71 – AP Nr. 1 zu § 542 ZPO, zu 3 der Gründe; Stein/Jonas, ZPO, 19. Aufl., Anm. VII 1a vor § 128 ZPO). Bei Nichtberücksichtigung der vom Landesarbeitsgericht unter Verstoß gegen den Verhandlungsgrundsatz gezogenen Schlußfolgerungen tatsächlicher Art fehlt es bislang an einem schlüssigen Tatsachenvortrag der Beklagten für den von ihr hilfsweise gestellten Auflösungsantrag. Der Hinweis auf die gescheiterten Vertragsverhandlungen ist viel zu pauschal, da er in keiner Weise erkennen läßt, weshalb dieser Umstand einer gedeihlichen Zusammenarbeit in Zukunft entgegenstehen soll. Der Vorwurf der Beklagten, dem Kläger gehe es nur noch darum, der Beklagten zu schaden, ist ein pauschales Werturteil. Die von der Beklagten beanstandeten “maßlosen Forderungen” betreffen die vom Kläger gerichtlich geltend gemachten Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug. Ihre Geltendmachung ist wegen Wahrnehmung von berechtigten Interessen gerechtfertigt (vgl. KR-Becker, § 9 KSchG Rz 56). Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, welches Verhalten des Klägers in den parallel geführten Prozessen das Arbeitsverhältnis derart belasten könnte, daß eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten sei.
dd) Da das Landesarbeitsgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Standpunkt hinsichtlich des Umfanges der dem Arbeitgeber obliegenden Darlegungslast ausgegangen ist, muß der Beklagten Gelegenheit zu neuem Tatsachenvortrag gegeben werden. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung zulässigerweise gerügt, bei einem entsprechenden richterlichen Hinweis durch das Landesarbeitsgericht gemäß § 139 ZPO hätte er sich zur Begründung des Auflösungsantrages nicht nur auf das Scheitern der Vertragsverhandlungen, sondern auf alle anderen Kündigungsgründe berufen. Als bislang obsiegende Partei konnte die Beklagte diese Rüge noch nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist geltend machen (vgl. BAG 17, 236, 238 = AP Nr. 2 zu § 276 BGB Vertragsbruch; BAG Urteil vom 9. September 1965 – 5 AZR 155/65 – AP Nr. 3 zu § 611 BGB Akkordkolonne; BGH LM Nr. 2 zu § 1750 BGB).
Über den Auflösungsantrag der Beklagten kann daher durch das Revisionsgericht nicht abschließend entschieden werden. Hierzu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und ihrer Würdigung durch das Berufungsgericht. Hierzu gehört auch die bislang noch nicht in tatsächlicher Hinsicht aufgeklärte Frage, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung leitender Angestellter i.S. des § 14 Abs. 2 KSchG gewesen ist. Die Sache mußte deshalb insoweit zurückverwiesen werden.
II. Entgegen der Auffassung der Revision bestand kein Anlaß, das Verfahren gemäß Art. 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 9 Abs. 2 KSchG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 KSchG steht nach der Ansicht des Senats mit dem Grundgesetz im Einklang.
1. Die Revision ist der Ansicht, die in § 9 Abs. 2 KSchG enthaltene Regelung, nach der das Gericht für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen hat, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte, verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG. Mit einer rückwirkenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses würden unterschiedliche Sachverhalte gleich und gleiche Sachverhalte unterschiedlich behandelt, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt ein Auflösungstatbestand entstehe bzw. geltend gemacht werde. Außerdem würden bei langjährigen Rechtsstreitigkeiten mit einer rückwirkenden Auflösung eines Arbeitsverhältnisses die dem Arbeitnehmer nach § 615 BGB zustehenden Vergütungsansprüche entzogen. Hierdurch werde gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verstoßen. Hieran ändere auch nichts der Umstand, daß die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung (§§ 9, 10 KSchG) zu erfolgen habe. Wegen der Begrenzung der Abfindungshöhe auf 12, 15 oder 18 Monatsverdienste bleibe der Abfindungsbetrag unter Umständen weit hinter den bis zum Zeitpunkt des Entstehens des Auflösungsgrundes begründeten Vergütungsansprüchen zurück.
2. Entgegen der Ansicht der Revision wird der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch die Vorschrift des § 9 Abs. 2 KSchG nicht verletzt.
Der Gleichheitssatz enthält für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfGE 3, 58, 135; 9, 237, 244; 18, 38, 46; 37, 104, 114; 38, 241, 257; 42, 64, 72). Er ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund nicht finden läßt, d. h. wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß (vgl. BVerfGE 1, 14, 52; 20, 31, 33; 25, 101, 105; 32, 346, 360; 40, 109, 115 f.).
Entgegen der Ansicht der Revision führt § 9 Abs. 2 KSchG nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von gleichen Sachverhalten. Die Festlegung eines einheitlichen Auflösungszeitpunktes in Gestalt der Anknüpfung an den Ablauf der Kündigungsfrist stellt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar. Der Gesetzgeber nimmt mit dieser Regelung keine Gleichsetzung von sozial gerechtfertigt gekündigtem und nach § 9 KSchG trotz sozialwidriger Kündigung aufgelöstem Arbeitsverhältnis vor (vgl. KR-Becker, 2. Auf1., § 9 KSchG Rz 13 a; Boewer, DB 1982, 751, 754; a.A. Bleckmann/Coen, DB 1981, 640, 641). Es liegen keine vergleichbaren Sachverhalte vor, da die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers nur bei Vorliegen entsprechender Auflösungstatsachen erfolgen darf, die so beschaffen sein müssen, daß in Zukunft nicht mit einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit zu rechnen ist. Durch das Erfordernis von zusätzlichen, d. h. in erster Linie zukunftsorientierten gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen unterscheiden sich die kündigungsrechtlichen Sachverhalte, bei denen aufgrund einer durch entsprechende Tatsachen begründeten negativen Zukunftsprognose Auflösungsgründe für das Arbeitsverhältnis vorliegen, von solchen kündigungsrechtlichen Sachverhalten, bei denen mangels entsprechender Tatsachen die Zukunftsprognose zugunsten der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausfällt. Die Nicht-Gleichsetzung von sozial ungerechtfertigt gekündigtem Arbeitsverhältnis ohne Auflösungsgründe mit einem sozial ungerechtfertigt gekündigten Arbeitsverhältnis mit Auflösungsgründen stellt einen vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden Grund für die vom Gesetzgeber getroffene gesetzliche Differenzierung dar. Dabei verkennt der Senat nicht, daß Auflösungstatsachen zu unterschiedlichen Zeitpunkten (z.B. noch während der Kündigungsfrist oder erst nach mehrjähriger Prozeßdauer) entstehen und in den Kündigungsschutzprozeß eingeführt werden können. Eine differenzierte Festlegung des Auflösungszeitpunktes unter Anknüpfung an den Zeitpunkt des Entstehens von Auflösungstatsachen würde dazu führen, daß die Parteien durch die Art und Weise der Prozeßführung (z.B. durch Beleidigungen gegenüber der anderen Arbeitsvertragspartei) auf den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses und damit auf die Höhe der gemäß § 615 BGB zu zahlenden Vergütungsansprüche Einfluß nehmen könnten. Die gesetzliche Regelung trägt diesen Bedenken Rechnung und berücksichtigt dabei die das Kündigungsschutzrecht beherrschenden Prinzipien der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.
Durch den in § 9 Abs. 2 KSchG festgelegten Auflösungszeitpunkt werden dem Arbeitnehmer auch nicht in einer den Gleichheitssatz verletzenden Art und Weise begründete Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug (§ 615 BGB) entzogen. Es stellt eine durch sachliche Gründe gerechtfertigte Differenzierung dar, wenn der Gesetzgeber in den Fällen, in denen Auflösungstatsachen der Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses entgegenstehen, dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf angemessene Abfindung innerhalb der in § 10 KSchG festgelegten Höchstgrenzen gewährt. Der Umstand, daß bei längerer Prozeßdauer Auflösungstatsachen erst zu einem sehr späten Zeitpunkt entstehen können mit der Folge, daß der Arbeitnehmer nur eine weit unter dem bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu zahlenden Verzugslohn liegende Abfindung erhält, stellt eine vom Gesetzgeber in Kauf genommene Folge einer an vernünftigen Sachgründen (Einheitlichkeit des Auflösungszeitpunktes, Ausschluß von Manipulationsmöglichkeiten der Parteien auf den Auflösungszeitpunkt) orientierten Entscheidung dar (vgl. hierzu auch das zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmte Urteil des Zweiten Senats vom 25. November 1982 – 2 AZR 21/81 – unter B I 2b der Gründe). Durch Billigkeitserwägungen beim Auflösungszeitpunkt könnte zwar der Einzelfallgerechtigkeit in den Fällen der vorbezeichneten Art eher Rechnung getragen werden. Wenn der Gesetzgeber demgegenüber aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit einen einheitlichen Auflösungszeitpunkt in § 9 Abs. 2 KSchG festgelegt hat, so liegt dies innerhalb seiner Gestaltungsfreiheit. Da die zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigenden Sachverhaltskonstellationen sowohl in zeitlicher als auch in gegenständlicher Hinsicht unterschiedlich gestaltet sind, hat der Gesetzgeber auch unter Beachtung des Gleichheitssatzes eine weitgehende auch unter Beachtung des Gleichheitssatzes eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, vielfältige Lebensverhältnisse durch eine einheitliche und daher notwendig gewisse tatsächliche Verschiedenheiten vernachlässigende Regelung zu gestalten (BVerfGE 3, 135; 3, 337, 4, 18). Ob ein anderer Auflösungszeitpunkt (z.B. Rechtskraft des Gestaltungsurteils) zweckmäßiger wäre, hat der Senat nicht zu entscheiden. Bei dem zuletzt genannten Auflösungszeitpunkt wäre die Höhe des Verzugslohnes von der Zufälligkeit der Prozeßdauer abhängig (vgl. KR-Becker, 2. Aufl., § 9 Rz 13 a). Bei Beachtung der mit anderen möglichen gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten verbundenen nachteiligen Folgen kann es jedenfalls nicht als willkürlich angesehen werden, wenn der Gesetzgeber in § 9 Abs. 2 KSchG den Auflösungszeitpunkt einheitlich auf den Ablauf der Kündigungsfrist festgelegt hat.
3. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 KSchG verstößt auch nicht gegen die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie (Art. 14 GG).
Art. 14 GG schützt alle Vermögenswerten Rechtspositionen jedenfalls des Privatrechts in der Hand des Rechtssubjekts vor ungerechtfertigten Eingriffen der öffentlichen Gewalt. Bloße Interessen, Chancen und Verdienstmöglichkeiten werden dagegen durch Art. 14 GG nicht geschützt (BVerfGE 28, 119, 142; 30, 292, 334 f.; Maunz/Düring/Papier, GG, Stand: September 1983, Art. 14 Rz 57, 150; Schmidt/Bleibtreu/Klein, GG, 6. Aufl., Art. 14 Rz 3).
Entgegen der Ansicht von Bleckmann/Coen (a a O, S. 641) genießen die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug (§ 615 BGB) für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 9 KSchG über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Richterspruch auf Antrag des Arbeitgebers nicht den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz. Das Kündigungsschutzgesetz gewährt dem Arbeitnehmer in den Fällen der Sozialwidrigkeit einer Kündigung nur dann einen Bestandsschutz mit den sich hieran anknüpfenden vergütungsrechtlichen Folgen (vgl. §§ 11, 12 KSchG), wenn keine Auflösungstatsachen i.S. von § 9 Abs. 1 KSchG vorliegen. Bei Vorliegen von Auflösungstatsachen gewährt es dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf angemessene Abfindung (§ 9 Abs. 1, § 10 KSchG). Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 KSchG kann daher nicht, da sie Bestandteil einer kündigungsschutzrechtlichen Gesamtregelung mit gegewährendem Charakter ist, als Enteignung i.S. des Art. 14 Abs. 3 GG angesehen werden (so aber Bleckmann/Coen, a a O, S. 641; a. A. KR-Becker, a a O, § 9 Rz 13 a; Boewer, a a O, S. 753). Ansprüche des Arbeitnehmers auf Verzugslohn werden in den Fällen einer sozialwidrigen Kündigung erst dann zu verfassungsrechtlich geschützten Vermögenspositionen, wenn das Gericht einen allein vom Arbeitgeber gestellten Auflösungsantrag mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen rechtskräftig zurückweist. Die in den §§ 9, 10 KSchG enthaltene Regelung geht über die den Annahmeverzug des Arbeitgebers regelnde Vorschrift hinaus, indem sie dem Arbeitnehmer trotz Vorliegens von Auflösungstatsachen gleichwohl einen Anspruch auf angemessene Abfindung einräumt. Ebenso wie der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses zunächst in der Schwebe ist, sind auch die von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängigen Vergütungsansprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen vom Arbeitgeber gestellten Auflösungsantrag zunächst ungewiß. Dem Arbeitnehmer werden durch ein auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers hin ergehendes Gestaltungsurteil keine verfassungsrechtlich geschützten Vermögenspositionen entzogen. Die mit der Regelung des § 9 Abs. 2 KSchG verbundene vergütungsrechtliche Folge eines Ausschlusses von Verzugslohn für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist stellt klar, daß wegen der zur Auflösung berechtigenden Umstände keine Verzugsfolgen i.S. des § 615 BGB eintreten. Da dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, bleibt es ihm vorbehalten, mit der Gewährung eines Bestandsschutzes zugleich dessen Einschränkungen in vergütungsrechtlicher Hinsicht zu regeln. Wenn sich der Gesetzgeber bei besonderen Fallkonstellationen dazu entschlossen hat, anstelle eines Bestandsschutzes einen (an bestimmten Höchstgrenzen orientierten) Abfindungsschutz zu gewähren, so kann dieser Akt der gewährenden Rechtssetzung nicht als enteignender Eingriff i.S. von Art. 14 Abs. 3 GG gewertet werden.
4. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 KSchG verstößt auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
Das Rechtsstaatsprinzip enthält nicht für jeden Sachverhalt in allen Einzelheiten eindeutig bestimmte Gebote oder Verbote von Verfassungsrang, sondern ist ein Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, wobei allerdings fundamentale Elemente des Rechtsstaates und die Rechtsstaatlichkeit im ganzen gewahrt bleiben müssen (BVerfGE 7, 89, 92; 25, 269, 290; 35, 41, 47; 45, 187, 246; 53, 115, 127). Im Rechtsstaatsprinzip sind die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verfassungsmäßig verankert (BVerfGE 30, 392, 403; 50, 244, 250; 59, 128, 164). Zur Rechtsstaatlichkeit gehört nicht nur die materiale Gerechtigkeit, sondern auch die Rechtssicherheit (BVerfGE 7, 89, 92; 22, 322, 329; 35, 41, 47; 49, 148, 164).
Mit der Festlegung eines einheitlichen Auflösungszeitpunktes in den Fällen einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung hat der Gesetzgeber den das Kündigungsschutzrecht beherrschenden Prinzipien der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit den Vorrang eingeräumt. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 KSchG verstößt auch nicht gegen die vom Rechtsstaatprinzip umfaßten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes (ebenso Boewer, a a O, S. 751). Die gegenteilige Ansicht von Bleckmann/Coen (a a O, S. 642) geht auch in diesem Zusammenhang von der abzulehnenden Voraussetzung aus, daß dem Arbeitnehmer bereits zum Zeitpunkt des Gestaltungsurteils ein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch auf Verzugslohn zustehe. Die von Bleckmann/Coen (a a O) befürwortete Anknüpfung der Gestaltungswirkung an die formelle Rechtskraft des Urteils ergibt sich nicht aus den geboten des Rechtsstaatsprinzips, zumal gegen eine derartige Regelung wegen der damit verbundenen Einflußmöglichkeiten der Parteien auf die Prozeßdauer verfassungsrechtliche Bedenken aus Art. 3 Abs. 1 GG bestehen.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Dr. Becker, Gossen, Bea
Fundstellen
Haufe-Index 2628971 |
BAGE, 42 |
NJW 1985, 991 |
JR 1986, 220 |