Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Betriebsübergang. Konzern. Betriebsbedingte Kündigung wegen Streichung der Positionen beider Verkaufsleiter in einem Einzelhandelsunternehmen (Beklagte zu 1) mit ursprünglich rund 150 Verbrauchermärkten und knapp 3000 Arbeitnehmern. Erwerb der Unternehmensanteile durch die Gesellschaft eines fremden Konzerns („share-deal”) mit nach und nach folgenden Teilbetriebsübergängen von Personalabteilung und Rechnungswesen auf die Obergesellschaft des fremden Konzerns, von knapp einem Drittel der Verbrauchermärkte auf eine Konzerngesellschaft (Beklagte zu 2), von etwa einem weiteren Drittel der Verbrauchermärkte auf selbständige Einzelhändler und sukzessiver Stillegung der restlichen Verbrauchermärkte. Frage, ob dies als Gesamtvorgang einen Betriebsübergang auf den Konzern als ganzen im Sinne des § 613a BGB darstellt mit der Folge, daß auch die nicht den einzelnen Betriebsteilen zuzuordnenden Arbeitsverhältnisse übergehen. Anhörung des Betriebsrates
Orientierungssatz
1. Für die Annahme eines Kündigungsverbots nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB ist es nicht ausreichend, wenn einem vom Übergang anderer Betriebsteile nicht betroffenen Arbeitnehmer deshalb gekündigt wird, weil durch den Übergang der anderen Betriebsteile – denen der Gekündigte nicht angehört – der Beschäftigungsbedarf für ihn zurückgeht oder entfällt.
2. Die Anwendung des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB kommt daher dann nicht in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis des Gekündigten von etwaigen Betriebsübergängen nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfaßt würde.
3. Wenn nicht der gesamte Betrieb, sondern, wie hier, nur ein Betriebsteil übernommen wird, muß der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil angehören, damit sein Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB auf den Erwerber übergeht. Es genügt hierfür nicht, daß der Arbeitnehmer, ohne dem übertragenen Betriebsteil anzugehören, als Beschäftigter einer nicht übertragenen Abteilung Tätigkeiten für den übertragenen Betriebsteil verrichtete.
4. Wird eine ursprünglich zentralistisch geführte wirtschaftliche Einheit aufgelöst und werden die einzelnen unterschiedlich großen Elemente zum Teil verkauft, stillgelegt oder in eine Konzernorganisation eingepaßt, so liegt darin kein einheitlicher Betriebsübergang. Das gilt auch dann, wenn der Vorgang gemäß einem Plan verläuft. Auch die geplante Zerschlagung einer Einheit führt zur Auflösung der Einheit.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 4; KSchG § 1; BetrVG § 102
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 13. Februar 2002 – 8 Sa 102/01 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine ordentliche, auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung der Beklagten zu 1). Außerdem verlangt der Kläger, von der Beklagten zu 2) als Verkaufsleiter beschäftigt zu werden.
Der 1947 geborene, verheiratete Kläger trat im Jahre 1964 in die Dienste der Beklagten zu 1). Er war zuletzt als Verkaufsleiter bei einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 12.200,00 DM beschäftigt.
Die Beklagte zu 1) ist ein Einzelhandelsunternehmen. Sie betrieb Anfang 1998 noch 152 Verbrauchermärkte und beschäftigte insgesamt etwa 3.000 Arbeitnehmer. Am 1. Februar 1998 erwarb die I OHG (if.: I) von den bisherigen Anteilsinhabern die Geschäftsanteile an der Beklagten zu 1) durch einen sogenannten „share-deal”. Die I ist eine Tochtergesellschaft der S H AG (if.: AG), die zugleich Obergesellschaft des S-Konzerns (if.: Konzern) ist. Am 1. August 1998 übernahm die AG den Betriebsteil „kaufmännische Verwaltung” der Beklagten zu 1) mit etwa 80 Arbeitnehmern. Der Vertrieb, zu dem der Kläger gehörte, blieb bei der Beklagten zu 1). Von den Verbrauchermärkten wurden in der Folgezeit 63 (mit etwa 600 Arbeitnehmern) stillgelegt und 41 (etwa 680 Arbeitnehmer) an mit dem Konzern eng zusammenarbeitende, jedoch rechtlich selbständige Einzelhändler verkauft. Von den übrigen Verbrauchermärkten waren 25 (mit etwa 720 Arbeitnehmern) bereits im Herbst 1998 in die Vertriebsschiene der Beklagten zu 2) gewechselt. Die Beklagte zu 2) war seinerzeit eine offene Handelsgesellschaft, an der die AG und eine weitere Konzerngesellschaft – diese geschäftsführend – beteiligt waren. Die Beklagte zu 1) blieb zunächst Arbeitgeberin der in die Vertriebsschiene der Beklagten zu 2) gewechselten Arbeitnehmer. Im April 2000 übernahm die Beklagte zu 2) die betreffenden 25 Märkte endgültig. Die bis zum Jahre 2001 noch bei der Beklagten zu 1) verbliebenen 17 Märkte (etwa 370 Arbeitnehmer) übernahm die Beklagte zu 2) im Juni 2001.
Im Mai 1998 hatte die Beklagte zu 1) mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich geschlossen, in dem für die Zeit von 1998 bis 2001 Personalkostenreduzierungen durch Mitarbeiterabbau, Umstrukturierungen, Arbeitszeitveränderung, Rationalisierung, Schließung von Betrieben/Betriebsteilen und/oder Standortabgaben vorgesehen sind. Zugleich wurde ein Sozialplan abgeschlossen.
Ende 1999 kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Dezember 2000, weil sie die organisatorische Entscheidung getroffen habe, die Funktionen der Verkaufsleiter zu streichen. Die Kündigung wurde vom Arbeitsgericht Hamburg für unwirksam erklärt, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden war.
Am 22. Dezember 2000 kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis mit dem seit Anfang 2000 durchgehend von der Arbeit freigestellten Kläger zum 31. Dezember 2001. Der zuvor angehörte Betriebsrat hatte der Kündigungsabsicht widersprochen.
Der Kläger macht geltend, die Kündigung sei nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Die hier vorliegende gezielte und von der AG gesteuerte Integration der Beklagten zu 1) in die Struktur des S-Konzerns müsse als Gesamtvorgang im Sinne eines Betriebsübergangs auf den Konzern bzw. den „Bereich S” bewertet werden. So sei der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) zugleich Vertriebsleiter im Bereich des sogenannten selbständigen Einzelhandels, der Personalleiter der Beklagten zu 1) sei Angestellter der AG und ab August 1998 hätten sämtliche Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) ihre Gehaltsabrechnungen von der AG bekommen. Die Kündigung sei auch sozialwidrig. Die Beklagte zu 1) habe nicht hinreichend dargelegt, daß der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen sei. Jedenfalls eine Teilzeitbeschäftigung sei noch möglich gewesen. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte zu 2) – gegen die der Kläger sich erstmals mit der Berufung wandte – müsse ihn weiter beschäftigen, da sie einen großen Teil der früher von ihm betreuten Einkaufsmärkte übernommen habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben vom 22. Dezember 2000 zum 31. Dezember 2001 ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden ist;
- die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihn nach Ablauf der Kündigungsfrist zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Verkaufsleiter weiterzubeschäftigen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Kündigung sei nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Zwar habe es im Zusammenhang mit der Restrukturierung seit 1998 eine Reihe von Betriebsübergängen gegeben. Der Kläger habe jedoch keinem der übergegangenen Betriebsteile angehört. Die vom Kläger befürwortete Rechtsfigur eines Betriebsübergangs in einen Konzern oder in den Bereich einer Unternehmensgruppe gebe es nicht. Die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Schon Anfang Dezember 1999 habe der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) die organisatorische Entscheidung getroffen, die Verkaufsleiterstellen wegfallen zu lassen. Diese Entscheidung habe er im Oktober 2000 bestätigt. Für die damals noch bei der Beklagten zu 1) verbliebenen Verbrauchermärkte habe der Geschäftsführer die restlichen Verkaufsleiteraufgaben unschwer erledigen können. Ein freier Arbeitsplatz sei nicht vorhanden. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Insbesondere habe die Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der Unterrichtung des Betriebsrates noch nicht gewußt, daß Mitte 2001 auch die bis dahin noch bei der Beklagten zu 1) verbliebenen Filialen an die Beklagte zu 2) verkauft würden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Vernehmung des Zeugen B über die Betriebsratsanhörung die Berufung des Klägers einschließlich des erstmals im Berufungsverfahren gestellten Beschäftigungsantrags gegen die Beklagte zu 2) zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klagebegehren weiter. Während des Revisionsverfahrens ist die vormals geschäftsführende persönlich haftende Gesellschafterin aus der Beklagten zu 2) ausgeschieden. Ihre Anteile sind der AG als einzig verbliebener persönlich haftender Gesellschafterin angewachsen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Kündigung sei nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Weder sei das Arbeitsverhältnis von einem der einzelnen Betriebsübergänge erfaßt worden, noch lasse sich die gesamte Umstrukturierung als ein einheitlicher Betriebsübergang auffassen. Die ursprüngliche wirtschaftliche Einheit sei in ihrer Identität nicht gewahrt, sondern zergliedert und atomisiert worden. Die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt. Im Zeitpunkt der Kündigung habe festgestanden, daß es die Stelle eines Verkaufsleiters auf Grund unternehmerischer Entscheidung der Beklagten zu 1) ab Januar 2001 nicht mehr geben würde. Daß im Jahre 2001 noch Verkaufsleiteraufgaben in einem die Weiterbeschäftigung des Klägers rechtfertigenden Umfang angefallen wären, sei nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Durch die Vernehmung des Zeugen B sei bewiesen, daß die Beklagte im Dezember 2000 noch nicht geplant habe, die restlichen 17 Filialen an die Beklagte zu 2) zu verkaufen.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung.
I. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Kündigung vom 22. Dezember 2000 hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst.
1. Die Kündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam.
a) Sie ist nicht, wie § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB verlangt, „wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils” ausgesprochen worden. § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB will verhindern, daß die in § 613a Abs. 1 BGB angeordnete Rechtsfolge des Betriebsübergangs, nämlich der Übergang des Arbeitsverhältnisses, durch Ausspruch einer Kündigung umgangen wird (KR-Pfeiffer 6. Aufl. § 613a BGB Rn. 177). Die Voraussetzungen der Norm sind erfüllt, wenn das Arbeitsverhältnis des gekündigten Arbeitnehmers von dem Übergang erfaßt wird oder würde und die überwiegende Ursache der Kündigung bildet. Der Betriebsübergang muß der Beweggrund für die Kündigung gewesen sein (st. Rspr., vgl. nur BAG 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 – BAGE 87, 115). Nach der für die Auslegung des § 613a BGB maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. nur 11. März 1997 – Rs C-13/95 – EuGHE I, 1997, 1259 = DB 1997, 628 f., Ayse Süzen/Zehnacker Gebäudereinigung), der das Bundesarbeitsgericht für § 613a BGB in mittlerweile ständiger Rechtsprechung (seit 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96 – BAGE 86, 20) folgt, setzt ein Betriebsübergang die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich danach auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche, den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit.
b) Die Anwendung dieser Grundsätze erweist, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht von einem Betriebsübergang betroffen war.
aa) Unstreitig haben im Zuge der Restrukturierung der Beklagten Betriebsübergänge oder Teilbetriebsübergänge bei der Übertragung einzelner Fachmärkte auf Einzelhändler stattgefunden. Ebenso mag die kaufmännische Verwaltung als Betriebsteil auf die AG übergegangen sein. Der Kläger hat aber selbst nicht geltend gemacht, daß sein Arbeitsverhältnis von diesen Übergängen betroffen gewesen wäre. Für die Annahme eines Kündigungsverbots nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB ist es nicht ausreichend, wenn einem vom Übergang anderer Betriebsteile nicht betroffenen Arbeitnehmer deshalb gekündigt wird, weil durch den Übergang der anderen Betriebsteile – denen der Gekündigte nicht angehört – der Beschäftigungsbedarf für ihn zurückgeht oder entfällt. § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB dient dem Schutz des Arbeitnehmers gegen die Umgehung der in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB angeordneten Rechtsfolge. Diese Rechtsfolge soll nicht durch vorherige, gleichzeitige oder nachträgliche Kündigung zunichte gemacht werden. Eine solche Umgehung und damit auch die Anwendung des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB kommt daher dann nicht in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis des Gekündigten von etwaigen Betriebsübergängen nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfaßt würde.
bb) Ebensowenig wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers von der Übertragung von zunächst 25 und im Jahre 2001 weiteren 17 Fachmärkten auf die Beklagte zu 2) erfaßt.
(1) Wenn nicht der gesamte Betrieb, sondern, wie hier, nur ein Betriebsteil übernommen wird, muß der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil angehören, damit sein Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB auf den Erwerber übergeht. Es genügt hierfür nicht, daß der Arbeitnehmer, ohne dem übertragenen Betriebsteil anzugehören, als Beschäftigter einer nicht übertragenen Abteilung Tätigkeiten für den übertragenen Betriebsteil verrichtete (vgl. EuGH 7. Februar 1985 – Rs 186/83 – Slg. 1985, 519, 528; 12. November 1992 – Rs C-20/92 – AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 5; BAG 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – BAGE 87, 120; ebenso: KR-Pfeiffer 6. Aufl. § 613a BGB Rn. 105; Kittner/Däubler/Zwanziger-Zwanziger KSchR 5. Aufl. § 613a BGB Rn. 45).
(2) Der Kläger gehörte nicht zu einem einzelnen Verbrauchermarkt, ebenso wenig zu einem bestimmten Teil der Märkte. Seine Tätigkeit als Verkaufsleiter bezog sich auf die Gesamtheit der Verbrauchermärkte. Er stand außerhalb der Hierarchien und Betriebsabläufe der einzelnen Märkte. Seine Funktion entfiel nicht mit der Schließung oder der Abgabe einzelner Märkte, auch wenn sich die Arbeitsmenge verringerte. Das zeigt sich am deutlichsten daran, daß es einer organisatorischen Entscheidung der Beklagten zu 1) bedurfte, um die Funktionen der Verkaufsleiter zu streichen. Die Funktion des Klägers läßt sich – wie etwa die des Leiters von Finanz- und Rechnungswesen in einem Unternehmen mit unterschiedlichen operativen Tätigkeitsbereichen (vgl. BAG 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – BAGE 87, 120) – als Stabsstelle bezeichnen, die Bedeutung für nahezu alle anderen Teilbereiche des Unternehmens hatte, ohne ihnen doch anzugehören. Entscheidend ist, welche Einheit der Betriebsnachfolger im Interesse des eigenen Markterfolges erwirbt (Kittner/Däubler/Zwanziger-Zwanziger KSchR 5. Aufl. § 613a BGB Rn. 45). Der Kläger trägt selbst nicht vor, daß es der Beklagten zu 2) darum gegangen wäre, zusätzlich zu den Märkten eine den Verkauf aller Märkte steuernde übergeordnete Organisation zu erwerben, wie sie bei der Beklagten zu 1) vorhanden war und der der Kläger angehörte.
cc) Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist auch nicht von einem, wie die Revision aber meint, Betriebsübergang in den „Bereich S” oder in den „S-Konzern” erfaßt worden.
Die ursprünglich bei der Beklagten zu 1) bestehende wirtschaftliche Einheit ist nicht erhalten geblieben, sondern, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, aufgelöst worden. So wurde im August 1998 der Betriebsteil „kaufmännische Verwaltung” der Beklagten zu 1) mit etwa 80 Arbeitnehmern auf die AG übertragen, während der Vertrieb, zu dem der Kläger gehörte, bei der Beklagten zu 1) verblieb, die ihn damals auch noch benötigte. Von den Verbrauchermärkten wurde in der Folgezeit über ein Drittel mit etwa einem Fünftel der Arbeitnehmer vollständig stillgelegt. Weitere 41 Märkte (mit einem weiteren Fünftel der Arbeitnehmer) wurden an rechtlich selbständige Einzelhändler verkauft. Selbst wenn man ihre Verbundenheit mit dem Konzern in Rechnung stellt, so änderte sich doch die Organisationsform maßgeblich, indem diese Verbrauchermärkte aus dem durch arbeitsrechtliches Direktionsrecht abgesicherten Funktionszusammenhang gelöst wurden. Von den übrigen Verbrauchermärkten waren 25 (mit etwa 720 Arbeitnehmern) bereits im Herbst 1998 in die Vertriebsschiene der Beklagten zu 2) gewechselt, während die Beklagte zu 1) zunächst Arbeitgeberin blieb. Erst im Jahre 2001 wechselten dann die restlichen 17 Märkte zur Beklagten zu 2). Damit war aus der ursprünglich bei der Beklagten zu 1) angesiedelten, zentralistisch geführten wirtschaftlichen Einheit eine überwiegend dezentral organisierte Vielfalt geworden, soweit nicht erhebliche Teile der früheren Einheit ersatzlos entfielen. Der „S-Konzern” oder „der Bereich S” führt nicht die wirtschaftliche Einheit fort, sondern er hat sie in unterschiedlich große Elemente zerlegt und in seinem Interesse entweder verkauft, stillgelegt oder in die Konzernorganisation eingepaßt. Ob dies von langer Hand geplant war, wie die Revision geltend macht, oder sich nach und nach ergab, kann dahinstehen. Auch die geplante Zerschlagung einer Einheit führt zur Auflösung der Einheit.
2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt, verletzt entgegen der Auffassung der Revision nicht § 1 Abs. 2 KSchG.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. ua. 7. Dezember 1978 – 2 AZR 155/77 – BAGE 31, 157; 20. Februar 1986 – 2 AZR 212/85 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 11 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37; 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61; 17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99 – BAGE 92, 71) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie zB Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (zB Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Inner- und außerbetriebliche Umstände begründen ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muß der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken (BAG 24. Oktober 1979 – 2 AZR 940/77 – BAGE 32, 150). Ist eine derartige unternehmerische Entscheidung getroffen worden, so ist sie nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99 – BAGE 92, 71). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige des Kündigungszugangs (BAG 12. April 2002 – 2 AZR 256/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118; KR-Etzel 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 550; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 406). Grundsätzlich muß zu diesem Zeitpunkt der Kündigungsgrund – Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit – vorliegen. In Fällen, in denen zwar bei Zugang der Kündigung noch die Möglichkeit der Beschäftigung besteht, aber die für den künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses maßgeblichen Entscheidungen bereits getroffen sind, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin voraussichtlich entbehrt werden kann (BAG 12. April 2002 – 2 AZR 256/01 – aaO).
b) Die Voraussetzungen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses zur Kündigung liegen danach vor. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die Beklagte die Organisationsentscheidung getroffen und durchgeführt, die Stellen der Verkaufsleiter ab Januar 2001 fortfallen zu lassen und nicht erneut zu besetzen. Daß diese Entscheidung getroffen wurde, hat der Kläger auch nicht bestritten. Eine Beschäftigungsmöglichkeit war damit für den seit Anfang 2000 freigestellten Kläger ab Januar 2001, jedenfalls aber bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr vorhanden. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, das Landesarbeitsgericht habe nicht geprüft, ob die von der Beklagten für ihre Entscheidung genannten Gründe vorlägen und die Verkaufsleiteraufgaben tatsächlich entfallen seien. Das Landesarbeitsgericht hat, ohne daß die Revision Verfahrensrügen erhoben hätte, festgestellt, daß die Beklagte zu 1) bereits seit Anfang 2001 keinen Verkaufsleiter mehr benötigte. Diese Feststellung wird bestätigt durch den unstreitigen Umstand, daß bei Ausspruch der Kündigung im Dezember 2000 bei der Beklagten nur noch 20 von ursprünglich 152 Fachmärkten vorhanden waren. Davon sollten überdies nach der damaligen Planung bis zum Jahresende 2001 weitere 9 geschlossen oder abgegeben werden. Damit war für das Jahresende 2001 absehbar, daß der Bestand an Einkaufsmärkten auf etwa 7 vH des Bestandes von 1998 gesunken war. Daß damit auch der Umfang der Verkaufsleitertätigkeiten massiv zurückging, wird von der Revision offenbar ebenso gesehen, wenn sie geltend macht, die Reduzierung des Verkaufspersonals auf 367 Beschäftigte habe möglicherweise zum Ergebnis gehabt, daß eine Teilbeschäftigung des Klägers möglich gewesen sei. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, daß die Resttätigkeiten keinen nennenswerten Umfang hatten, der die Beschäftigung eines Verkaufsleiters gerechtfertigt hätte, ist damit allerdings nicht gerügt und deshalb für den Senat bindend. Daß die von der Beklagten getroffene Organisationsentscheidung bei der gegebenen Sachlage nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich war, liegt auf der Hand.
3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist.
a) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Gründe mitzuteilen, die nach seiner Auffassung die Kündigung rechtfertigen (Senat 29. März 1984 – 2 AZR 429/83 (A) – BAGE 45, 277 = AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 31, mit Anm. von Hoyningen-Huene; siehe auch Bitter NZA Beilage 3/1991 S. 16 f., 20; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 488 ff.; KR-Etzel 6. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62). Es gilt der Grundsatz der sog. „subjektiven Determination”, demzufolge der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände so umschrieben hat, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen ihre Stichhaltigkeit prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig werden kann (BAG 6. Februar 1997 – 2 AZR 265/96 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 96; 15. November 1995 – 2 AZR 974/94 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89 jeweils mwN).
b) Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat sie ohne Rechtsfehler angewandt.
aa) Die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, daß die Beklagte zu 1) den Betriebsrat deshalb nicht richtig informiert habe, weil sie im Zeitpunkt der Anhörung bereits gewußt habe, daß die restlichen Filialen nicht mehr an selbständige Einzelhändler würden verkauft werden können und deshalb auch auf die Beklagte zu 2) übertragen würden. Indes hat das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme und ohne, daß der Kläger Verfahrensrügen erhoben hätte, für den Senat bindend festgestellt, daß diese Behauptung des Klägers widerlegt ist. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte die Beklagte ursprünglich lediglich 25 Märkte auf die Beklagte zu 2) übertragen wollen. Die übrigen, noch bei der Beklagten zu 1) verbliebenen Märkte sollten einzeln verkauft („privatisiert”) werden. Das war der Stand der Planung noch im Dezember 2000, als der Betriebsrat angehört wurde. Ob damals das Scheitern der Verkaufsbemühungen bereits objektiv absehbar war, kann dahinstehen. Jedenfalls war das Scheitern weder geplant noch rechnete die Beklagte damit.
bb) Soweit die Revision geltend macht, die Beklagte zu 1) habe den Betriebsrat nicht darüber unterrichtet, warum konkret das Arbeitsverhältnis des Klägers entfallen sollte, handelt es sich um ein erstmals in der Revisionsinstanz vorgetragenes und daher unzulässiges Bestreiten, das im übrigen urkundlich widerlegt ist. Ausweislich des Anhörungsschreibens, dessen Inhalt der Kläger nicht bestritten hat, wurde dem Betriebsrat mitgeteilt, daß nach damaliger Planung zum 31. Dezember 2001 nur noch elf Filialen vorhanden sein sollten und „aus diesem Grund” der Arbeitsplatz des Klägers entfalle.
II. Der gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Antrag des Klägers auf Beschäftigung als Verkaufsleiter ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 1) ist aufgelöst und nicht auf die Beklagte zu 2) übergegangen.
Unterschriften
Rost, Eylert, Schmitz-Scholemann, Beckerle, E. Kuemmel-Pleißner
Fundstellen
ARST 2004, 187 |
EWiR 2004, 745 |
SAE 2004, 158 |
ZIP 2004, 820 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 5 |
ZInsO 2004, 824 |
SPA 2004, 5 |