Leitsatz (amtlich)
- Eine vom Versicherungsnehmer in eigenem Namen genommene Versicherung gegen Unfälle eines Dritten gilt als Fremdversicherung zugunsten der Gefahrperson, wenn diese in den Versicherungsvertrag nicht schriftlich eingewilligt hat (im Anschluß an BGHZ 32, 44; Bestätigung von BAG 17, 114 = AP Nr. 28 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung).
- Steht im vorgenannten Falle der Abschluß des Versicherungsvertrages in Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis, so hat der Versicherungsnehmer die erhaltene Versicherungssumme in der Regel an die versicherte Gefahrperson herauszugeben.
Normenkette
VVG § 179; BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.04.1970; Aktenzeichen 3 Sa 10/70) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17. April 1970 – 3 Sa 10/70 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war früher im Unternehmen des Beklagten halbtags beschäftigt. Am 25. Oktober 1966 erlitt er einen Betriebsunfall, der von der Berufsgenossenschaft anerkannt wurde. Der Kläger erhält eine Unfallrente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 %. Gegen den Beklagten lief wegen des Unfalls ein Strafverfahren; er wurde jedoch rechtskräftig freigesprochen.
Aus einer von ihm auf eigene Rechnung abgeschlossenen privaten Gruppenunfallversicherung erhielt der Beklagte aus Anlaß des Unfalls des Klägers einen Betrag von 5.000,– DM ausgezahlt. Der Kläger erhob Anspruch auf Ausschüttung dieses Betrages an ihn. Nach anfänglichem Weigern bot der Beklagte mit einem Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten, des Rechtsanwalts Dr. H…, dem Kläger vergleichsweise einen Betrag von 5.000,– DM abzüglich der ihm entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 634,52 DM an. Das Angebot war in einem Schreiben vom 14. Februar 1969 enthalten, in dem betont wurde, daß das Angebot ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolge. Zur Erklärung über das Vergleichsangebot setzte der Beklagte eine Frist bis zum 1. März 1969.
Der Kläger nahm das Angebot nicht bis zum festgesetzten Termin an. Mit Schreiben vom 9. September 1969 erneuerte Rechtsanwalt Dr. H… im Namen des Beklagten das Angebot an die jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers.
Bei einem anschließenden Telefongespräch der beiderseitigen Bevollmächtigten regte Rechtsanwalt K… an, bei der Lebensversicherung zu versuchen, eine Abrechnung des Unfallschadens auf der Basis einer Minderung der Erwerbsunfähigkeit von 40 % zu erreichen. Von dem Inhalt der Unterredung unterrichtete Rechtsanwalt Dr. H… den Beklagten mit Schreiben vom 12. September 1969. Mit Schreiben seines Anwalts vom 17. September 1969 nahm der Kläger schließlich das Vergleichsangebot an.
Im vorliegenden Verfahren fordert der Kläger vom Beklagten die Zahlung der vergleichsweise angebotenen 4.365,48 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 21. Oktober 1969.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Seiner Auffassung nach ist es zu einer außergerichtlichen vergleichsweisen Regelung nicht gekommen, weil der Kläger das Angebot vom 9. September 1969, so wie es ihm vorgelegt worden sei, nicht angenommen und damit abgelehnt habe. Außerdem sei Rechtsanwalt Dr. H… im September 1969 nicht mehr ermächtigt gewesen, das Angebot vom 9. Februar 1969 zu wiederholen. Er, der Beklagte, habe Rechtsanwalt Dr. H… im Februar 1969 angewiesen, nichts weiter mehr zu unternehmen, falls der Kläger das Angebot nicht annehmen sollte.
Der Kläger ist diesem Vorbringen entgegengetreten.
Der Kläger hat in beiden Vorinstanzen obgesiegt; lediglich die 4 % übersteigende Zinsforderung ist abgewiesen worden.
Das Landesarbeitsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Der Beklagte habe erst in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die beschränkte Bevollmächtigung des Rechtsanwalts Dr. H… vorgetragen. Dieses Vorbringen sei verspätet; es hätte bereits früher in den Prozeß eingeführt werden können und müsse daher gemäß § 67 ArbGG zurückgewiesen werden. Zwischen den Parteien sei es zu einem außergerichtlichen Vergleich auf Grund des Angebots vom 9. September und der Annahme vom 17. September 1969 gekommen. Der Kläger habe zwar versucht, noch bessere Bedingungen zu erhalten, wie sie im Schreiben von Rechtsanwalt Dr. H… vom 12. September 1969 niedergelegt seien. Darin äußere sich jedoch keine Ablehnung des gemachten Angebots, vielmehr sei dies nur der Versuch, den Beklagten “zu veranlassen, noch ein weitergehendes Angebot in dem im Schreiben zum Ausdruck gekommenen Sinn zu machen”.
Das Landesarbeitsgericht hält den Klageanspruch weiterhin aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Beklagten für gerechtfertigt. Der Beklagte habe nämlich die Unfallversicherung ohne schriftliche Einwilligung der Arbeitnehmer abgeschlossen. Es spreche sehr viel dafür, daß er dies im Rahmen seiner Fürsorgepflicht getan habe, also nicht zu dem Zwecke, eigene finanzielle Nachteile abzudecken. Der Beklagte habe zwar vorgetragen, ihm sei über seine Rechtsanwaltskosten hinaus noch weiterer Schaden infolge des Unfalls des Klägers entstanden. Er habe diesen Schaden aber nicht näher spezifiziert.
Das Landesarbeitsgericht hat gegen sein Urteil die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Es kann offen bleiben, ob, wie das Landesarbeitsgericht dies annimmt, der Beklagte sich rechtswirksam zur Zahlung des Klagebetrages an den Kläger verpflichtet hat. Denn der Klageanspruch ist, wie das Landesarbeitsgericht in seiner Alternativbegründung im Ergebnis zutreffend angenommen hat, auch ohne eine ausdrückliche Zahlungszusage des Beklagten gerechtfertigt.
Der Beklagte hat, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, für die auf eigene Rechnung eingegangene Unfallversicherung nicht die schriftliche Einwilligung der Gefahrpersonen – also auch nicht des Klägers – eingeholt. Eine solche schriftliche Einwilligung ist aber nach § 179 Abs. 3 VVG ausnahmslos erforderlich, wenn der Versicherungsvertrag als Eigenversicherung rechtsgültig sein soll. Fehlt es an einer solchen schriftlichen Einwilligung, so kann der Versicherungsvertrag überhaupt nur als Fremdversicherung rechtswirksam sein; denn die Rechtsordnung kann eine Spekulation mit dem Leben oder der Gesundheit eines anderen hinter dessen Rücken nicht zulassen (BGHZ 32, 44 ff. [49]; Prölss-Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 18. Aufl., § 179 Anm. 3). Zu dieser Rechtslage hat sich auch bereits der erkennende Senat in der Entscheidung BAG 17, 114 ff. = AP Nr. 28 zu § 2 ArbGG Zuständigkeitsprüfung bekannt. Eine Ausnahme hiervon kann entgegen der Ansicht der Revision nicht für den Fall gelten, daß auch der Versicherungsnehmer durch die Folgen des Unfalls der Gefahrperson wirtschaftlich in Mitleidenschaft gezogen werden kann, etwa durch gegen ihn aus Anlaß des Unfalls gerichtete Ansprüche der Gefahrperson oder Dritter auf Schadenersatz bzw. Lohnfortzahlung oder durch den Ausfall der Dienste der Gefahrperson. Denn der Versicherungsnehmer kann sich gegen wirtschaftliche Verluste insoweit durch den Abschluß entsprechender Schadensversicherungen schützen. Wollte man der Ansicht der Revision folgen, so würde die Regelung des § 179 Abs. 3 VVG weitgehend entgegen dem Zweck des Gesetzes durchlöchert.
Wenn danach auch der Versicherungsanspruch im Falle des § 179 Abs. 3 VVG der versicherten Gefahrperson materiellrechtlich zusteht, ist damit noch nicht zugleich entschieden, ob der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, die erhaltene Versicherungssumme an den Versicherten herauszugeben. Maßgebend für die Beurteilung dieser Frage sind die Rechtsbeziehungen, die im Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherten bestehen (BGH und erkennender Senat aaO; ferner BAG 5, 360 ff. = AP Nr. 1 zu § 179 VVG). Hier waren Versicherungsnehmer (Beklagter) und versicherte Gefahrperson (Kläger) durch ein Arbeitsverhältnis miteinander verbunden; als Versicherungsfall galt nach dem Versicherungsvertrag ein Unfall ausgelöst, den der Versicherte bei der Verrichtung der ihm nach dem Arbeitsverhältnis obliegenden Pflichten erlitt. Aus dieser arbeitsrechtlichen Bindung folgt auch die Verpflichtung des Beklagten, die erhaltene Versicherungssumme an den Kläger auszukehren; denn es wäre mit seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht unvereinbar, einen Betrag zu behalten, auf den nach den Vorschriften des Versicherungsvertragsrechts der Kläger allein Anspruch hatte. Auch muß mit dem Landesarbeitsgericht zwingend angenommen werden, daß der Beklagte mit dem Abschluß der Versicherung von vornherein die Interessen des Klägers wahrgenommen hat; denn nur wenn diese Annahme zugrunde gelegt wird, war der ohne schriftliche Einwilligung des Klägers geschlossene Versicherungsvertrag, und zwar, wie dargelegt, allein in Gestalt einer Fremdversicherung rechtsgültig und der Beklagte demnach befugt, die Versicherungssumme entgegenzunehmen. Auch unter diesem Gesichtspunkt handelt der Beklagte also seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht zuwider, wenn er nunmehr die erhaltene Versicherungssumme für eigene Zwecke verwenden will.
Ob die Pflicht zur Herausgabe der Versicherungssumme entfällt oder sich jedenfalls mindert, wenn der Versicherungsnehmer dem versicherten Arbeitnehmer für die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit den Lohn nach den Vorschriften des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27. Juli 1969 (BGBl. I, S. 946) fortzahlen muß, kann unentschieden bleiben; denn der Unfall des Klägers hat, da er vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes liegt, eine solche Lohnfortzahlungspflicht nicht ausgelöst. Der Beklagte hat allenfalls den Arbeitgeberzuschuß zu den Leistungen aus der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung nach dem seinerzeit geltenden Arbeiterkrankheitsgesetz gewährt, also einen Betrag der zahlenmäßig von vornherein in keinem Verhältnis zur Höhe der Versicherungssumme stand. Da der Beklagte in Kenntnis der ihn aus dem Arbeiterkrankheitsgesetz treffenden Verpflichtungen und ohne weiteren Vorbehalt eine Privatversicherung zugunsten des Klägers abgeschlossen hat, kann nunmehr auch der Anspruch auf Herausgabe der Versicherungssumme nicht um die Zuschußleistungen vermindert werden. Offen bleiben kann auch, ob der geltend gemachte Herausgabeanspruch mit sonstigen unfallbedingten Schadenersatzansprüchen des Klägers oder dritter Stellen gegen den Beklagten zu verrechnen wäre; denn derartige Ansprüche kommen hier nicht in Betracht.
Damit war, ohne daß es noch auf weitere Erörterungen ankäme, die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Schröder, Dr. Auffarth, Siara, Dr. Schneider, Döring
Fundstellen