Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung. Abfindung gemäß § 51 TVK
Orientierungssatz
- Nach § 51 Abs. 1 TVK ist der Arbeitgeber, der wegen Auflösung des Orchesters das Arbeitsverhältnis eines Musikers gekündigt hat, der das 40. Lebensjahr vollendet und fünfzehn Beschäftigungsjahre als Musiker bei Kulturorchestern (§ 1 Abs. 2 TVK), davon mindestens die letzten zehn Jahre im Dienst des Arbeitgebers oder seines Rechtsvorgängers zurückgelegt hat, verpflichtet, dem Musiker eine Abfindung zu gewähren, sofern er dem Musiker keine anschließende zumutbare anderweitige Beschäftigung anbieten kann.
- Der Begriff Kulturorchester wird in § 1 Abs. 1 TVK erstmalig genannt. Gesetzessystematisch baut die Vorschrift des § 1 Abs. 2 TVK auf § 1 Abs. 1 TVK auf und setzt bei der nochmaligen Verwendung des Begriffs “Kulturorchester” und dessen weiterer begrifflicher Erläuterung den vorstehenden Regelungsinhalt mit voraus.
- Kulturorchester, deren Träger nicht Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins sind, können damit keine Kulturorchester iSd. § 1 Abs. 2 TVK sein. Die Tätigkeit in solchen Orchestern zählt nicht zu den Beschäftigungsjahren, die nach § 51 Abs. 1 Satz 1 TVK Voraussetzung für einen Abfindungsanspruch sind.
Normenkette
Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 § 51 Abs. 1, § 1 Abs. 1, Abs. 2, § 20 Abs. 2, Abs. 3, § 29 Abs. 2, § 31 Abs. 1, § 48, § 49 Abs. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 08.06.2005; Aktenzeichen 5 Sa 83/05) |
ArbG Dessau (Urteil vom 12.01.2005; Aktenzeichen 1 Ca 122/04) |
Tenor
- Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 8. Juni 2005 – 5 Sa 83/05 – aufgehoben.
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau vom 12. Januar 2005 – 1 Ca 122/04 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer tarifvertraglichen Abfindung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Der am 20. November 1959 in Bulgarien geborene Kläger war vom 1. September 1990 bis zum 31. August 2002 als Orchestermusiker im Landestheater W…, dessen Träger der Beklagte war, beschäftigt. Zuvor war er vom 1. August 1984 bis zum 1. August 1990 als Orchestermusiker im Kammerorchester T/Bulgarien tätig gewesen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. In diesem heißt es:
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Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für die Musiker in Kulturorchestern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, deren Arbeitgeber ein Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins ist.
(2) Kulturorchester sind Orchester, die regelmäßig Operndienst versehen oder Konzerte ernst zu wertender Musik spielen. Orchester, die lediglich oder überwiegend Operettendienst versehen, sind keine Kulturorchester im Sinne dieses Tarifvertrages.
…
BESONDERE VORSCHRIFTEN
§ 51
Wegen Auflösung oder Verkleinerung des Orchesters gekündigte Musiker
(1) Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines Musikers, der das vierzigste Lebensjahr vollendet und fünfzehn Beschäftigungsjahre als Musiker bei Kulturorchestern (§ 1 Abs. 2), davon mindestens die letzten zehn Jahre im Dienst des Arbeitgebers oder seines Rechtsvorgängers, zurückgelegt hat, wegen Auflösung oder Verkleinerung des Orchesters gekündigt (§ 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a), ist er verpflichtet, dem Musiker eine an das bisherige Arbeitsverhältnis unmittelbar anschließende zumutbare anderweitige Beschäftigung anzubieten, oder falls er kein Angebot machen kann, weil kein Arbeitsplatz vorhanden ist, für den ihm der Musiker geeignet erscheint, eine Abfindung nach den Absätzen 2 bis 8 zu gewähren. …”
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22. Februar 2002 zum 31. August 2002 wegen Auflösung des Orchesters des Landestheaters. Einen anderen Arbeitsplatz konnte der Beklagte dem Kläger nicht anbieten. Am 8. August 2002 schlossen die Parteien in dem von dem Kläger angestrengten Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Dessau folgenden Vergleich:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche fristgerechte Kündigung des Beklagten vom 22. Februar 2002 mit Ablauf des 31. August 2002 wegen dringender betrieblicher Erfordernisse sein Ende finden wird.
2. Der Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 Euro gemäß §§ 9, 10 KSchG iVm. § 3 Ziffer 9 EStG, fällig zum 31. August 2002.
3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass etwaige Ansprüche des Klägers aus § 51 TVK für die Musiker in Kulturorchestern oder sonstige Ansprüche aus diesem Tarifvertrag durch diesen Vergleich unberührt bleiben.
4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
Unabhängig hiervon zahlte der Beklagte am 22. November 2002 an den Kläger gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 TVK eine erste Abfindungsrate in Höhe von 17.816,76 Euro. Mit Schreiben vom 5. August 2003 forderte er den Kläger zur Rückzahlung dieses Betrages auf, da er zu der Auffassung gelangt war, der Kläger erfülle nicht die sich aus § 51 TVK für die Zahlung der Abfindung ergebenden Anspruchsvoraussetzungen. Der Kläger wies den Rückforderungsanspruch des Beklagten zurück und machte gleichzeitig seinen Anspruch auf Zahlung der zweiten Abfindungsrate geltend. Mit seiner am 26. April 2004 bei dem Arbeitsgericht Dessau eingegangenen Klage hat der Kläger den Beklagten unter Bezugnahme auf § 51 TVK auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 32.487,96 Euro in Anspruch genommen.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe gegen den Beklagten einen tariflichen Anspruch auf Abfindung. Das Kammerorchester in T… sei ein Kulturorchester iSv. § 1 Abs. 2 TVK gewesen. Es habe regelmäßig Operndienst versehen und Konzerte ernst zu wertender Musik gespielt. Der Kläger meint, er erfülle damit die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 TVK, da er bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis das 40. Lebensjahr vollendet und seit fünfzehn Beschäftigungsjahren als Musiker bei Kulturorchestern iSv. § 1 Abs. 2 TVK – davon mindestens die letzten zehn Jahre im Dienste des Beklagten bzw. seines Rechtsvorgängers – tätig gewesen sei. Die Anspruchsnorm von § 51 Abs. 1 TVK verweise hinsichtlich der für den Anspruch notwendigen Beschäftigungsdauer lediglich auf § 1 Abs. 2 TVK, der keine räumliche oder sonstige Einschränkung enthalte.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 32.487,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 2. September 2003 zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 TVK iVm. § 51 Abs. 2 Satz 2 bis 6 TVK auch Abfindungen für das dritte und vierte Jahr nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt gemäß § 51 Abs. 6 TVK zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat der Beklagte beantragt,
den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 17.816,76 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27. August 2003 zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen tariflichen Anspruch auf Abfindung. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 TVK, da er keine fünfzehn Beschäftigungsjahre als Musiker bei einem Kulturorchester iSv. § 1 Abs. 2 TVK zurückgelegt habe. Die Tätigkeit des Klägers bei dem Kammerorchester in T… sei – unabhängig davon, ob es sich insoweit überhaupt um ein Kulturorchester gehandelt habe – nicht zu berücksichtigen, da im Rahmen des § 51 TVK nur Beschäftigungszeiten im räumlichen Geltungsbereich des TVK anzurechnen seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage und die Widerklage abgewiesen, letztere wegen Verfalls des Anspruchs gemäß § 52 TVK. In der Berufung hat der Kläger nach erfolgter Teilrücknahme der Klage zuletzt den Antrag gestellt,
dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die sich aus § 51 TVK insbesondere unter Berücksichtigung von dessen Abs. 5 ergebende Abfindung für die Jahre 2003, 2004, 2005 und 2006 zu den sich aus § 51 Abs. 2 TVK ergebenden Fälligkeitsterminen zu zahlen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und dem zuletzt geltend gemachten Feststellungsanspruch stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte weiterhin seinen Antrag auf Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zur Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung gemäß § 51 TVK. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die Zahlung einer Abfindung nach § 51 Abs. 1 Satz 1 TVK, da er fünfzehn Beschäftigungsjahre als Musiker bei Kulturorchestern iSv. § 1 Abs. 2 TVK erbracht habe. Die fünfzehn Beschäftigungsjahre müssten nicht in Kulturorchestern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, deren Träger ein Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins ist, zurückgelegt worden sein. § 51 TVK verweise nur auf § 1 Abs. 2 TVK, der den Begriff des “Kulturorchesters” bestimme. § 51 TVK verweise nicht auf § 1 Abs. 1 TVK, der den Geltungsbereich des TVK festlege. Der Kläger habe auch hinreichend substantiiert vorgetragen, dass das Kammerorchester in T/Bulgarien ein Kulturorchester iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 TVK sei.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 51 TVK, da er keine fünfzehn Beschäftigungsjahre als Musiker bei Kulturorchestern iSd. § 51 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 2 TVK erbracht hat. Die Auslegung des § 51 TVK durch den Senat ergibt, dass die dort vorausgesetzten fünfzehn Beschäftigungsjahre als Musiker bei Kulturorchestern (§ 1 Abs. 2 TVK) in Kulturorchestern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, deren Träger ein Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins ist, zurückgelegt sein müssen.
1. Die Auslegung eines Tarifvertrags durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 22. Oktober 2002 – 3 AZR 664/01 – AP TVG § 1 Auslegung Nr. 185, zu II 1a der Gründe). Sein normativer Teil ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Zunächst ist vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne an den Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist jedoch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Zweck der Tarifnormen zu berücksichtigen, sofern und soweit dieser Wille in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil häufig nur aus ihm und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck zutreffend ermittelt werden kann (st. Rspr. BAG vgl. 28. Mai 1998 – 6 AZR 349/96 – AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5, zu II 2a der Gründe). Noch verbleibende Zweifel können ohne Bindung an eine Reihenfolge mittels weiterer Kriterien wie der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch der praktischen Tarifübung geklärt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8).
2. Der Wortlaut des § 51 Abs. 1 TVK setzt fünfzehn Beschäftigungsjahre als Musiker bei Kulturorchestern voraus. Hinsichtlich des Begriffs “Kulturorchester” verweist § 51 Abs. 1 Satz 1 TVK ausdrücklich auf die entsprechende Definition in § 1 Abs. 2 TVK. Der Begriff selbst wird erstmalig in § 1 Abs. 1 TVK verwendet. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 TVK baut gesetzessystematisch auf § 1 Abs. 1 TVK auf und setzt bei der nochmaligen Verwendung des Begriffs “Kulturorchester” und dessen weiterer begrifflicher Erläuterung den vorstehenden Regelungsinhalt mit voraus (so zutreffend LAG Sachsen-Anhalt 3. Juni 2004 – 10 (3) Sa 460/03 – Seite 5/6). Soweit die Tarifvertragsparteien in § 51 Abs. 1 TVK auf § 1 Abs. 2 TVK verweisen, nehmen sie damit gleichzeitig auch auf die Regelung des § 1 Abs. 1 TVK Bezug.
Wenn der Kläger die Ansicht vertritt, § 1 Abs. 1 TVK baue umgekehrt auf § 1 Abs. 2 TVK auf, berücksichtigt er nach Ansicht des Senats ebenso wie das Berufungsgericht nicht ausreichend die Tarifsystematik. Nach § 1 Abs. 1 TVK gilt dieser Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, deren Arbeitgeber ein Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins ist. § 1 Abs. 2 TVK steht mit unter der Überschrift “Geltungsbereich” und enthält keine vom Geltungsbereich des Tarifvertrags losgelöste Definition, sondern die Definition des Kulturorchesters als eines Orchesters innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, dessen Träger ein Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins ist. Aus der lediglich ergänzenden Funktion der Definition in § 1 Abs. 2 TVK folgt deshalb nach Auffassung des erkennenden Senats, dass Orchester, deren Träger nicht Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins sind, keine Kulturorchester iSd. § 1 Abs. 2 TVK sein können. Damit setzt auch § 51 TVK, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, für den Begriff des Kulturorchesters die Trägerschaft eines Unternehmermitglieds des Deutschen Bühnenvereins voraus.
3. Auch Sinn und Zweck des § 51 TVK sprechen für eine Beschränkung auf die im Geltungsbereich des TVK zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Bereits die weiteren Regelungen in § 51 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b, Abs. 7 Buchst. a sowie Abs. 8 Buchst. a TVK zeigen, dass die Tarifvertragsparteien die Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber in einem Kulturorchester – ohne dies ausdrücklich zu erwähnen – als eine solche iSv. § 1 Abs. 1 TVK verstanden wissen wollen. Danach steht einem Musiker die Abfindung nach § 51 Abs. 1 TVK nicht zu, wenn er bei einem anderen Arbeitgeber in einem Kulturorchester ein Arbeitsverhältnis eingegangen ist oder ein solches ausgeschlagen hat, das einer höchstens zwei Gruppen niedrigeren Vergütungsgruppe angehört. Durch den Verweis auf die Eingruppierung der Orchester wird klargestellt, dass nur die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses bei einem Arbeitgeber im Geltungsbereich des TVK zum Anspruchsausschluss bzw. bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Wiederaufleben dieses Anspruchs führen soll. Die Regelung ist auch sachgerecht, weil die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber unter Verwendung des TVK dem Musiker seinen bisherigen sozialen Besitzstand sichert. Die Tarifvertragsparteien wollten lediglich ihre Mitglieder auf Arbeitgeberseite zur sozialen Absicherung der bei ihnen tätigen Musiker verpflichten, da der TVK – von der Revision unwidersprochen vorgetragen – flächendeckend für die 135 öffentlich geförderten Opern- und Konzertorchester Anwendung findet. Zutreffend ist auch der Hinweis der Revision, dass in § 51 TVK jegliche Hinweise dafür fehlen, dass – ohne Gegenseitigkeit, also ohne Ausgleich durch Träger ausländischer oder anderer deutscher Orchester – auch für außerhalb des Verbandes und sogar für im Ausland zurückgelegte Beschäftigungszeiten ein Abfindungsanspruch begründet werden sollte, ohne dies ausdrücklich unter § 51 TVK zu regeln. Das spricht ebenfalls dafür, dass nur unter dem Dach des Tarifvertrags erbrachte Beschäftigungszeiten auf den sozialen Besitzbestand im Rahmen des § 51 Abs. 1 TVK anzurechnen sind.
4. Der Vergleich der Rechtsfolgen der tariflichen Bestimmungen der §§ 48, 49 und 51 TVK bestätigt nach Auffassung des erkennenden Senats dieses Ergebnis. Die §§ 48, 49 TVK regeln die Anspruchsvoraussetzungen, unter denen ein Musiker bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Übergangsgeld beanspruchen kann. Nach § 49 Abs. 2 und 3 TVK kommen für die Berechnung des Übergangsgeldes nur Beschäftigungszeiten “bei von diesem Tarifvertrage erfassten Arbeitgebern” zur Anrechnung, so dass nur Beschäftigungszeiten bei Arbeitgebern, die ein Kulturorchester innerhalb der Bundesrepublik Deutschland betreiben und Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins sind, angerechnet werden. Diese Einschränkung spricht dafür, dass auch im Rahmen von § 51 Abs. 1 Satz 1 TVK Beschäftigungszeiten bei ausländischen Arbeitgebern nicht zur Anrechnung gelangen können. Nach Sinn und Zweck sowie systematischer Stellung der §§ 48 bis 51 TVK ist nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien nur für die Zahlung und Bemessung des Übergangsgeldes Beschäftigungszeiten in Kulturorchestern außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich ausschließen wollten, dass aber im besonderen Fall des § 51 TVK ohne ausdrückliche Regelung auch Beschäftigungszeiten bei ausländischen Arbeitgebern Berücksichtigung finden sollen. Für die gegenteilige Ansicht des Klägers und des Berufungsgerichts finden sich im Tarifvertrag keine hinreichenden Ansätze. Insbesondere kommt die vom Kläger behauptete abweichende Zwecksetzung (S. 16 des Schriftsatzes vom 22. November 2005) in § 51 TVK nicht zum Ausdruck.
5. Auch der Vergleich mit § 20 TVK führt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und des Klägers zu keinem anderen Ergebnis. Die Bemessung der Dienstzeit des Musikers, welche zB für die Dienstaltersstufe der tariflichen Vergütung (§ 23 TVK) maßgeblich ist, richtet sich ebenfalls nach den bei Kulturorchestern gemäß § 1 Abs. 2 TVK als Musiker zurückgelegten Zeiten (§ 20 Abs. 1 TVK). Darüber hinaus sind nach § 20 Abs. 2 TVK weitere Zeiten zwingend bzw. nach § 20 Abs. 3 TVK fakulativ anrechenbar. Eine derartige vergleichbare Ausweitung anrechenbarer Dienstzeiten ist in § 51 TVK nicht vorgesehen. Dort haben die Tarifvertragsparteien den Begriff “Beschäftigungsjahre” und nicht “Dienstzeit” gewählt. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, dass entgegen § 20 Abs. 2, Abs. 3 TVK nur Zeiten, die im Geltungsbereich des TVK erbracht wurden, im Rahmen des § 51 TVK anzurechnen sind (so auch LAG Sachsen-Anhalt 3. Juni 2004 – 10 (3) Sa 460/03 –).
Die Ansicht des Klägers, neben dem Wortlaut von § 20 Abs. 1 TVK mit seiner Verweisung auf § 1 Abs. 2 TVK erforderten Sinn und Zweck dieser Tarifbestimmung, auch Zeiten bei ausländischen Orchestern anzurechnen, ist nicht zwingend. Der Kläger meint, Sinn und Zweck von § 20 TVK sei es, mittels dienstzeitabhängiger Einstufung größere praktische Orchestererfahrung durch höhere Vergütung anzuerkennen. Der Ansicht des Klägers ist im Hinblick auf den Inhalt der Tarifbestimmung des § 20 Abs. 3 TVK noch zu folgen, da Zeiten einer Tätigkeit in anderen als in Kulturorchestern sowie Zeiten einer sonstigen musikalisch-künstlerischen oder musik-pädagogischen Tätigkeit auf die Dienstzeit angerechnet werden können. Mit der Anrechnungsvorschrift in § 20 Abs. 2 TVK, wonach Zeiten erfüllter Dienstpflicht in der Bundeswehr und im Bundesgrenzschutz (Buchst. a), im Soldatenverhältnis zurückgelegte Zeiten (Buchst. b), Zeiten einer Kriegsgefangenschaft als deutscher Staatsangehöriger (Buchst. c) und Zeiten einer auf einem Kriegszustand beruhenden Zivilinternierung (Buchst. d) anzurechnen sind, haben die Tarifvertragsparteien aber gerade nicht auf eine praktische Orchestererfahrung abgestellt.
Ob der von Meid/Ramdohr (in Ramdohr Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst Teil VI Stand April 2005 § 20 TVK Rn. 7) für § 20 TVK vertretenen Ansicht zu folgen wäre, dass die Anrechnung der in einem Kulturorchester als Musiker zurückgelegten Zeiten nicht voraussetzt, dass der rechtliche Träger des Kulturorchesters ein Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins ist, kann dahinstehen. Nach der Ansicht von Meid/Ramdohr, die früher auch vom Deutschen Bühnenverein geteilt wurde (siehe das vom Kläger vorgelegte Schreiben vom 3. September 1993), soll sich dies aus dem Klammerhinweis in § 20 TVK auf § 1 Abs. 2 TVK ergeben. Danach sollen auch als Musiker zurückgelegte Zeiten bei Orchestern außerhalb der Bundesrepublik anzurechnen sein, die den in § 1 Abs. 2 bestimmten Begriff der Kulturorchester erfüllen. Die Kommentarstelle von Meid/Ramdohr bezieht sich jedenfalls ausschließlich auf § 20 TVK. Eine Begründung für diese Ansicht wird nicht gegeben. Meid/Ramdohr räumen zudem selbst ein, dass der Begriff “Dienstzeit” weiter ist als der Begriff der “Beschäftigungszeit”. Die Dienstzeit umfasse nicht nur die beim Arbeitgeber, sondern auch die bei einem anderen Kulturorchester als Musiker verbrachten Zeiten (Meid/Ramdohr aaO Rn. 2). Die unterschiedliche Begrifflichkeit in § 20 TVK und in § 51 TVK spricht danach eher für als gegen die oben vertretene Auslegung von § 51 TVK. Bezeichnenderweise legen sich Meid/Ramdohr bei der Kommentierung von § 51 (Meid/Ramdohr aaO Rn. 6) gerade nicht dahin gehend fest, dass die nach § 51 TVK zurückgelegten fünfzehn Jahre Beschäftigungszeit in einem Kulturorchester auch solche in einem ausländischen Orchester sein können.
6. Auch ein systematischer Vergleich mit § 31 TVK unter Berücksichtigung von dessen Entstehungsgeschichte stützt nicht die Ansicht des Klägers.
§ 31 TVK regelt die Zahlung einer Jubiläumszuwendung nach Zurücklegung einer gewissen Dienstzeit. Die Dienstzeit war beim In-Kraft-Treten des TVK am 1. Januar 1972 in der ursprünglichen Fassung des § 31 TVK aF in dessen Absatz 2 eigenständig definiert. Als Dienstzeit iSd. § 31 Abs. 1 TVK aF galten die bei demselben Arbeitgeber oder bei einem anderen Arbeitgeber, der dem Deutschen Bühnenverein angehört oder angehört hat, als Musiker verbrachte Zeiten nach Vollendung des 18. Lebensjahres (Buchst. a), Zeiten erfüllter Dienstpflicht in der Bundeswehr oder in der früheren Deutschen Wehrmacht ua. (Buchst. b), Zeiten eines Kriegsdienstes (Buchst. c), Zeiten einer Kriegsgefangenschaft (Buchst. d) und Zeiten einer Zivilinternierung (Buchst. e). Nach einer Protokollnotiz zu § 31 TVK aF zu Absatz 2 Buchst. a waren auch solche Zeiten einzubeziehen, welche bei einem Arbeitgeber zurückgelegt wurden, der seinen Sitz an einem Ort innerhalb des Deutschen Reiches nach dem Gebietszustand von 1937 hat oder hatte, der nicht innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin liegt. Daraus folgt, dass die Tarifvertragsparteien an dieser Stelle ursprünglich die Anrechenbarkeit im Ausland erbrachter Tätigkeiten auf die Dienstzeiten ausdrücklich und damit abschließend geregelt haben. Allerdings ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass für die tarifliche Verwendung des Begriffs “Kulturorchester” § 31 TVK aF keine Anhaltspunkte bot, da dieser Begriff dort nicht vorkam.
Die genannte Sonderregelung ist in der Neufassung von § 31 Abs. 1 TVK durch den Änderungstarifvertrag Nr. 9 vom 22. September 1987 entfallen. § 31 Abs. 1 TVK verweist zur Berechnung der Dienstzeit nun auf § 20 TVK. Wie sich aus der gemeinsamen Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom 19. Mai 1987 unter 4.4 zu § 31 TVK ergibt, erzielten die Tarifvertragsparteien Übereinstimmung, § 31 TVK so zu ändern, dass die Dienstzeit nach den gleichen Maßstäben zu berechnen ist, wie sie in § 20 TVK geregelt sind. Diese ergeben aber – wie oben unter 5. ausgeführt – nicht, dass eine Berücksichtigung ausländischer Tätigkeiten auch bei der Berechnung der tarifvertraglichen “Beschäftigungsjahre” erfolgt.
7. Schließlich kann nach Ansicht des erkennenden Senats auch aus der bis zum 1. August 1994 geltenden Übergangsregelung in § 57a Buchst. k TVK nicht abgeleitet werden, Tätigkeiten bei deutschen Orchestern, deren Träger nicht Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins sind, oder gar bei ausländischen Orchestern könnten bei der Berechnung der Beschäftigungsjahre iSv. § 51 Abs. 1 Satz 1 TVK anzurechnen sein. Zwar galt nach dieser Übergangsvorschrift § 51 TVK im Beitrittsgebiet in einer Fassung, die die einleitenden Anspruchsvoraussetzungen wortgleich mit der hier auszulegenden Regelung formulierte. Zum einen war jedoch als Rechtsfolge nicht die Zahlung einer Abfindung, sondern nur die Zahlung eines Übergangsgeldes wie in §§ 48 ff. TVK vorgesehen, wobei der Musiker gem. § 51 Abs. 5 TVK ggf. nur die für ihn günstigere Leistung erhalten und eine etwa auf Grund des Kündigungsschutzgesetzes oder auf Grund eines Vergleichs gezahlte Abfindung anrechenbar sein sollte. Zum anderen handelte es sich um eine Spezialregelung zur Bewältigung der Situation des Beitritts der neuen Bundesländer. Musiker bei Kulturorchestern der DDR, deren Träger nach dem Beitritt Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins wurden, sollten nach Sinn und Zweck der Übergangsregelung – bei deutlich geringeren Ansprüchen als nach der für die alten Bundesländer geltenden Fassung des § 51 TVK – von der Solidargemeinschaft der Unternehmermitglieder des Deutschen Bühnenvereins insofern profitieren, als auch ihre Tätigkeit zu DDR-Zeiten bei Berechnung der Beschäftigungsjahre zu berücksichtigen war. Diese der speziellen “Rechtsnachfolge”-Problematik in der Situation Wiedervereinigung Deutschlands geschuldete Auslegung der Übergangsregelung gebietet es jedoch nicht, nun auch § 51 TVK in der jetzt anzuwendenden Fassung dahin auszulegen, dass Tätigkeiten bei Kulturorchestern ohne Rücksicht darauf berücksichtigt werden, ob deren Träger Unternehmermitglieder des Deutschen Bühnenvereins und somit anderen Mitgliedern und den von ihnen beschäftigten Musikern solidarisch verbunden sind.
Unterschriften
Fischermeier, Dr. Armbrüster, Koch, Augat
RiBAG Prof. Dr. Friedrich ist auf Grund Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen.
Fischermeier
Fundstellen
Haufe-Index 1585540 |
NZA 2006, 1240 |
ZTR 2007, 42 |
EzA-SD 2006, 13 |
PersV 2007, 199 |
NJOZ 2006, 3917 |