Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung eines Arbeitsvertrags. wissenschaftliches und künstlerisches Personalwissenschaftliche Weiterqualifikation als Sachgrund iSv. § 14 Abs. 1 TzBfG. Verhältnis von WissZeitVG zum TzBfG
Leitsatz (amtlich)
Die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG kann auf Sachgründe nach § 14 Abs. 1 TzBfG nicht gestützt werden, wenn die Befristung ausschließlich mit der wissenschaftlichen Qualifizierung des Arbeitnehmers begründet wird. Insoweit verdrängt § 2 Abs. 1 WissZeitVG als Sonderregelung § 14 Abs. 1 TzBfG.
Orientierungssatz
1. Die Befristung von Arbeitsverträgen mit nicht promoviertem wissenschaftlichen und künstlerischen Personal an Hochschulen ist nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WissZeitVG eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren – im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren – möglich. Nach § 1 Abs. 2 WissZeitVG bleibt das Recht der Hochschulen unberührt, das in § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG bezeichnete Personal in nach Maßgabe des TzBfG befristeten Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen.
2. § 1 Abs. 2 WissZeitVG ermöglicht die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen mit einem Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG nur, wenn die Befristung nicht ausschließlich auf die wissenschaftliche Qualifizierung, sondern auf andere Gründe gestützt wird, etwa auf den nur vorübergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG) oder den Sachgrund der Vertretung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG). Die besonderen Befristungsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG für Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal verdrängen als Spezialregelungen § 14 Abs. 1 TzBfG, soweit die befristete Beschäftigung ausschließlich zur wissenschaftlichen Qualifizierung erfolgt. Genügt die Befristung nicht dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 WissZeitVG, kann sie daher nicht mit der Begründung, die Beschäftigung diene der wissenschaftlichen Qualifizierung des Mitarbeiters, auf die Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG), auf in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG) oder den sonstigen Sachgrund der Aus-, Fort- oder Weiterbildung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG) gestützt werden.
Normenkette
WissZeitVG § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 2 Abs. 1, 4, § 3; TzBfG § 14 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nrn. 4, 6, § 17 S. 1; HRG § 57b Abs. 1 S. 1 Fassung: 2006-12-05; SächsHSG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d, § 72 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. Juli 2014 – 5 Sa 504/13 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie um Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.
Die Klägerin ist approbierte Tierärztin. Sie war nach ihrer Promotion in der Zeit vom 1. Juli 1999 bis zum 30. September 2013 aufgrund aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge als wissenschaftliche Assistentin an der Medizinischen Tierklinik der Universität Leipzig beschäftigt. Zunächst wurde sie gemäß § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis zum 30. Juni 2000 befristet eingestellt. Daran schlossen sich fünf befristete Arbeitsverträge an. Der letzte befristete Arbeitsvertrag vom 7. September 2009 lautet auszugsweise:
„§ 1
Frau Dr. S wird für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis einschließlich 30. September 2013 als vollbeschäftigte Arbeitnehmerin befristet an der Universität Leipzig unter Beibehaltung ihres Status als wissenschaftliche Assistentin weiterbeschäftigt, § 114 Abs. 20 Sächsisches Hochschulgesetz (SächsHSG) vom 10. Dezember 2008 in der ab 11. Juli 2009 gültigen Fassung in Verbindung mit § 46 Sächsisches Hochschulgesetz (SächsHG) vom 11. Juni 1999 in der ab 31. Januar 2006 geltenden Fassung.
Die erneute Befristung des Arbeitsverhältnisses richtet sich dementsprechend nach § 47 Abs. 3 SächsHG in der 0. g. Fassung in Verbindung mit § 114 Abs. 20 SächsHSG in der o. g. Fassung.”
Mit mehreren Änderungsverträgen vereinbarten die Parteien während der Laufzeit des letzten befristeten Arbeitsvertrags befristete Änderungen der Arbeitszeit. Seit dem 1. Januar 2013 wurde die Klägerin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 50 vH einer Vollzeitkraft beschäftigt.
Die Klägerin hat mit der am 27. November 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 13. Dezember 2012 zugestellten Befristungskontrollklage die Auffassung vertreten, die im Arbeitsvertrag vom 7. September 2009 vereinbarte Befristung sei unwirksam. Auf die Befristungsregelungen nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG könne sich der Beklagte nicht berufen, weil im Arbeitsvertrag nicht nach § 2 Abs. 4 WissZeitVG angegeben sei, ob die Befristung auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruht. Mit der Begründung, die befristete Beschäftigung diene ihrer wissenschaftlichen Qualifikation, könne die Befristung nicht auf § 14 Abs. 1 TzBfG gestützt werden. Die Befristungsmöglichkeit nach dem TzBfG werde insoweit für das wissenschaftliche und künstlerische Personal an Hochschulen durch die speziellere und abschließende Befristungsregelung in § 2 Abs. 1 WissZeitVG verdrängt.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung zum 30. September 2013 beendet worden ist;
- den Beklagten für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu verurteilen, sie über den 30. September 2013 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als teilzeitbeschäftigte wissenschaftliche Assistentin an der Universität Leipzig mit 50 vH der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden Vollzeitbeschäftigten zu ansonsten unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen tatsächlich weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der für wissenschaftliches und künstlerisches Personal an Hochschulen durch § 1 Abs. 2 WissZeitVG ausdrücklich eröffnete Anwendungsbereich des TzBfG erstreckte sich uneingeschränkt auf alle Sachgründe, die eine Befristung des Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigten. Die wissenschaftliche Weiterqualifikation (Habilitation) der Klägerin sei eine Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG und diene außerdem der Aus-, Fort- und Weiterbildung, die als sonstiger Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG anerkannt sei. Die Bestimmungen des SächsHSG zur Habilitation von wissenschaftlichen Assistenten würden im WissZeitVG nicht ausreichend berücksichtigt. Der Klägerin sei entsprechend § 72 Abs. 1 SächsHSG ein Drittel der Arbeitszeit zur wissenschaftlichen Qualifikation (Habilitation) belassen worden. Dies sei nur gerechtfertigt, solange das Qualifikationsziel noch nicht erreicht sei. Außerdem sei dies ein in der Person der Klägerin liegender Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision beantragt der Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben der Befristungskontrollklage zu Recht stattgegeben. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
I. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat nicht aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 7. September 2009 mit Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit am 30. September 2013 geendet. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist unwirksam.
1. Die Befristung zum 30. September 2013 gilt nicht nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Mit dem Antrag zu 1. hat die Klägerin rechtzeitig eine zulässige Befristungskontrollklage iSv. § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG iVm. § 17 Satz 1 TzBfG erhoben. Sie hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung im Arbeitsvertrag vom 7. September 2009 mit ihrer am 27. November 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 13. Dezember 2012 zugestellten Klage geltend gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wahrt auch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG (BAG 29. April 2015 – 7 AZR 519/13 – Rn. 10; 2. Juni 2010 – 7 AZR 136/09 – Rn. 13 mwN, BAGE 134, 339).
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Befristung des Arbeitsvertrags nicht auf das WissZeitVG gestützt werden kann.
a) Der betriebliche Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 WissZeitVG ist zwar eröffnet, weil es sich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags für eine bestimmte Zeit an einer Einrichtung des Bildungswesens handelt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d SächsHSG ist die Universität Leipzig eine staatliche Hochschule. Voraussetzung der Anwendbarkeit der §§ 2, 3 WissZeitVG auf befristete Arbeitsverträge ist nicht, dass die staatliche Hochschule Vertragsarbeitgeber ist (BAG 20. Januar 2016 – 7 AZR 376/14 – Rn. 25; 29. April 2015 – 7 AZR 519/13 – Rn. 16; 1. Juni 2011 – 7 AZR 827/09 – Rn. 18, BAGE 138, 91).
b) Die Klägerin unterfällt auch dem personellen Geltungsbereich von § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin gehört sie zum wissenschaftlichen Personal iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Dies hat die Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. Sie war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nach dem Arbeitsvertrag vom 7. September 2009 in der sog. Postdoc-Phase als wissenschaftliche Assistentin mit wissenschaftlichen Aufgaben an der Universität Leipzig in Forschung und Lehre beschäftigt. Die Parteien streiten lediglich darüber, ob der Klägerin hinreichende Zeit zur Verfügung stand, an ihrer Habilitation zu arbeiten, nicht aber über die Wissenschaftlichkeit der ihr übertragenen Aufgaben. Wenn die Klägerin den landesgesetzlichen Anspruch in § 72 Abs. 1 Satz 2 SächsHSG, ihr ein Drittel der Arbeitszeit zur wissenschaftlichen Qualifikation zu belassen, gegenüber dem Beklagten nicht geltend gemacht, sondern – wie sie behauptet – in überobligatorischem Umfang Lehr- und Forschungsaufgaben übernommen hat, spricht dies nicht gegen den Status als wissenschaftliche Mitarbeiterin iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG (vgl. zur Rechtslage nach dem HRG idF vom 5. Dezember 2006 BAG 6. August 2003 – 7 AZR 33/03 – zu II 2 c aa (1) der Gründe).
c) Die Befristung genügt jedoch nicht dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG. Nach dieser Vorschrift ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitVG beruht. Fehlt diese Angabe, kann die Befristung nach § 2 Abs. 4 Satz 2 WissZeitVG nicht auf die Vorschriften des WissZeitVG gestützt werden. § 1 des Arbeitsvertrags vom 7. September 2009 nimmt auf die Vorschriften des SächsHSG Bezug, nicht aber auf die Bestimmungen des WissZeitVG. Damit sind die Anforderungen des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG nicht erfüllt. Das Landesarbeitsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die späteren Änderungsverträge zur Arbeitszeit die zuletzt vereinbarte Befristung unberührt lassen. Dies wird von dem Beklagten auch nicht gerügt.
3. Die im Arbeitsvertrag vom 7. September 2009 vereinbarte Befristung zum 30. September 2013 ist nicht nach § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt. Der Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Befristung ausschließlich darauf berufen, dass die Beschäftigung der Klägerin ihrer wissenschaftlichen Qualifizierung gedient habe. Insoweit verdrängt § 2 Abs. 1 WissZeitVG die Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 1 TzBfG. Mit dieser Begründung kann die Befristung des Arbeitsvertrags mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter einer Hochschule daher nicht auf den Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gestützt werden. Ebenso wenig kommt insoweit ein in der Person der Klägerin liegender Grund gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG oder die Aus-, Fort- oder Weiterbildung als sonstiger Sachgrund iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG in Betracht.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die befristete Beschäftigung der Klägerin zum Zwecke der Habilitation nicht auf den Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gestützt werden kann.
aa) Ein sachlicher Grund zur Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG vor, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt.
(1) In § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist nicht näher bestimmt, welche Eigenarten der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen. Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass mit dem Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) ergebenden Besonderheiten Rechnung getragen werden soll. Die Regelung ist daher geeignet, die Befristung von Arbeitsverträgen mit programmgestaltenden Mitarbeitern bei Rundfunkanstalten oder mit Bühnenkünstlern zu rechtfertigen (BT-Drs. 14/4374 S. 19; vgl. dazu BAG 4. Dezember 2013 – 7 AZR 457/12 – Rn. 15 mwN). Der Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung ist jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf diese Fallgruppen beschränkt. Insbesondere Tendenzunternehmen der Presse und der Kunst haben aufgrund der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ebenfalls die Möglichkeit, befristete Verträge mit sog. Tendenzträgern zu begründen. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Anliegens könnten von der Befristungsmöglichkeit in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG auch befristete Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichem Personal an wissenschaftlichen Einrichtungen erfasst sein, die zur Sicherung der Innovationsfähigkeit im Bereich der wissenschaftlichen Tätigkeit auf eine stete Personalfluktuation angewiesen sind (vgl. KR-Lipke 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 295; ErfK/Müller-Glöge 16. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 46a; KR-Treber § 1 WissZeitVG Rn. 80).
(2) Aus Sinn und Zweck der Befristungsregelungen in § 2 Abs. 1 WissZeitVG ergibt sich jedoch, dass die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen zum Zwecke ihrer wissenschaftlichen Qualifikation dort abschließend geregelt ist.
Die Befristung von Arbeitsverträgen mit nicht promoviertem wissenschaftlichen und künstlerischen Personal ist nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion, dh. in der sog. Postdoc-Phase, ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WissZeitVG eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren – im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren – möglich. Diese erleichterten Voraussetzungen in § 2 Abs. 1 WissZeitVG zur Befristung von Arbeitsverhältnissen mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG dienen der Wahrung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Wissenschafts- und Forschungsfreiheit; sie liegen im Interesse der Nachwuchs-und Qualifikationsförderung und tragen zur Sicherung der Innovation in Forschung und Lehre bei (vgl. BT-Drs. 15/4132 S. 17). Der Gesetzgeber hat die besonderen Möglichkeiten zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge zum Zwecke der wissenschaftlichen Qualifikation im WissZeitVG nach einer Abwägung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung mit dem nach Art. 12 Abs. 1 GG zu schützenden Interesse des Arbeitnehmers an einem unbefristeten Arbeitsverhältnis abschließend ausgestaltet. Es handelt sich somit um eine Spezialregelung gegenüber § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG (vgl. etwa KR-Lipke 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 295; ErfK/Müller-Glöge 16. Aufl. § 2 WissZeitVG Rn. 20; Preis WissZeitVG § 1 Rn. 80; KR-Treber § 1 WissZeitVG Rn. 80).
(3) Dem steht § 1 Abs. 2 WissZeitVG nicht entgegen. Zwar bleibt nach § 1 Abs. 2 WissZeitVG das Recht der Hochschulen unberührt, das in § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG bezeichnete Personal in unbefristeten oder nach Maßgabe des TzBfG befristeten Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags, der ausschließlich zur wissenschaftlichen Qualifizierung des Mitarbeiters geschlossen wird, mit dieser Begründung auf § 14 Abs. 1 TzBfG gestützt werden kann, wenn die Befristung den Anforderungen von § 2 WissZeitVG nicht genügt. Vielmehr ermöglicht § 1 Abs. 2 WissZeitVG die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen nach § 14 Abs. 1 TzBfG nur, wenn die Befristung nicht ausschließlich zum Zwecke der wissenschaftlichen Qualifizierung, sondern auch aus anderen Gründen erfolgt, etwa weil der Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG) oder weil der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG). Eine Befristung kann auf Sachgründe nach dem TzBfG nur gestützt werden, soweit der für die Befristung maßgebliche Sachverhalt nicht abschließend von der Befristungsregelung des § 2 Abs. 1 WissZeitVG erfasst wird. Findet das WissZeitVG keine Anwendung, weil die Befristung dem Zitiergebot in § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG nicht genügt, kann die Befristung daher nicht mit der Begründung, die Beschäftigung diene der wissenschaftlichen Qualifikation des Mitarbeiters, auf § 14 Abs. 1 TzBfG gestützt werden. Andernfalls ließen sich die Anforderungen des WissZeitVG an die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal umgehen. Das gilt nicht nur für die im WissZeitVG bestimmte Höchstbefristungsdauer, sondern insbesondere auch für das Zitiergebot in § 2 Abs. 4 WissZeitVG. Denn § 14 TzBfG enthält kein Zitiergebot wie § 2 Abs. 4 WissZeitVG (BAG 2. September 2009 – 7 AZR 233/08 – Rn. 24, BAGE 132, 59).
bb) Danach kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, die Befristung sei nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt, da sie der Habilitation und damit der wissenschaftlichen Weiterqualifikation der Klägerin gedient habe.
b) Ebenso wenig ist die Befristung des Arbeitsverhältnisses aus Gründen der Aus-, Fort- oder Weiterbildung der Klägerin gerechtfertigt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG).
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Aus-, Fortoder Weiterbildung eines Arbeitnehmers zwar grundsätzlich geeignet, die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich zu rechtfertigen, wenn dem Arbeitnehmer durch die Tätigkeit zusätzliche Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt werden, die durch die übliche Berufstätigkeit nicht erworben werden können. Der Beklagte hat insoweit jedoch ausschließlich geltend gemacht, die Beschäftigung der Klägerin habe ihrer Habilitation und damit ihrer wissenschaftlichen Weiterbildung gedient. Dieser Sachverhalt kann die Befristung des Arbeitsvertrags mit der Klägerin nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG rechtfertigen, da dieser Tatbestand für das wissenschaftliche Personal an Hochschulen abschließend durch die speziellere Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG geregelt ist.
c) Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Befristung nicht durch einen in der Person der Klägerin liegenden Grund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt ist.
Das Landesarbeitsgerichts hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die vom Beklagten vorgetragenen Umstände im Zusammenhang mit dem Erwerb der Habilitation nicht dem Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG zuzuordnen sind. Auf soziale Gesichtspunkte, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geeignet sein können, die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG zu rechtfertigen (vgl. BAG 24. August 2011 – 7 AZR 368/10 – Rn. 27; 21. Januar 2009 – 7 AZR 630/07 – Rn. 9 mwN), hat sich der Beklagte nicht berufen.
Die Befristung ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es im Interesse eines wissenschaftlichen Mitarbeiters liegt, nur bis zum Erwerb der Habilitation mit „Ausbildungsstatus” beschäftigt zu werden und dem Beklagten daran gelegen ist, wissenschaftliche Mitarbeiter nur bis zum Erreichen der angestrebten wissenschaftlichen Qualifikation zu beschäftigen, zumal dem Mitarbeiter nach § 72 Abs. 1 SächsHSG ein Teil der Arbeitszeit zur wissenschaftlichen Qualifikation zu belassen ist. Diesen Interessen tragen die besonderen Befristungsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG Rechnung, die insoweit als Spezialregelung § 14 Abs. 1 TzBfG verdrängen.
II. Der auf Weiterbeschäftigung gerichtete Antrag zu 2., mit dem die Klägerin ihre vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt, fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, da der Rechtsstreit mit der Entscheidung des Senats über den Befristungskontrollantrag rechtskräftig abgeschlossen ist.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Gräfl, M. Rennpferdt, Kiel, Krollmann, Holzhausen
Fundstellen
Haufe-Index 9783544 |
BAGE 2017, 101 |
BB 2016, 2483 |
DB 2016, 7 |