Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Hinterbliebenenversorgung. Altersabstandsklausel
Leitsatz (amtlich)
Eine Regelung in einer Versorgungsordnung, nach der Ehegatten, die mehr als 15 Jahre jünger als der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer sind, von der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen sind, bewirkt keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 AGG.
Orientierungssatz
1. Eine Regelung in einer Versorgungsordnung, die Ehegatten von der Zahlung einer Hinterbliebenenrente ausschließt, wenn sie mehr als 15 Jahre jünger als der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer sind, bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 AGG.
2. Die durch eine solche Altersabstandsklausel bewirkte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters ist nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sachlich gerechtfertigt.
3. Eine solche Regelung ist von einem legitimen Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG getragen. Durch den Ausschluss aus der Hinterbliebenenversorgung werden die damit verbundenen finanziellen Risiken begrenzt. Dies dient dem Interesse des Arbeitgebers an einer überschaubaren und kalkulierbaren Versorgungslast.
4. Eine solche Altersabstandsklausel ist angemessen und erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren ist der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner typischerweise darauf angelegt, dass der jüngere Ehepartner einen größeren Zeitabschnitt seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten und damit ohne die an dessen Einkommenssituation gekoppelten Versorgungsmöglichkeiten verbringt. Die Regelung schließt nur solche Ehegatten von der Hinterbliebenenrente aus, deren Altersunterschied zum Ehepartner den üblichen Abstand in erheblichem Maße übersteigt.
Normenkette
BetrAVG § 7 Abs. 2, § 1b Abs. 1 S. 1 Fassung: 2007-12-10; AGG §§ 1, 3, 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 7 Abs. 1-2, § 10 Sätze 1-2, 3 Nr. 4; BGB §§ 2, 1303 Abs. 1; Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 Art. 4; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Art. 2; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Art. 6; AEUV Art. 267 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 31. August 2016 – 11 Sa 81/16 – aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 2. Dezember 2015 – 2 Ca 9521/14 – wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung verpflichtet ist, der Klägerin eine Ehegattenrente zu gewähren.
Die im August 1968 geborene Klägerin ist die Witwe des im Juli 1950 geborenen und im November 2011 verstorbenen S. Die Ehe wurde im Juli 1995 geschlossen. Der verstorbene Ehemann der Klägerin war vom 1. Oktober 1987 bis zum 30. Juni 2011 bei der P GmbH und deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Ihm waren Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung vom 1. Dezember 1990 (im Folgenden VO 1990) zugesagt worden. Die VO 1990 bestimmt auszugsweise:
„§ 2 Versorgungsfall |
1) |
Als Eintritt des Versorgungsfalles gilt das Ausscheiden des Berechtigten aus dem Betrieb |
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a) |
nach Erreichen der Altersgrenze, |
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… |
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d) |
durch Tod. |
… |
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§ 3 Versorgungsleistungen |
1) |
Nach Eintritt des Versorgungsfalles und nach Erfüllung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen werden als Versorgungsleistungen gewährt: |
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entweder |
a) |
Altersrenten |
(§ 8) |
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… |
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oder |
d) |
Ehegattenrenten |
(§ 11) |
… |
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§ 11 Ehegattenrente |
1) |
Beim Tode eines Berechtigten mit Anspruch oder Anwartschaft auf Rente hat sein ihn überlebender Ehegatte Anspruch auf eine Ehegattenrente. |
2) |
Ein Anspruch auf Ehegattenrente setzt voraus, daß |
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a) |
die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Berechtigten und |
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b) |
vor Austritt aus dem Betrieb geschlossen wurde und |
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c) |
bis zum Zeitpunkt des Todes des Berechtigten bestanden hat und |
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d) |
der Ehegatte nicht um mehr als 15 Jahre jünger ist als der Berechtigte.” |
Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 1. November 2010 wurde über das Vermögen der P GmbH (im Folgenden Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte müsse ihr ab Dezember 2011 eine Ehegattenrente zahlen. Die Altersabstandsklausel in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 sei unwirksam. Sie bewirke eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision noch von Interesse – beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an sie eine Hinterbliebenenrente iHv. 13.654,35 Euro für den Zeitraum Dezember 2011 bis einschließlich August 2016 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 239,55 Euro ab dem 31. Dezember 2011 und sodann fortfolgend am letzten des jeweiligen Monats bis einschließlich 31. August 2016 zu zahlen;
- festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an sie in seiner Eigenschaft als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung beginnend mit dem September 2016 am letzten des jeweiligen Monats eine Hinterbliebenenrente iHv. 239,55 Euro zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage – soweit für die Revision noch von Interesse – stattgegeben. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungsantrag. Der Antrag richtet sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO, nämlich die Pflicht des Beklagten, an die Klägerin ab Dezember 2011 eine Ehegattenrente iHv. 239,55 Euro zu zahlen. Da der Beklagte diese Verpflichtung bestreitet, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Der Vorrang der Leistungsklage greift bereits deshalb nicht, weil bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz die Zahlung einer Ehegattenrente für die Zeit ab September 2016 noch nicht fällig war.
II. Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin eine Ehegattenrente zu zahlen. Zwar war der verstorbene Ehemann der Klägerin bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin am 1. November 2010 Versorgungsanwärter iSd. § 7 Abs. 2 BetrAVG, da er zu diesem Zeitpunkt über eine nach § 1b Abs. 1 Satz 1 BetrAVG idF vom 10. Dezember 2007 unverfallbare Versorgungsanwartschaft auf Leistungen nach der VO 1990 und damit aus einer unmittelbaren Versorgungszusage der Insolvenzschuldnerin verfügte. Die Klägerin erfüllt jedoch wegen des Ausschlusstatbestandes nach § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 die Voraussetzungen für eine Ehegattenrente nicht. Die im August 1968 geborene Klägerin ist um mehr als 15 Jahre jünger als ihr im Juli 1950 geborener (früherer) Ehemann. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Regelung in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 wirksam.
1. Der Ausschluss von Ehegatten, die mehr als 15 Jahre jünger als der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer sind, von der Gewährung einer Ehegattenrente bewirkt keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 AGG und ist damit nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam (für die Zulässigkeit einer solchen Altersabstandsklausel auch: Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert 3. Aufl. § 2 Rn. 156a; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 159; Bauer/Krieger NZA 2016, 22, 25; Bauer/Krieger AGG 4. Aufl. § 2 Rn. 49; Höfer/Höfer BetrAVG Stand Januar 2018 Kap. 7 Rn. 117; aA: Preis BetrAV 2010, 513, 515; Preis/Temming NZA 2008, 1209, 1215; Schiek/M. Schmidt AGG § 10 Rn. 25; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 69a; v. Roetteken AGG Stand Januar 2018 § 10 Rn. 448).
a) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist anwendbar.
aa) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentengesetz nicht vorrangige Sonderregelungen enthält (st. Rspr. seit BAG 11. Dezember 2007 – 3 AZR 249/06 – Rn. 22, BAGE 125, 133; 26. September 2017 – 3 AZR 72/16 – Rn. 30 mwN). Letzteres ist nicht der Fall.
bb) Der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AGG ebenfalls eröffnet. Zwar unterfällt die Klägerin – im Verhältnis zur Insolvenzschuldnerin – als Hinterbliebene ihres versorgungsberechtigten Ehemanns selbst nicht unmittelbar dem Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, da sie insoweit nicht zu den in § 6 Abs. 1 AGG genannten Personengruppen zählt. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Benachteiligung vorliegt, jedoch auf den versorgungsberechtigten Arbeitnehmer und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen (st. Rspr. vgl. etwa BAG 14. November 2017 – 3 AZR 781/16 – Rn. 17 ff. mwN). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, im Folgenden Richtlinie 2000/78/EG; EuGH 24. November 2016 – C-443/15 – [Parris] Rn. 67). Der verstorbene Ehemann der Klägerin fiel in den persönlichen Geltungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Dieses gilt nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG auch für Personen, deren Beschäftigungsverhältnis – wie vorliegend – bereits beendet ist.
cc) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Nach Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), das am 17. August 2006 verkündet wurde, trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz am 18. August 2006 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt stand der verstorbene Ehemann der Klägerin in einem Arbeitsverhältnis und damit in einem Rechtsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin; damit ist die zeitliche Anwendbarkeit des Gesetzes gegeben.
b) § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 verstößt nicht gegen §§ 1, 3 AGG. Die durch die Regelung bewirkte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters ist gerechtfertigt.
aa) Entgegen der Ansicht des Beklagten führt § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 AGG.
(1) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(2) Die Altersabstandsklausel in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 benachteiligt die von der Regelung erfassten Arbeitnehmer unmittelbar wegen ihres Alters (für eine unmittelbare Benachteiligung auch Preis BetrAV 2010, 513, 515; für eine lediglich mittelbare Benachteiligung dagegen: Bauer/Krieger AGG 4. Aufl. § 2 Rn. 49; Bauer/Krieger NZA 2016, 22, 25; EuArbR/Mohr 2. Aufl. Art. 6 RL 2000/78/EG Rn. 85; Rolfs SR 2013, 41, 46; BeckOK ArbR/Roloff Stand 1. Dezember 2017 AGG § 10 Rn. 18; MüKoBGB/Thüsing 7. Aufl. § 10 AGG Rn. 62; Thüsing BetrAV 2006, 704, 706; wohl auch Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 69a). Die Regelung, die an den Altersabstand zwischen dem Versorgungsberechtigten und seinem Ehepartner und damit an ein Kriterium anknüpft, das in untrennbarem Zusammenhang mit dem in § 1 AGG genannten Merkmal „Alter” steht, hat zwangsläufig zur Folge, dass nur Arbeitnehmer ab einem bestimmten Alter von § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 nachteilig betroffen sein können. Der durch die Klausel bewirkte Ausschluss von Ehegatten, die mehr als 15 Jahre jünger sind als der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer, aus der Hinterbliebenenversorgung, kann – ausgehend von einem Ehemündigkeitsalter von 18 Jahren nach § 1303 Abs. 1 iVm. § 2 BGB – regelmäßig nur solche Arbeitnehmer erfassen, die bei Eheschließung das 33. Lebensjahr vollendet haben. Unerheblich ist, dass nicht alle (verheirateten) Arbeitnehmer dieser Altersgruppe von der Regelung nachteilig betroffen sind, sondern nur solche, deren Ehepartner um mehr als 15 Jahre jünger ist. Eine unmittelbare Benachteiligung dieser Altersgruppe entfällt nicht deshalb, weil nur ein Teil der Merkmalsträger hiervon betroffen wird. Die unmittelbare Anknüpfung einer Regelung an ein Merkmal iSd. § 1 AGG wird durch die Einschränkung des Kreises der nachteilig Betroffenen nicht beseitigt.
bb) Ob § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 darüber hinaus auch zu einer mittelbaren Benachteiligung von Männern und damit wegen des Geschlechts nach §§ 1, 3 Abs. 2 AGG führt, hat der Senat nicht zu prüfen. Die Klägerin hat keinen Sachvortrag dazu gehalten, dass bei der Insolvenzschuldnerin typischerweise erheblich mehr Männer jüngere Frauen geheiratet haben und damit von der Klausel nachteilig betroffen waren.
cc) Die durch die Altersabstandsklausel in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 bewirkte Benachteiligung wegen des Alters ist nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sachlich gerechtfertigt.
(1) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den dort aufgeführten betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze allerdings iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein (st. Rspr. vgl. etwa BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 43, BAGE 152, 164; 9. Dezember 2014 – 1 AZR 102/13 – Rn. 25, BAGE 150, 136; 18. März 2014 – 3 AZR 69/12 – Rn. 20, BAGE 147, 279; 12. November 2013 – 3 AZR 356/12 – Rn. 22 mwN). Soweit die Voraussetzungen von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG erfüllt sind, ist eine unterschiedliche Behandlung danach zwar grundsätzlich, aber nicht immer zulässig (BAG 26. September 2017 – 3 AZR 72/16 – Rn. 38).
(2) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, im Folgenden Richtlinie 2000/78/EG) in das nationale Recht. Die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. bereits BAG 18. März 2014 – 3 AZR 69/12 – Rn. 22 ff. mwN, BAGE 147, 279). Dies gilt auch, soweit die dortigen Anforderungen an die Zulässigkeit von Altersgrenzen iSd. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG über das nach Unionsrecht Erforderliche hinausgehen (vgl. dazu ausführlich BAG 26. September 2017 – 3 AZR 72/16 – Rn. 40 ff.).
(3) Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Altersabstandsklausel in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 um eine Altersgrenze iSd. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG handelt. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annähme, dass der Tatbestand des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG im Streitfall nicht erfüllt wäre, wäre die durch die Regelung bewirkte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.
(a) Mit der Ausschlussregelung in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 werden legitime Ziele iSd. § 10 Satz 1 AGG verfolgt.
(aa) Legitime Ziele iSv. § 10 Satz 1 AGG sind wegen der in Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG genannten Beispielsfälle „Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung” sozialpolitische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung (vgl. EuGH 13. September 2011 – C-447/09 – [Prigge] Rn. 81 mwN; vgl. auch BVerfG 24. Oktober 2011 – 1 BvR 1103/11 – Rn. 15). Auch Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, die ein Arbeitgeber mit einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersversorgung anstrebt, können legitime Ziele im Sinne der unionsrechtlichen Vorgaben sein (vgl. EuGH 26. September 2013 – C-476/11 – [HK Danmark] Rn. 60 ff.). Dementsprechend sind Ziele, die im Rahmen von Anliegen der Beschäftigungspolitik und des Sozialschutzes einen Ausgleich zwischen verschiedenen beteiligten Interessen schaffen sollen, um damit der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen, als legitim iSv. § 10 Satz 1 AGG anzusehen. Dazu gehört auch, den unternehmerischen Belangen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen (vgl. EuGH 13. Juli 2017 – C-354/16 – [Kleinsteuber] Rn. 62 ff.). Indem § 10 AGG erlaubt, in Versorgungsordnungen die Leistungspflichten des Versorgungsschuldners zu begrenzen und damit für diesen eine verlässliche und überschaubare Kalkulationsgrundlage zu schaffen, verfolgt die gesetzliche Bestimmung das Ziel, die betriebliche Altersversorgung zu verbreiten. Es hält sich demnach im Rahmen dieses legitimen Ziels, wenn in einer Versorgungsordnung von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird (BAG 26. September 2017 – 3 AZR 72/16 – Rn. 49).
(bb) Das mit einer Regelung verfolgte Ziel muss dabei nicht ausdrücklich benannt werden. Auch aus dem allgemeinen Kontext der Regelung können sich Anhaltspunkte ergeben, die es ermöglichen, den Zweck der Regelung festzustellen und dadurch Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Bestimmung zu überprüfen (vgl. BAG 26. September 2017 – 3 AZR 72/16 – Rn. 50 mwN).
(cc) Danach ist der in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 geregelte Ausschluss von mehr als 15 Jahre jüngeren Ehegatten von der Hinterbliebenenversorgung durch ein legitimes Ziel gedeckt. Der Ausschluss begrenzt die mit der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung verbundenen finanziellen Risiken. Damit dient die Regelung dem Interesse des Arbeitgebers an einer überschaubaren und kalkulierbaren Versorgungslast. Gerade bei der Hinterbliebenenversorgung hat der Arbeitgeber ein anerkennenswertes Interesse an einer solchen Begrenzung, da ein derartiges Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken nicht nur in Bezug auf den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch hinsichtlich der Dauer der Leistungserbringung mit sich bringt.
(b) Der Ausschluss in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 ist auch angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG.
(aa) Eine Regelung, die eine Benachteiligung wegen des Alters bewirkt, ist nach § 10 Satz 2 AGG grundsätzlich angemessen, wenn sie erlaubt, das mit ihr verfolgte Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeitnehmer zu führen, die aufgrund der Klausel benachteiligt werden (vgl. EuGH 26. Februar 2015 – C-515/13 – [Ingeniørforengingen i Danmark] Rn. 25). Sie ist erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG, wenn sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 26. September 2013 – C-546/11 – [Dansk Jurist – og Økonomforbund] Rn. 59).
(bb) Gemessen daran ist die vorliegend streitbefangene Regelung sowohl angemessen als auch erforderlich.
(aaa) § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 ist durch den Ausschluss von Hinterbliebenen, die mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind, geeignet, das mit der Bestimmung verfolgte Ziel einer Risikobegrenzung zu erreichen. Die Regelung führt auch nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der berechtigten Interessen derjenigen Arbeitnehmer, die aufgrund der Klausel benachteiligt werden. Zwar haben verheiratete Arbeitnehmer – unabhängig vom Alter ihres Ehegatten – regelmäßig ein Interesse an der Versorgung ihrer Hinterbliebenen. Auch handelt es sich bei der Hinterbliebenenversorgung um Entgelt, das die versorgungsberechtigten Arbeitnehmer als Gegenleistung für ihre im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhalten. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren ist der – die Ehe prägende – gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner allerdings von vornherein darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt. Einem hohen Altersabstand innerhalb einer Ehe ist es typischerweise immanent, dass der jüngere Ehepartner einen größeren Zeitabschnitt seines Lebens ohne die an die Einkommenssituation des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers gekoppelten Versorgungsmöglichkeiten erleben wird. Es ist daher legitim, wenn ein Arbeitgeber dieses bereits strukturell im Lebenszuschnitt des Arbeitnehmers angelegte Risiko nicht durch die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung übernimmt.
Die Regelung in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 knüpft auch hinreichend an die für eine solche Situation maßgeblichen demographischen Kriterien an. Bei mehr als 80 vH aller Ehepaare beträgt der Altersabstand weniger als sieben Jahre (vgl. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Haushalte und Familien, Ergebnisse des Mikrozensus 2016 S. 80). Bei einem Altersabstand von 15 Jahren und mehr zwischen dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer und seinem Ehegatten liegt daher ein den Ausschluss aus der Hinterbliebenenversorgung tragender Unterschied zum typischen „Normalfall” vor. Die Bestimmung des § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 schließt nur solche Ehegatten von der Gewährung einer Ehegattenrente aus, deren Altersunterschied zum Ehepartner den üblichen Abstand in erheblichem Maße übersteigt.
(bbb) Der durch § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 bewirkte Anspruchsausschluss ist auch erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG. Die durch die Vorschrift bewirkte Begrenzung lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin mit gleicher Wirksamkeit nicht durch ein milderes Mittel erreichen. Bestimmungen, die eine Staffelung oder Quotelung der Ehegattenrente für mehr als 15 Jahre jüngere Hinterbliebene, ein nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnetes Abschmelzen der Ehegattenrente oder einen späteren Zahlungsbeginn vorsehen, führen nicht zu einem vollständigen Ausschluss der Hinterbliebenen von der Hinterbliebenenversorgung und sind damit nicht gleich wirksam. Auch durch eine Beschränkung der Bezugsdauer für alle Versorgungsberechtigten oder die Festlegung einer Höchstsumme für die Leistungen an die Hinterbliebenen lässt sich die durch § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 bewirkte Begrenzung der finanziellen Risiken für den Arbeitgeber nicht mit der gleichen Genauigkeit erreichen.
2. Die Altersabstandsklausel in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie die früheren Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt. Zwar dürfte es sich bei den Bestimmungen der VO 1990 um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 BGB handeln. Soweit die Klausel in § 11 Abs. 2 Buchst. d VO 1990 jedoch zu einer Benachteiligung der rechtlich anerkannten Interessen der Versorgungsberechtigten führt, ist dies durch das begründete und billigenswerte Interesse der Versorgungsschuldnerin an einer Begrenzung der Hinterbliebenenversorgung gerechtfertigt (vgl. allgemein zur unangemessenen Benachteiligung BAG 21. Februar 2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 35 mwN, BAGE 158, 154). Insoweit gilt im Streitfall für die Prüfung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nichts Weitergehendes als für die vorliegende Prüfung nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG.
III. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten. Der vorliegende Fall wirft keine entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts auf. Ob eine Diskriminierung wegen des Alters iSd. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG sachlich gerechtfertigt ist, haben die nationalen Gerichte zu prüfen (vgl. EuGH 5. März 2009 – C-388/07 – [Age Concern England] Rn. 47).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 ZPO.
Unterschriften
Zwanziger, Spinner, Ahrendt, Hausmann, Brunke
Fundstellen
Haufe-Index 11643357 |
BAGE 2019, 36 |
BB 2018, 1143 |
BB 2018, 691 |
BB 2018, 947 |
DB 2018, 20 |
DB 2018, 7 |
DStR 2018, 10 |