Entscheidungsstichwort (Thema)
Heimzulage
Orientierungssatz
1. Nicht jeder organisatorische Zusammenhang verleiht allen darin befindlichen Teilbereichen den Heimcharakter im tariflichen Sinne.
2. Eine Schule wird nicht deshalb zum Heim, weil unter anderen solche Personen sie besuchen, die in einem Heim untergebracht sind.
3. Betreut eine pädagogische Mitarbeiterin im Tagesdienst in einer Schule behinderte Schüler, von denen ein Teil in einem der Schule angeschlossenen Internat ständig untergebracht ist, hat sie keinen Anspruch auf eine Heimzulage, weil sie nicht in einem Heim tätig ist, selbst wenn Schule und Internat gemeinsam geleitet werden, solange beide Bereiche nach Aufgaben oder Organisation unterscheidbar sind.
Normenkette
Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (
Verfahrensgang
LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 08.09.2005; Aktenzeichen 10 (11) Sa 745/04) |
ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 27.08.2004; Aktenzeichen 6 Ca 3056/03) |
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 8. September 2005 – 10 (11) Sa 745/04 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 27. August 2004 – 6 Ca 3056/03 – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Heimzulage.
Die 1967 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Land seit dem Jahr 1991 als pädagogische Mitarbeiterin tätig. Im Arbeitsvertrag vom 27. April 1992 ist in § 2 Folgendes geregelt:
“Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10.12.1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.”
Die Klägerin war zuletzt in die VergGr. Vb Fallgr. 5 Teil II G (Sozial- und Erziehungsdienst) der Anlage 1a (B/TdL) zum BAT-O eingruppiert. Teil II G der Anlage 1a (B/TdL) zum BAT-O enthält folgende Protokollnotiz:
“Nr. 1
Der Angestellte – ausgenommen der Angestellte bzw. Meister im handwerklichen Erziehungsdienst – erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 61,36 € monatlich, wenn in dem Heim überwiegend Behinderte i. S. des § 39 BSHG (Fußnote 2: ab 01.01.2005 sind an die Stelle der für nicht erwerbsfähige Hilfsbedürftige geltenden Vorschriften des BSHG die Vorschriften des SGB XII – Sozialhilfe – getreten) oder Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind; sind nicht überwiegend solche Personen ständig untergebracht, beträgt die Zulage 30,68 € monatlich.
Für den Angestellten bzw. Meister im handwerklichen Erziehungsdienst in einem Heim im Sinne des Unterabsatzes 1, erster Halbsatz beträgt die Zulage 40,90 € monatlich.
Die Zulage wird nur für Zeiträume gezahlt, für die Bezüge (Vergütung, Urlaubsvergütung, Krankenbezüge) zustehen. …”
Die Klägerin ist als pädagogische Mitarbeiterin am Landesbildungszentrum für Körperbehinderte des beklagten Landes in Halle (LBZ) eingesetzt. Dieses besteht aus einer Schule und einem angeschlossenen Internat, in dem etwa 50 behinderte Schüler ständig untergebracht sind. Sie besuchen tagsüber die im selben Haus auf einer anderen Etage befindliche Schule, die von weiteren ca. 230 behinderten Schülerinnen und Schülern, den sog. Tageskindern, besucht wird. Internatskinder und Tageskinder werden während des Aufenthalts in der Schule und nach dem Schulunterricht gemeinsam ua. von der Klägerin unterrichtsergänzend und während der Mahlzeiten und Ruhephasen in der Schule betreut. Anschließend werden die Tageskinder entweder von ihren Eltern oder von Fahrdiensten abgeholt und nach Hause gebracht. Die Internatskinder gehen in das Internat und werden dort weiter von im Schichtdienst arbeitenden sozialpädagogischen Mitarbeitern betreut.
Schule und Internat werden organisatorisch, administrativ und personell einheitlich geleitet. Eine Mitarbeiterin ist als Koordinatorin zwischen dem Schul- und dem Internatsbetrieb tätig. Diese Mitarbeiterin sowie die ausschließlich im Internat tätigen sozialpädagogischen Betreuerinnen und Betreuer erhalten die Heimzulage.
In einer Tätigkeitsbeschreibung für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Sonderschulen einschließlich der Wohnheime/Internate, die vom Kultusministerium des beklagten Landes am 18. Oktober 2001 erlassen wurde, heißt es unter Punkt 4:
“Der Einsatz im Wohnheim/Internat ist kein eigenständiges Aufgabenfeld, sondern Bestandteil des Gesamtaufgabenfeldes pädagogischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Sonderschulen. Es ist jedoch zulässig, nur einen Teil des vorhandenen Personals in diese schichtplanmäßig zu leistende Erziehungsarbeit einzubeziehen. …”
Die Klägerin hatte die Heimzulage ebenfalls erhalten. Mit Schreiben vom 20. November 2002 teilte das beklagte Land ihr mit, nach Überprüfung ihres tatsächlichen Einsatzes im LBZ habe sie keinen Anspruch auf die Zulage. Ab Dezember 2002 zahlte das beklagte Land der Klägerin die Zulage unter dem Vorbehalt der Rückforderung und ab Dezember 2003 gar nicht mehr. Den im Jahr 2002 gezahlten Betrag behielt das Land ein.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe die Heimzulage weiterhin zu. Das LBZ sei insgesamt ein Heim, da die Einrichtung weder organisatorisch, administrativ, personell noch räumlich zwischen Schul- und Internatsbetrieb unterscheide. Im Internat sei der in der Protokollnotiz genannte Personenkreis ständig untergebracht und die Klägerin betreue die behinderten Kinder ebenso wie die Tageskinder. Sie meint, sie sei genauso wie die Koordinatorin zwischen Schule und Internat, die die Heimzulage erhalte, zu behandeln.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
an sie in der Zeit vom 1. Dezember 2002 bis 30. Oktober 2003 und ab dem 2. Dezember 2004 eine sogenannte Heimzulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil II G (Sozial- und Erziehungsdienst) der Anlage 1a zum BAT-O iHv. 61,36 Euro monatlich zu zahlen,
hilfsweise
das beklagte Land zu verpflichten, an sie 1.288,56 Euro Heimzulage für den 1. Februar 2002 bis 30. Oktober 2003 zu zahlen und festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab dem 2. Dezember 2004 eine Heimzulage nach Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil II G (Sozial- und Erziehungsdienst) der Anlage 1a zum BAT-O in Höhe von 61,36 Euro monatlich zu zahlen.
Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, der Klägerin stehe die Heimzulage nicht zu, da sie nicht in einem Heim oder einer vergleichbaren Einrichtung tätig sei. Sie sei ausschließlich im Schuldienst tätig, auch wenn sie ua. Internatskinder in der Schule betreue. Ihre Tätigkeit unterliege nicht den Erschwernissen, die die Heimzulage ausgleichen wolle, nämlich die Tätigkeit in einer Einrichtung, in der der genannte Personenkreis ständig untergebracht sei. Die Erschwernisse, die mit dem Umgang mit behinderten Kindern einhergingen, würden bereits durch die höhere Eingruppierung im Vergleich zu dem Sozial- und Erziehungsdienst mit nichtbehinderten Kindern abgegolten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf die Heimzulage angenommen, da es sich beim LBZ um einen einheitlichen Schul- und Internatsbetrieb handele. Es würden überwiegend behinderte Kinder ständig zum Zwecke der Ausbildung in dem Internat untergebracht. Die räumlich-organisatorische Verknüpfung zwischen Schulbetrieb und Internat führe dazu, dass auch die Klägerin in einem Heim tätig sei. Sinn und Zweck der Regelung sei es, die besonderen Erschwernisse auszugleichen, die im Umgang mit den Behinderten des Heims entstünden. Auch die Tätigkeitsbeschreibung vom 18. Oktober 2001 weise darauf hin, dass sich Schulbetrieb und Heimbetreuung nicht trennen ließen. Die größere Anzahl der externen Schüler ändere daran nichts.
II. Diese Ausführungen halten der Revision nicht stand. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Heimzulage. Die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil II G der Anlage 1a zum BAT-O sind nicht erfüllt.
1. Allerdings übt die Klägerin eine Tätigkeit als Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst iSd. der Anlage 1a zum BAT-O Teil II G aus, für die die Zahlung einer Heimzulage in Betracht kommt.
2. Die Klägerin ist jedoch nicht in einem Heim iSd. Protokollnotiz Nr. 1 beschäftigt.
a) Die Tarifvertragsparteien haben den unbestimmten Rechtsbegriff “vergleichbare Einrichtung (Heim)” iSd. der Protokollnotiz Nr. 1 nicht definiert. Was sie unter einem Heim verstehen, ist durch Auslegung des Tarifvertrages und der dazu vereinbarten Protokollnotizen zu ermitteln.
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. zB BAG 19. Januar 2000 – 4 AZR 814/98 – BAGE 93, 229, zu 3a der Gründe).
bb) Enthält ein Tarifvertrag unbestimmte Rechtsbegriffe, haben die Tatsachengerichte bei der Subsumtion einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht kann seine Anwendung nur daraufhin überprüfen, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Subsumtion des Sachverhalts Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. BAG 23. Oktober 2002 – 10 AZR 60/02 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 35).
b) Der Überprüfung nach diesen Maßstäben hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand.
aa) Allerdings ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, dass es sich bei dem Internat um ein Heim bzw. eine vergleichbare Einrichtung iSd. Protokollnotiz handelt. Die dort untergebrachten Personen sind dort zu Hause, wobei es unschädlich ist, dass sie den Heimbereich täglich verlassen, um zur Schule zu gehen. Sie gehören zu dem Personenkreis, der in der Protokollnotiz erfasst ist, nämlich Behinderte iSd. § 39 BSHG (seit dem 1. Januar 2005 iSd. § 53 SGB XII), die zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind. Da sie dort zumindest während der Woche ständig leben, ist das Heim auch ein Ort, zu dem sie eine gefühlsmäßige Bindung entwickeln (vgl. BAG 23. Februar 2000 – 10 AZR 82/99 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 26). Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Dementsprechend erhalten die dort beschäftigten Betreuungskräfte auch die Heimzulage.
bb) Die Klägerin ist jedoch nicht im Internatsbereich tätig. Ihre Betreuung der Tages- und der Internatskinder im Tagesdienst der Schule könnte nur dann einen Zulagenanspruch auslösen, wenn die gesamte Schule ebenfalls den Charakter eines Heims bzw. einer vergleichbaren Einrichtung hätte. Es ist zwar denkbar, dass Unterricht und Wohnen so eng miteinander verknüpft sind, dass von einer einheitlichen Einrichtung gesprochen werden muss. Dies ist beim LBZ aber nicht der Fall.
(1) Zwar trifft es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu, dass eine einheitliche Leitung das LBZ organisatorisch und personell führt. Schul- und Internatsbereich sind einander auch räumlich nah. Dennoch verrichtet die Klägerin genauso wenig wie die unterrichtserteilenden Lehrer ihre Tätigkeit in einem Heim. Dass auch innerhalb der Einrichtung eine gewisse fachlich-inhaltliche Abgrenzung getroffen wird, wird daraus deutlich, dass in ihr eine Koordinatorin tätig ist, die die Arbeit der beiden Bereiche miteinander in Einklang bringen soll. Da diese Arbeitnehmerin zumindest auch im Internat arbeitet, mag es gerechtfertigt sein, ihr die Zulage zu gewähren.
(2) Nicht jeder organisatorische Zusammenhang verleiht allen darin befindlichen Teilbereichen den Heimcharakter. Der Senat hat in der Entscheidung vom 18. Mai 1994 (– 10 AZR 540/92 – ZTR 1995, 76) angenommen, dass ein von derselben Heimleitung neben einem vollstationären Internatsbetrieb geführtes Tagesheim, in dem montags bis freitags Kinder nach dem Schulbesuch bis zu ihrer Rückkehr zu ihren Familien betreut wurden, eine nicht zulagenauslösende teilstationäre Einrichtung sei und keine unselbständige Abteilung des Gesamtheims. Nur bei einer ohne räumliche und organisatorische Trennung erfolgenden Betreuung der ständig und der nicht ständig untergebrachten Personen durch alle Mitarbeiter könnten die Erschwernisse eintreten, deren Ausgleich Sinn und Zweck der Zulagenregelung sei.
In der Entscheidung vom 20. März 2002 (– 10 AZR 518/01 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 34) hat der Senat ausgeführt, dass die räumlich und organisatorisch zusammenhängende Einrichtung “Heim” dadurch gekennzeichnet sei, dass eine – in der Regel größere – Zahl von Menschen dort lebe, die in eine nicht durch sie selbst gesetzte Ordnung eingebunden sei und die sich an Regeln halten müsse, die typischerweise durch die Heimleitung festgesetzt werde. In dieser Entscheidung wurde eine Jugendwohngemeinschaft, die im Wesentlichen begleitete Selbsthilfe bezweckte, nicht als eine einem Heim vergleichbare Einrichtung angesehen. Ein Heim im Tarifsinne wird ua. dadurch gekennzeichnet, dass die zu betreuenden Personen von einer einheitlichen Hausordnung oä. erfasst werden. Eine solche Ordnung will Konflikte regeln oder vermeiden, die durch das ständige Zusammenwohnen tagsüber und nachts entstehen. Gerade der Freizeitbereich vor und nach dem Schlafengehen und die Konflikte, die sich in dieser Zeit ergeben können, begründen bei der Betreuung der in der Protokollnotiz genannten Personen besondere Erschwernisse, die mit der Zulage ausgeglichen werden sollen. In einer Schule können andersartige Konflikte entstehen, die häufig durch eine Schulordnung geregelt werden. Die in diesem Rahmen entstehenden Erschwernisse sollen aber gerade durch die Heimzulage nicht ausgeglichen werden.
(3) Daher reicht es auch nicht aus, dass die Klägerin in der Schule auch Internatskinder betreut. Auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26. März 1997 (– 4 AZR 510/95 – AP ZPO § 559 Nr. 1) geht davon aus, dass unterschiedliche Tätigkeiten in Teileinrichtungen eines Erziehungsheims tarifrechtlich unterschiedlich zu betrachten sein können.
(4) Der Schulbetrieb des LBZ selbst ist entgegen der Ansicht der Klägerin keine einem Heim vergleichbare Einrichtung. Hier sind die behinderten Kinder nicht ständig untergebracht. Sie gehen dort nur zur Schule und verlassen diesen Teil der Einrichtung nach Ende des Unterrichts bzw. des Betreuungszeitraums wieder, um nach Hause zu gehen, entweder in ihr Elternhaus oder ins Internat. Sie wohnen also nicht in der Schule. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die überwiegende Zahl der Schüler das LBZ am Nachmittag verlässt. Selbst wenn die Zahl der Internatskinder größer wäre als diejenige der Tageskinder, wäre die Schule dennoch kein Heim im Tarifsinne. Der Senat hat bereits in der Entscheidung vom 23. Juni 1993 (– 10 AZR 441/91 –) betont, dass ein Anspruch auf die Zulage nicht schon dann entsteht, wenn einem Arbeitnehmer die erzieherische Betreuung körperlich, seelisch oder geistig behinderter Kinder oder Jugendlicher obliegt. Diese Tätigkeit sei für die Eingruppierung maßgebend. Demgegenüber seien die zusätzlichen Voraussetzungen für den Anspruch der Zulage nur dann erfüllt, wenn die Tätigkeit in den in der Protokollnotiz genannten Einrichtungen ausgeübt werde. Die Ursache dafür liege in dem in den Heimen anfallenden besonderen Dienst. Die Angestellten seien in der Regel ohne Rücksicht auf die Arbeitszeit Ansprechpartner der untergebrachten Kinder und Jugendlichen. Dies sei auch bei einer erzieherischen Tätigkeit in der Abteilung eines Krankenhauses nicht gegeben. Weiterhin hat der Senat in der Entscheidung vom 27. September 2000 (– 10 AZR 640/99 – Rn. 34, ZTR 2001, 177) betont, dass nur die Tätigkeit in einem Wohnheim die Zulage auslösen könne, nicht jedoch diejenige in den außerhalb des Wohnheims lebenden Wohngruppen. Die Tätigkeit wird damit klar bezogen auf die Arbeit an dem Ort und in der organisatorischen (Teil-)Einheit, in der der genannte Personenkreis auch tatsächlich wohnt in dem Sinne, dass er dort schläft und sich dort aufhält, wenn nicht gerade die Schule oder eine andere Ausbildungsstätte besucht wird.
(5) Die vom Landesarbeitsgericht und der Klägerin herangezogene Entscheidung vom 22. Dezember 1994 (– 6 AZR 524/94 –) widerspricht dem nicht. Hierin ging es um die Anmerkung zu einer Entgeltgruppe der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes – Innere Mission und Hilfswerk – der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie lautete:
“Der Mitarbeiter … erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 120,- DM monatlich, wenn in dem Heim überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG … ständig untergebracht sind; sind nicht überwiegend solche Personen untergebracht, beträgt die Zulage 60,- DM monatlich. Für Mitarbeiter in einer Werkstatt für Behinderte in einem Heim im Sinne des Unterabs. 1 erster Halbsatz beträgt die Zulage 80,- DM monatlich …”
Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung die Tätigkeit eines Werkstattmeisters in einer auf demselben Gelände befindlichen Werkstatt deshalb als zulagenauslösend angesehen, weil die Werkstatt mit dem Heim räumlich und organisatorisch verknüpft war. Es sollten die besonderen Erschwernisse der Mitarbeiter im Umgang mit den Behinderten des Heimes in der Werkstatt durch die Zulage ausgeglichen werden. Diese seien ebenso gegeben, wie es der Fall wäre, wenn Heim und Werkstatt sich in demselben Gebäude befänden. Dort war also eine Sonderregelung für Mitarbeiter in einer Werkstatt für Behinderte zu beurteilen, die sich in einem Heim befinden musste. Auch die hier zu beurteilende Protokollerklärung regelt gesondert die Zulage für Angestellte bzw. Meister im handwerklichen Erziehungsdienst, soweit sie in einem Heim tätig sind. Befände sich eine solche Einrichtung auf einer weiteren Etage des LBZ, könnte die Entscheidung des Sechsten Senats vom 22. Dezember 1994 einschlägig sein. Die Protokollerklärung Nr. 1 hat jedoch keine entsprechende Regelung für Angestellte im Tagesdienst der Schule, sofern eine räumlich-organisatorische Verknüpfung mit einem Heim besteht.
(6) Die Tätigkeitsbeschreibung vom 18. Oktober 2001 kann den Heimcharakter des Schulbetriebs nicht begründen. Sie beschreibt das Gesamtaufgabenfeld, in dem die pädagogischen Mitarbeiter kraft des Direktionsrechts des beklagten Landes einsetzbar sind. Damit könnte die Klägerin durchaus in den Internatsbereich versetzt werden, ohne dass es einer Änderungskündigung bedürfte. Über den Zulagenanspruch sagt diese Regelung nichts aus, im Gegenteil geht daraus hervor, dass nur ein Teil des pädagogischen Personals im Heim eingesetzt werden kann.
III. Die Kosten der Revision und der Berufung hat die Klägerin zu tragen (§ 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Feldmann, Frese
Fundstellen