Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Kündigungsfristen für ältere gewerbliche Arbeitnehmer
Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn eine tarifliche Regelung der Fristen für die Kündigung Arbeitern wegen Verstoßes gegen Art 3 GG nichtig ist, dann ist die unbewußte Lücke von den Gerichten durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, welche Regelung die Tarifvertragsparteien mutmaßlich getroffen hätten, wenn ihnen die Nichtigkeit bewußt gewesen wäre (im Anschluß an BAG Beschluß vom 28.2.1985, 2 AZR 403/83 = BAGE 49, 21 = AP Nr 21 zu § 622 BGB).
2. Wenn es an solchen ausreichenden Anhaltspunkten fehlt und dem Tarifvertrag der Wille der Parteien zu entnehmen ist, sich an die jeweilige verfassungskonforme gesetzliche Regelung zu halten, dann ist der Rechtsstreit bis zur normativen Neuregelung der verfassungswidrigen Fristenregelung (sei es durch Gesetz, sei es durch TV) auszusetzen, wobei allerdings der Erlaß eines Teilurteils in Betracht kommen kann.
Orientierungssatz
Hinweis des Senats: "Vergleiche auch das Urteil des Senats vom 21. März 1991 - 2 AZR 616/90 - und den Beschluß des Senates vom 21. März 1991 - 2 AZR 296/87 -."
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.03.1984; Aktenzeichen 15 (11) Sa 1405/83) |
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 30.06.1983; Aktenzeichen 2 Ca 1714/83) |
Tatbestand
Der am 18. August 1946 geborene Kläger war seit dem 28. Januar 1976 bei der Gemeinschuldnerin als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 (MTV 1980) Anwendung.
Mit Schreiben vom 4. Mai 1983 hat der Beklagte als Konkursverwalter dem Kläger das Arbeitsverhältnis unter Beachtung einer Kündigungsfrist gemäß § 13 Nr. 9 Buchstabe a MTV 1980 von zwei Wochen ordentlich zum 20. Mai 1983 gekündigt.
Die ordentliche Kündigung von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten wird in § 13 MTV wie folgt geregelt:
"2. Mit gewerblichen Arbeitnehmern kann eine Pro-
bezeit bis zu vier Wochen vereinbart werden.
Innerhalb der Probezeit kann das Arbeitsver-
hältnis mit einer Frist von zwei Tagen gekün-
digt werden.
Mit Angestellten kann eine Probezeit bis zu
drei Monaten vereinbart werden. Innerhalb der
Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit
einer Frist von einem Monat zum Monatsschluß
gekündigt werden.
....
7. Abgesehen von den Fällen der Ziff. 2 kann das
Arbeitsverhältnis mit folgenden Fristen ge-
kündigt werden:
a)bei gewerblichen Arbeitnehmern mit einer
Frist von 14 Tagen,
b)bei Angestellten mit einer Frist von sechs
Wochen zum Quartalsschluß.
8. Das Arbeitsverhältnis der Montagezeitarbeiter
kann während der ersten sechs Monate der Be-
schäftigung - auch auf verschiedenen Montage-
stellen - mit einer Frist von zwei Tagen ge-
kündigt werden. Danach gilt die Kündigungs-
frist der Ziffer 7, sofern die Montage nicht
beendet ist.
9. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis
eines Arbeitnehmers, so beträgt die Kündi-
gungsfrist:
a)bei gewerblichen Arbeitnehmern
nach einer Betriebszugehörigkeit von fünf
Jahren einen Monat zum Monatsende,
nach einer Betriebszugehörigkeit von zehn
Jahren zwei Monate zum Monatsende,
nach einer Betriebszugehörigkeit von 15
Jahren drei Monate zum Monatsende.
Bei der Berechnung der Betriebszugehörig-
keit werden Zeiten, die vor Vollendung des
35. Lebensjahres liegen, nicht berücksich-
tigt.
b)bei Angestellten
nach einer Betriebszugehörigkeit von fünf
Jahren drei Monate,
nach einer Betriebszugehörigkeit von acht
Jahren vier Monate,
nach einer Betriebszugehörigkeit von zehn
Jahren fünf Monate,
nach einer Betriebszugehörigkeit von zwölf
Jahren sechs Monate
jeweils zum Schluß eines Kalenderviertel-
jahres. Bei der Berechnung der Betriebszu-
gehörigkeit werden Zeiten, die vor Vollen-
dung des 25. Lebensjahres liegen, nicht
berücksichtigt.
Die Vereinbarung beiderseits geltender länge-
rer Kündigungsfristen durch Einzelarbeitsver-
trag ist zulässig.
10. Einem Arbeitnehmer, der das 55. aber noch
nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und
dem Betrieb/Unternehmen zehn Jahre angehört,
kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt
werden.
....."
Der Kläger, der sich mit der vorliegenden Klage nach § 256 ZPO gegen den durch die Kündigung bestimmten Beendigungszeitpunkt wendet, hat zunächst die Auffassung vertreten, der Rechtsstreit sei an sich aufgrund des eine Anwendungssperre bewirkenden Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 (BVerfGE 62, 256 = AP Nr. 16 zu § 622 BGB), durch den § 622 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB für verfassungswidrig erklärt worden ist, bis zur gesetzlichen Neuregelung auszusetzen. Bis zu diesem Zeitpunkt seien die Gerichte jedoch gehalten, bei der Berechnung der Kündigungsfrist auch bei Arbeitern die Beschäftigungsjahre bereits ab dem 25. Lebensjahr zu berücksichtigen.
Er hat beantragt festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 4. Mai 1983 zum 20. Mai 1983 nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30. September 1983 fortbesteht. Hilfsweise hat er beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni 1983 fortbesteht.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, eine Aussetzung des Rechtsstreits komme nicht in Betracht. Das Bundesverfassungsgericht habe die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB nur für verfassungswidrig erklärt. Daraus folge, daß bis zu einer Neuregelung des Gesetzgebers die bisherige Regelung weiter anzuwenden sei.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Der Senat hat durch Beschluß vom 28. Februar 1985 den Rechtsstreit bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung der für Arbeiter bei der Berechnung der verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB zu berücksichtigenden Betriebszugehörigkeit ausgesetzt (vgl. den veröffentlichten Beschluß vom 28. Februar 1985 in der Parallelsache - 2 AZR 403/83 - BAGE 49, 21 = AP Nr. 21 zu § 622 BGB).
In einem weiteren Manteltarifvertrag für die Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen (MTV 1988) vom 29. Februar 1988 sind die Kündigungsfristen gegenüber dem MTV 1980 nicht geändert worden. In der Protokollnotiz zu § 20 Nr. 1 und 3 des MTV 1988 heißt es:
"Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, daß
bei einer gesetzlichen Änderung der Kündigungs-
fristen und der Berechnung der Betriebszugehörig-
keitszeiten Verhandlungen über diese tariflichen
Bestimmungen aufgenommen werden."
Nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 30. Mai 1990 (BVerfGE 82, 126 = AP Nr. 28 zu § 622 BGB) festgestellt hat, § 622 Abs. 2 BGB sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 2 GG) unvereinbar, soweit hiernach die Kündigungsfristen für Arbeiter kürzer seien als für Angestellte, hat der Kläger um Fortsetzung des Verfahrens gebeten und seine bisherigen Feststellungsanträge weiter verfolgt. Er ist der Auffassung, nach der gesetzlichen Neuregelung des § 622 Abs. 2 BGB sei jedenfalls sein Hilfsantrag zweifelsfrei begründet. Hinsichtlich des Hauptantrages sei wegen des Verstoßes des Tarifvertrages gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Bereich der Kündigungsfristen für ältere Arbeiter eine unbewußte Regelungslücke entstanden. Diese Regelungslücke sei nach den allgemeinen Grundsätzen so zu schließen, wie es die Tarifpartner getan hätten, wenn ihnen die Grundgesetzwidrigkeit dieser Regelung bewußt gewesen wäre. Dabei sei es Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, Tariflücken unbedingt zu schließen. Deswegen könne auch die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, der Rechtsstreit sei bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auszusetzen, nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden. Die entstandene Lücke müsse vielmehr vom Senat verfassungskonform geschlossen werden. Die Lückenausfüllung könne nur darin bestehen, für den Kläger die Kündigungsfrist für ältere Angestellte zugrunde zu legen. Das sei deswegen geboten, weil die Entscheidungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen so gering seien, daß sie praktisch nur die Möglichkeit der Angleichung an die Angestelltenfristen hätten. Wie die Tarifvertragsparteien künftig die Kündigungsfristen regelten, sei für die vorliegende Entscheidung unerheblich, weil es um die Regelung der Kündigungsfristen des Klägers im Lichte der Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung gehe.
Der Beklagte hält § 13 Nr. 9 a MTV 1980 für verfassungskonform und deswegen an seinem Antrag auf Zurückweisung der Revision fest. Auch einer Aussetzung des Rechtsstreites bedarf es nach seiner Auffassung aus folgenden Gründen nicht: Die tarifliche Vorschrift für die Kündigung älterer Arbeiter enthalte eine eigenständige tarifliche Regelung der Kündigungsfristen von gewerblichen Arbeitern. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 sei es den Tarifpartnern gestattet, für einen ganz speziellen Teilbereich unterschiedliche Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte festzulegen. Die Tarifvertragsparteien hätten einen größeren Spielraum als der Gesetzgeber, weil die Beschäftigungssituation im Bereich des MTV 1980 anders sei als im gesamten Bundesgebiet, bezogen auf die Großgruppen von Arbeitern und Angestellten. Im Bereich des einschlägigen MTV seien erheblich mehr angelernte Arbeiter und hochqualifizierte Angestellte beschäftigt als im Durchschnitt des Bundesgebietes. Durch längere Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer würden die Sozialpläne unerträglich verteuert und außerdem sei das Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität im produktiven Bereich in Nordrhein-Westfalen besonders hoch. Es sei daher typisierend für die gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens, daß sie in der Produktion tätig seien. Es sei nicht erforderlich, für die wenigen Arbeiter, die auf der administrativen Ebene arbeiteten, längere Kündigungsfristen zu schaffen. Selbst bei Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 13 Nr. 9 a MTV 1980 sei weder diese Norm der des § 13 Nr. 9 b MTV 1980 für die Angestellten anzugleichen noch der Rechtsstreit bis zur gesetzlichen Neuregelung des § 622 Abs. 2 BGB auszusetzen, weil eine Aussetzung der Intention des Bundesverfassungsgerichts widerspreche, an der Unterschiedlichkeit der Kündigungsfristen von Angestellten und Arbeitern jedenfalls bis zum 30. Juni 1993 festzuhalten. Nur dann, wenn der Senat auch diesen Argumenten nicht folge, sei der Rechtsstreit bis zur gesetzlichen bzw. tariflichen Neuregelung auszusetzen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit ist gegenwärtig nur teilweise zur Endentscheidung reif. Es war durch Teilurteil nach § 301 ZPO festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vor dem Ablauf des 30. Juni 1983 aufgelöst worden ist, während die Entscheidung über den Auflösungszeitpunkt bis zur normativen Neufassung der Kündigungsregelung für ältere Arbeiter (§ 622 Abs. 2 BGB), längstens jedoch bis zum 30. Juni 1993, durch einen gleichzeitig verkündeten Beschluß des Senates auszusetzen und dem Schlußurteil vorzubehalten war.
Die Aussetzung bedarf keiner selbständigen Begründung, weil sie sich bereits aus folgenden Erwägungen ergibt, die für den Erlaß des Teilurteils und die im übrigen noch fehlende Entscheidungsreife maßgebend sind:
I. Wie der Senat bereits im Beschluß vom 28. Februar 1985 (ebenso in dem veröffentlichten Beschluß vom 28. Februar 1985 - 2 AZR 403/83 - BAGE 49, 21 = AP Nr. 21 zu § 622 BGB) dargelegt hat, stellt § 13 Nr. 9 Buchstabe a des vorliegend einschlägigen MTV eine eigenständige tarifliche Regelung dar, die in ihrer normativen Wirkung nicht unmittelbar vom Gesetz abhängig ist. In dieser rechtlichen Würdigung besteht auch zwischen den Parteien Einvernehmen.
II. Da die Grundfristen oder die verlängerten Fristen für die ordentliche Kündigung von Arbeitern in Tarifverträgen eigenständig (konstitutiv) geregelt sind, haben die Gerichte für Arbeitssachen in eigener Kompetenz zu prüfen, ob die Kündigungsregelungen im Vergleich zu den für Angestellte geltenden Bestimmungen mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG vereinbar sind, an den auch die Tarifpartner uneingeschränkt gebunden sind (BAG Beschluß vom 28. Februar 1985, aaO; BAG Beschluß vom 28. Januar 1988 - 2 AZR 296/87 - AP Nr. 24 zu § 622 BGB, zu 2 d der Gründe).
1. Wie der Senat im Anschluß an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (aaO) in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 21. März 1991 in der Revisionssache 2 AZR 616/90 dargelegt hat, fehlt es an sachlichen Gründen für unterschiedliche Regelungen, wenn eine schlechtere Rechtsstellung der Arbeiter nur auf einer pauschalen Differenzierung zwischen den Gruppen der Angestellten und der Arbeiter beruht.
2. Sachlich gerechtfertigt sind nur hinreichend gruppenspezifisch ausgestaltete unterschiedliche Regelungen, die z.B. entweder nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe nicht intensiv benachteiligen, oder funktions-, branchen- oder betriebsspezifischen Interessen im Geltungsbereich des Tarifvertrages mit Hilfe verkürzter Kündigungsfristen für Arbeiter entsprechen.
3. Dieser Prüfungsmaßstab gilt sowohl für unterschiedliche Grundfristen als auch für ungleich verlängerte Fristen für Arbeiter und Angestellte mit längerer Betriebszugehörigkeit und höherem Lebensalter.
4. Soweit es - wie vorliegend - nicht nur um unterschiedlich verlängerte Kündigungsfristen für ältere Arbeiter und ältere Angestellte, sondern auch um unterschiedlich gestaffelte Wartefristen für die verlängerten Fristen für ältere Arbeitnehmer geht, die jeweils an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfen, sind darüber hinaus folgende Grundsätze zu beachten:
Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 (BVerfGE 62, 256 = AP Nr. 16 zu § 622 BGB) ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, bei der Berechnung der für die verlängerten Kündigungsfristen maßgeblichen Beschäftigungsdauer eines Arbeiters Zeiten nicht zu berücksichtigen, die vor Vollendung des 35. Lebensjahres liegen, während bei einem Angestellten bereits Zeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres mitgerechnet werden. Aus den vom Bundesverfassungsgericht ausgeführten Gründen, denen sich der Senat bereits im Beschluß vom 28. Februar 1985 (aaO) angeschlossen hat, ist auch eine Tarifnorm, die die frühere gesetzliche Regelung insoweit unverändert übernommen hat, nicht mit Art. 3 GG zu vereinbaren und deswegen unwirksam.
Verfassungswidrig sind nicht nur unterschiedliche Wartezeiten, die sich aus der unterschiedlichen Berücksichtigung des für die Anrechnung der Betriebszugehörigkeit maßgebenden Lebensalters ergeben. Ebenso sind vielmehr auch unterschiedliche Zeiten der Betriebszugehörigkeit zu beurteilen, die einerseits nach § 2 AngKSchG und andererseits nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB oder für eine inhaltsgleiche tarifliche Norm für Angestellte und Arbeiter gelten sollen (BAG Beschluß vom 28. Januar 1988, aaO). Wie der Senat im Urteil vom 21. März 1991 (- 2 AZR 616/90 - zur Veröffentlichung vorgesehen) im Anschluß an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (aaO) dargelegt hat, sind zwar dann, wenn die Wartezeiten für ältere Arbeiter denen für die Fristen älterer Angestellter weitgehend angeglichen sind, sachliche Differenzierung hinsichtlich der Dauer der Kündigungsfristen denkbar. Das gilt jedoch nicht für erheblich unterschiedlich ausgestaltete Wartezeiten für ältere Angestellte einerseits und ältere Arbeiter andererseits, und zwar insbesondere deswegen nicht, weil bei den länger beschäftigten und damit in der Regel älteren Arbeitern im Verhältnis zu den älteren Angestellten nicht mehr auf eine geringere Bindung an den Betrieb verwiesen werden kann (BAG Beschluß vom 28. Januar 1988, aaO).
Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluß vom 30. Mai 1990 (aaO, unter C I 5 der Gründe) zu den unterschiedlichen Fristen bei längerer Beschäftigungsdauer ausgeführt, gruppenspezifische Unterschiede, die sich erst bei längerer Beschäftigungsdauer oder höherem Lebensalter ergäben, bestünden nicht. Dazu könne auf den Beschluß vom 14. November 1982 (BVerfGE 62, 256, 281 ff.) verwiesen werden. Wie daraus folgt, verlieren auch an sich für die Grundfristen oder die verlängerten Fristen erhebliche sachliche Differenzierungsgründe, wie die Dauer der vorberuflichen Ausbildung und der zu erwartenden Arbeitslosigkeit, der Anteil der Höherqualifizierten in den Gruppen der Angestellten und der Arbeiter sowie insbesondere auch das Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität bei längerer Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zwischen länger beschäftigten Arbeitern und Angestellten ihre Unterscheidungskraft.
III. Wie die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, beruht § 13 Nr. 9 Buchstabe a des einschlägigen Tarifvertrages eindeutig insoweit auf einer Verletzung von Art. 3 GG und ist deswegen unwirksam (§ 134 BGB) als bei gewerblichen Arbeitnehmern bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit Zeiten nicht berücksichtigt werden, die vor Vollendung des 35. Lebensjahres liegen, während bei Angestellten auf die Vollendung des 25. Lebensjahres abgestellt wird.
1. Dieser Verfassungsverstoß folgt bereits aus den Erwägungen, die dem Beschluß des Senates vom 28. Februar 1985 (aaO) zugrunde liegen und auf die verwiesen wird. Auch der Revisionsbeklagte hat insoweit nicht den Versuch unternommen, Kriterien aufzuzeigen, die hinsichtlich des Lebensalters eine unterschiedliche Behandlung zwischen Arbeitern und Angestellten nach Art. 3 GG rechtfertigen könnten.
2. Diese unbewußte Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch Anwendung des insoweit verfassungskonformen § 622 Abs. 2 BGB in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 26. Juni 1990 (BGBl. I, S. 1206, 1207 f.) zu schließen.
a) Durch diese Gesetzesänderung ist die verfassungswidrige Rechtslage hinsichtlich der unterschiedlichen Anrechnung von Zeiten der Betriebszugehörigkeit ab dem 25. Lebensjahr gesetzlich geklärt worden. Nach Art. 3 dieses Gesetzes sind bei einer vor dem 1. Juli 1990 zugegangenen Kündigung, bei der - wie vorliegend - ein Rechtsstreit über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anhängig ist, auch bei Arbeitern wie bei den übrigen Arbeitnehmern für die Berechnung der Beschäftigungsdauer auch Zeiten zu berücksichtigen, die zwischen der Vollendung des 25. und des 35. Lebensjahres liegen.
b) Die gesetzliche Neuregelung ist für die Berechnung der nach dem MTV 1980 maßgeblichen Beschäftigungszeit deswegen anzuwenden, weil davon auszugehen ist, daß die Tarifvertragsparteien bei Kenntnis des Verfassungsverstoßes eine andere gesetzliche verfassungskonforme Regelung übernommen hätten (vgl. dazu: BAG Beschluß vom 28. Februar 1985 - 2 AZR 403/83 -, aaO) und weil die rückwirkende Regelung des Gesetzgebers nach der Auffassung des Senates verfassungskonform ist.
aa) Es liegt in der Kompetenz des Gesetzgebers - wie vorliegend geschehen -, verfassungswidrige Bestimmungen auch rückwirkend zu regeln. Dazu hat der Senat bereits im Beschluß vom 28. Februar 1985 (- 2 AZR 403/83 -, aaO) ausgeführt, der Gesetzgeber sei nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Verfassungswidrigkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB rückwirkend zu beseitigen; er sei gehalten, den Anforderungen des Grundrechts des Art. 3 Abs. 1 GG zumindest für die Zeit ab der Verfassungswidrigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht gerecht zu werden (BVerfGE 55, 100, 110 ff.; 61, 319, 356 ff.; Heußner, NJW 1982, 257, 258; Heyde, Festschrift für Faller, 1984, S. 53, 57 ff.). Einer rückwirkenden Regelung stehe in einem solchen Falle weder das Rechtsstaats- noch das Sozialstaatsprinzip entgegen.
An dieser Auffassung hält der Senat fest. Der Beklagte hat die in ihren Rechtsfolgen streitige Kündigung erst mit Schreiben vom 4. Mai 1983 und damit mehr als fünf Monate nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit des früheren § 622 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB ausgesprochen. Er kann schon deswegen keinen Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen. Im übrigen war bereits spätestens seit den Vorlagebeschlüssen des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 3. Juni 1975 (- 1 Ca 683/74 -) und vom 6. Februar 1979 (- 1 Ca 611/78 -), die zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 geführt haben, die Rechtmäßigkeit dieser BGB-Vorschrift wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG umstritten. Auch der Kläger hat die Unwirksamkeit der vorliegenden, an die BGB-Vorschrift angelehnten Tarifklausel von Anfang an geltend gemacht.
bb) Es liegt kein Verstoß gegen die genannten Prinzipien vor, wenn der Gesetzgeber die Wiederherstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes - wie in Art. 3 des ArbGG-Änderungsgesetzes geschehen - einschränkend an die hier vorliegende Voraussetzung geknüpft hat, daß ein Rechtsstreit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (noch) bei Gericht anhängig ist. Eine derartige Regelung, die das schutzwerte Vertrauen nicht völlig unberücksichtigt läßt, ist nicht verfassungswidrig (vgl. dazu auch von Mangold/Klein/Starck, GG, 3. Aufl., Art. 3 Abs. 1 Rz 173, 175; Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rz 8 ff., Art. 20 Rz 27; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 20 Rz 1631, 1632, 1638 f.). Der Senat sieht deswegen keine Veranlassung, die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Änderung des § 622 Abs. 2 BGB gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
3. Die Entscheidungskompetenz des Senates, die sich aus der jetzigen Fassung des § 622 Abs. 2 BGB hinsichtlich der zu berücksichtigenden Betriebszugehörigkeit des Klägers ergebende Rechtsfolge (Fortbestand des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf des 30. Juni 1983) nach § 301 ZPO durch Teilurteil festzustellen, wird weder durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (aaO) noch durch prozeßrechtliche Vorschriften eingeschränkt.
Es ist zwar noch keine abschließende Entscheidung möglich, weil die Festlegung des Zeitpunktes, zu dem das streitige Arbeitsverhältnis endgültig beendet worden ist, von der vorherigen normativen Neuregelung des § 622 Abs. 2 BGB abhängt (vgl. unten zu IV der Gründe). Die insoweit gebotene Aussetzung steht dem Erlaß eines Teilurteils aber nicht entgegen.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat zwar im Beschluß vom 30. Mai 1990 (aaO, zu B II der Gründe) allgemein darauf verwiesen, anhängige Verfahren, bei denen die Entscheidung von der verfassungswidrigen Norm (des § 622 Abs. 2 BGB) abhingen, seien auszusetzen, bis eine Neuregelung in Kraft trete. Damit hat das Bundesverfassungsgericht aber die Möglichkeit, durch Teilurteil beschränkt über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden, nicht ausgeschlossen. Sie ergibt sich vielmehr aus dem Grundsatz, daß eine Aussetzung nur dann erforderlich ist, wenn und soweit die Entscheidung von der Anwendung der verfassungswidrigen Norm des § 622 Abs. 2 BGB abhängt (ebenso Koch, NZA 1991, 54).
b) Nach dem prozeßrechtlichen Streitgegenstand ist ein Teilurteil nach § 301 ZPO jedenfalls dann möglich, wenn - wie vorliegend - nicht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG über die Wirksamkeit der Kündigung, sondern im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO darüber zu entscheiden ist, zu welchem Zeitpunkt eine dem Grunde nach nicht beanstandete ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat. Dann ist eine Entscheidung über einen Teil des Streitgegenstandes sachdienlich, wenn sich aus der objektiven Rechtslage eine längere als die vom Kündigenden gewählte Frist ergibt und über die vom Gekündigten beanspruchte Frist noch nicht abschließend entschieden werden kann. Vorliegend ist auch nicht unzulässig über den Hilfsantrag des Klägers vorab entschieden worden, weil das damit begehrte Klageziel bereits als geringeres Begehren im Hauptantrag enthalten ist.
c) Nach der Rechtsprechung des Senates zu den Auswirkungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 (aaO) kommt der Erlaß eines Teilurteils auch dann in Betracht, wenn eine Kündigung mit der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG angegriffen wird und sowohl ihre Wirksamkeit als auch die einzuhaltende Frist streitig sind (vgl. Beschlüsse vom 28. Februar 1985, aaO). Die dagegen im Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. August 1990 - 3 Sa 10/82 - LAGE § 622 BGB Nr. 17) erhobenen Bedenken hält der Senat nicht für durchgreifend: Wenn eine Kündigung nicht nur dem Grunde nach streitig ist, sondern der gekündigte Arbeitnehmer darüber hinaus für sich zumindest eine längere Frist beansprucht, wird eine Auslegung seines Klagantrages oder eine Aufklärung nach § 139 ZPO zumeist ergeben, daß der Kläger die Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG - hilfsweise - mit einer auf einen längeren Bestand des Arbeitsverhältnisses gerichteten Feststellungsklage nach § 256 ZPO verbinden will. Wenn diese sach- und interessengerechte Bestimmung des Streitgegenstandes nicht möglich sein sollte, ist § 301 ZPO jedenfalls aufgrund einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Erlaß eines Teilurteils über den "Grund" der Kündigung (vgl. Koch, NZA 1991, 54). Auch wenn es darauf vorliegend nicht tragend ankommt, hält der Senat diesen Hinweis für angezeigt, um die Zweifel, die sich für die Instanzgerichte über die praktischen Auswirkungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (aaO) ergeben, möglichst zu begrenzen.
IV. Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen (vgl. oben zu II 4 der Gründe) beruht § 13 Nr. 9 a MTV 1980 auch insoweit auf einem Verstoß gegen Art. 3 GG, als die Wartezeiten für die Staffelung der verlängerten Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer weitgehend der verfassungswidrigen Regelung des § 622 Abs. 2 BGB entsprechen und eine deutliche Verschlechterung gegenüber der Rechtsstellung der Angestellten nach § 13 Nr. 9 b MTV 1980 enthalten.
1. Gegenüber § 622 Abs. 2 BGB werden die älteren Arbeiter nur insoweit begünstigt, als die Kündigungsfrist nicht erst nach einer nach Betriebszugehörigkeit von 20, sondern bereits von 15 Jahren auf drei Monate verlängert wird, allerdings nicht - wie nach § 622 Abs. 2 BGB nach einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren - zum Ende eines Kalendervierteljahres, sondern nur zum Monatsende.
Schlechter als das verfassungswidrige Gesetz stellt § 13 Nr. 9 a die älteren gewerblichen Arbeitnehmer insoweit, als eine weitere Verlängerung der Kündigungsfrist nach einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren tarifvertraglich nicht vorgesehen ist. Während der Tarifvertrag bei gewerblichen Arbeitnehmern auf Zeiten der Betriebszugehörigkeit von fünf, zehn und 15 Jahren abstellt, werden für die zudem längeren Fristen für ältere Angestellte kürzere Zeiten der Betriebszugehörigkeit von fünf, acht, zehn und zwölf Jahren verlangt.
2. Für diese Verschlechterung der Rechtsstellung der älteren gewerblichen Arbeitnehmer gegenüber den Angestellten sind jedenfalls hinsichtlich der unterschiedlichen Wartezeiten keine sachlichen Differenzierungsgründe ersichtlich. Sie ergeben sich insoweit auch nicht aus dem Vortrag des Revisionsbeklagten, der sich auf branchenspezifische Unterschiede bezieht, die zwar für die unterschiedlichen Fristen, nicht aber für die differenzierenden Wartezeiten erheblich sein können. Zunächst vielleicht erhebliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit oder einem betrieblichen Interesse an einer flexiblen Personalplanung und -anpassung verlieren bei längerer Betriebszugehörigkeit erheblich an Gewicht. Das bestätigt auch die Regelung in § 13 Nr. 10 MTV 1980, nach der alle Arbeitnehmer nur noch aus wichtigem Grunde kündbar sind, wenn sie dem Betrieb zehn Jahre lang angehört und das 55. Lebensjahr vollendet haben.
3. Da für die unterschiedliche Staffelung der Wartezeiten, wenn überhaupt, so doch nur unter besonderen Umständen, nach Art. 3 GG erhebliche Gründe denkbar sind, greift zumindest insoweit keine materielle Richtigkeitsgewähr für die Verfassungsmäßigkeit der tariflichen Kündigungsregelungen zugunsten des Beklagten ein (a.A. Bengelsdorf, NZA 1991, 131). Zwar spricht bei tariflichen Regelungen, die bestimmten Arbeitnehmergruppen vermögenswerte Vorteile gegenüber anderen Arbeitnehmern einräumen, die Vermutung für einen sachgerechten Interessenausgleich (vgl. BAGE 29, 72 = AP Nr. 24 zu Art. 9 GG; BAGE 33, 185 = AP Nr. 65 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Diesem Grundsatz hat aber das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 30. Mai 1990 (aaO, zu C I 4 c der Gründe) im Bereich unterschiedlicher Kündigungsregelungen zwischen Arbeitern und Angestellten nur eine beschränkte Bedeutung zuerkannt. Es hat ausgeführt, die Auffassung der "betroffenen Kreise" allein könne eine objektive Benachteiligung nicht rechtfertigen. Es fehle auch an hinreichend konkreten Anhaltspunkten dafür, daß auch nur die Mehrheit der Arbeiter längere Kündigungsfristen nicht anstrebe. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sei nicht dieser Auffassung und auch die einschlägigen Manteltarifverträge seien kein Indiz für ein mangelndes Interesse der Arbeiter an längeren Kündigungsfristen. Sie orientierten sich ersichtlich an der bestehenden gesetzlichen Regelung. Ohne nähere Einsicht in die Gründe für ihr Zustandekommen lasse sich ihnen wenig über die Interessenlage der beteiligten Kreise entnehmen. Im übrigen enthalte eine nicht geringe Zahl von Manteltarifverträgen längere als die gesetzlichen Kündigungsfristen.
Dieser Würdigung schließt sich der Senat an, wobei dahingestellt bleiben kann, ob eine Richtigkeitsgewähr zumindest für Firmentarifverträge sprechen kann, die für einen genau abgegrenzten überschaubaren Personenkreis gelten (vgl. Kern, NZA 1991, 57), weil es vorliegend um einen MTV geht, der für unterschiedliche Branchen und unterschiedlich strukturierte Betriebe gilt.
4. Die Verfassungswidrigkeit und damit Unwirksamkeit der längeren Wartefristen für ältere Arbeiter gegenüber denen der Angestellten führt insgesamt zur Unwirksamkeit der tariflichen Regelung der Kündigung für ältere Arbeiter nach § 13 Nr. 9 a MTV, weil die Regelung der Dauer der für die längeren Fristen erforderlichen Betriebszugehörigkeit sachlich so eng mit der Regelung der Fristen verbunden ist, daß damit die Grundlage für die Regelung der Kündigung älterer Arbeiter insgesamt entfällt (vgl. § 139 BGB).
5. Die Auswirkungen dieser weiteren unbewußten Tariflücke sind nach den Grundsätzen zu bestimmen, die der Senat bereits im Beschluß vom 28. Februar 1985 (aaO) für eine Tarifnorm entwickelt hat, die auf verfassungswidrigen Differenzierungen zwischen dem für die anrechenbare Betriebszugehörigkeit maßgebenden Lebensalter von Angestellten und Arbeitern beruht.
a) Wie der Senat bereits im Beschluß vom 28. Februar 1985 (aaO) betont hat, läßt sich der weitgehend § 622 Abs. 2 BGB entsprechenden Vorschrift des § 13 Nr. 9 a MTV 1980 nicht der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, den zeitlichen Bestandsschutz der älteren Arbeiter völlig oder auch nur hinsichtlich der maßgebenden Beschäftigungszeiten dem der älteren Angestellten gleichzusetzen. Da Anzeichen für einen entsprechenden mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien fehlen und eine Notwendigkeit der völligen Angleichung nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (aaO) nicht besteht, können entgegen der Auffassung von Kraushaar (BB 1990, 1764 f.) zur Schließung der nachträglich entstandenen Gesetzes- und Tariflücke nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB die entsprechenden, für Angestellte geltenden Kündigungsfristen und Wartezeiten nach dem AngKSchG angewandt werden.
b) Verfehlt ist auch die vom Beklagten im Anschluß an Hanau (DB 1991, 42) vertretene Auffassung, da die erforderliche Angleichung der verlängerten Kündigungsfristen bis zum 30. Juni 1993 geschehen solle, sei eine sofortige Angleichung der Kündigungsfristen vom Bundesverfassungsgericht nicht gewollt. Deswegen sei an der Unterschiedlichkeit der verlängerten Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte festzuhalten, bis sie der Gesetzgeber oder nach dem 30. Juni 1993 der Richter angleiche.
aa) Diese Folgerung widerspricht der vom Bundesverfassungsgericht nicht erst für einen späteren Zeitpunkt festgestellten Unvereinbarkeit auch des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, der deshalb von staatlichen Stellen bis zur Neuregelung nicht mehr angewandt werden darf. Das Bundesverfassungsgerichts hat aus der gegenwärtigen Unvereinbarkeit die Notwendigkeit der Aussetzung aller Verfahren abgeleitet, die von der Anwendung der verfassungswidrigen Vorschrift abhängen, und zwar sofort und nicht erst dann, wenn der Gesetzgeber bis zum 30. Juni 1993 keine verfassungskonforme Neuregelung dieser Vorschrift vorgenommen haben sollte. Es fehlt zudem an einer einleuchtenden Begründung dafür, weshalb die Grundfrist für die Kündigung eines Arbeiters wegen ihrer Unvereinbarkeit nach dem Vorschlag von Hanau in der Übergangszeit zu einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende (§ 622 Abs. 1 Satz 2 BGB) führen soll, die verlängerten Fristen hingegen trotz ihrer Unvereinbarkeit unverändert weiter anzuwenden sein sollen.
bb) Der Vorschlag von Hanau bedeutet in seinen praktischen Auswirkungen, daß Arbeitern in den ersten zehn Jahren des Bestehens ihres Arbeitsverhältnisses einheitlich mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden könnte. Dieses Ergebnis schreibt nicht nur bis zum 30. Juni 1993 die Verschlechterung der Rechtsstellung der Arbeiter gegenüber den Angestellten fort, sondern widerspricht auch der vom Gesetzgeber im § 622 Abs. 2 BGB im Grundsatz anerkannten größeren Schutzbedürftigkeit der älteren Arbeiter, denen immerhin bereits nach einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren eine längere Kündigungsfrist zugebilligt worden ist.
c) Da ausreichende Anhaltspunkte für einen anderen mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien fehlen, ist an der bereits im Beschluß vom 28. Februar 1985 (aaO) vorgenommenen Auslegung festzuhalten, daß die Tarifvertragsparteien bei Kenntnis der Nichtigkeit einer an die gesetzliche Regelung angelehnten Kündigungsregelung für ältere gewerbliche Arbeitnehmer entweder die erforderliche gesetzliche und verfassungskonforme Neuregelung übernommen oder bei einer eigenständigen Gestaltung maßgeblich berücksichtigt hätten. Ein Anzeichen dafür ist auch die Protokollnotiz zu § 20 MTV 1988, mit der die Tarifvertragsparteien ihre Bereitschaft bekundet haben, bei einer gesetzlichen Änderung der Kündigungsfristen und der Berechnung der Betriebszugehörigkeit Verhandlungen über diese tariflichen Bestimmungen aufzunehmen.
6. Mit der danach gebotenen Aussetzung der Entscheidung über den Auflösungszeitpunkt bis zur "normativen" Neufassung der Kündigungsregelung für ältere Arbeiter, längstens bis zum 30. Juni 1993, hat der Senat sowohl auf eine gesetzliche Neuregelung des § 622 Abs. 2 BGB als auch auf eine konstitutive tarifliche Neuregelung des § 13 Nr. 9 a MTV 1980 abgestellt. Anders als das Bundesverfassungsgericht bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen konnte der Senat zwar nicht von der Feststellung der Nichtigkeit der einschlägigen tariflichen Vorschrift absehen, diese nur für unvereinbar mit Art. 3 GG erklären und den Tarifpartnern eine Frist zur eigenständigen Neuregelung setzen. Gleichwohl entfällt der Grund für die Aussetzung dann, wenn die Tarifvertragsparteien den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 zum Anlaß nehmen, neue Vorschriften für die ordentliche Kündigung von Arbeitern zu vereinbaren. Auch dann ist das Verfahren fortzusetzen und unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze sowie des Urteils vom 21. März 1991 in der Revisionssache 2 AZR 616/90 für die Vereinbarkeit tariflicher Kündigungsregelungen mit Art. 3 GG erneut zu überprüfen, zu welchem Zeitpunkt das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis beendet worden ist.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Ascheid
Brocksiepe Roeder
Fundstellen
Haufe-Index 437769 |
BAGE 67, 342-357 (LT1-2) |
BAGE, 342 |
BB 1991, 1935 |
BB 1991, 1935-1937 (LT1-2) |
DB 1991, 1881-1884 (LT1-2) |
EBE/BAG 1991, 138-142 (LT1-2) |
NZA 1991, 797-801 (LT1-2) |
RzK, I 3e 18 (LT1-2) |
AP § 622 BGB (LT1-2), Nr 29 |
EzA § 622 nF BGB, Nr 33 (LT1-2) |
MDR 1991, 1071 (LT1-2) |