Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. Arbeitnehmerüberlassung. Rechtsmissbrauch
Leitsatz (redaktionell)
Eine treuwidrige Vertragsgestaltung unter Ausnutzung der im TzBfG vorgesehenen Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung führt nicht zum Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Unternehmen sondern allenfalls zur Unwirksamkeit der Befristung mit dem aktuellen Arbeitgeber.
Normenkette
AEUV Art. 267, 288 Abs. 3; ZPO § 253 Abs. 2, §§ 256, 559 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 2, § 17 S. 2; BGB §§ 117, 134, 138, 242; KSchG § 7; AÜG § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 27.09.2012; Aktenzeichen 6 Sa 257/12) |
ArbG Chemnitz (Urteil vom 21.03.2012; Aktenzeichen 10 Ca 201/12) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. September 2012 – 6 Sa 257/12 – teilweise aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 21. März 2012 – 10 Ca 201/12 – wird insgesamt zurückgewiesen.
3. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. September 2012 – 6 Sa 257/12 – wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung beantragt, dass die Beklagte sie ab dem 1. Januar 2012 als Fachassistentin im Leistungsbereich SGB II nach der Entgeltgruppe 8, Stufe 3 TVöD zu bezahlen hat. Im Übrigen wird die Revision der Klägerin als unzulässig verworfen.
4. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht sowie über die Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin war vom 2. Mai 2006 bis zum 30. April 2008 bei der Bundesagentur für Arbeit befristet beschäftigt und im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) SGB II C in Vollzeit tätig. Aufgrund einer Ausschreibung durch die Beklagte, die neben der Bundesagentur für Arbeit Trägerin der ARGE war, schloss sich ein befristeter Arbeitsvertrag mit der TGR für die Zeit ab 1. Mai 2008 an, der bis zum 30. April 2010 insgesamt dreimal verlängert wurde. Diese war eine 100 %ige Tochtergesellschaft der C mbH, die wiederum eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Beklagten war.
Nach einem weiteren Vergabeverfahren der Beklagten schloss die Klägerin auf Anforderung der Sachbearbeiterin Bereich Personal der ARGE am 26. April 2010 einen neuen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis zum 31. Dezember 2010 mit der GfP – einem Leiharbeitsunternehmen – ab, der am 22. Dezember 2010 bis zum 31. Dezember 2011 verlängert wurde. Während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung vom 2. Mai 2006 bis zum 31. Dezember 2011 war die Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts als „Fachassistentin Leistung im Bereich SGB II” der ARGE C tätig.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Die Zwischenschaltung der TGR und der GfP im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung stelle einen Rechtsmissbrauch formaler Gestaltungsmöglichkeiten dar. Hierdurch würden das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und die Höchstbefristungsdauer des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG treuwidrig umgangen. Entsprechend ihrer Tätigkeit und Betriebszugehörigkeit sei sie in dem zur Beklagten entstandenen Arbeitsverhältnis nach der Entgeltgruppe 8, Stufe 3 TVöD zu vergüten.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis als Fachassistentin im Leistungsbereich SGB II mit Bezahlung nach der Entgeltgruppe 8, Stufe 3 TVöD über den 31. Dezember 2011 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Rechtsmissbrauch liege nicht vor. Sie sei niemals Arbeitgeberin gewesen. Die Ausschreibungen hätten den Hintergrund gehabt, dass die Träger der ARGE aus verschiedenen Gründen einen erhöhten Arbeitskräftebedarf festgestellt hätten und sie daraufhin im ersten Quartal 2008 beschlossen habe, einen Teil dieses Arbeitskräftemehrbedarfs zu übernehmen und durch Leiharbeitnehmer zu decken. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern im Rahmen des AÜG sei nicht rechtsmissbräuchlich. Die TGR und die GfP seien bei den Ausschreibungen zum Zuge gekommen, Absprachen zugunsten der Beklagten habe es dabei nicht gegeben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil teilweise aufgehoben und der Klage stattgegeben, soweit die Klägerin die Feststellung des Bestehens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses begehrt. Hinsichtlich der Eingruppierung in Entgeltgruppe 8, Stufe 3 TVöD hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Eingruppierungsfeststellungsklage weiter. Hilfsweise begehrt sie nunmehr die Feststellung der Vergütungspflicht der Beklagten nach der Entgeltgruppe 5, Stufe 3 TVöD. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts.
Entscheidungsgründe
A. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht festgestellt, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Nach der gebotenen Auslegung des Klageantrags begehrt die Klägerin im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage, dass das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten festgestellt wird. Darüber hinaus begehrt sie die Feststellung eines „unbefristeten” Arbeitsverhältnisses. Hierbei handelt es sich um einen separaten Befristungskontrollantrag (vgl. BAG 15. Mai 2013 – 7 AZR 525/11 – Rn. 10 ff., BAGE 145, 128).
2. Beide Anträge sind zulässig, insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Für den Befristungskontrollantrag ergibt sich dies bereits aus § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG. Aber auch für die begehrte allgemeine Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten besteht ein rechtliches Interesse der Klägerin (vgl. BAG 15. Mai 2013 – 7 AZR 525/11 – Rn. 11, BAGE 145, 128).
3. Der Befristungskontrollantrag ist nach der gebotenen Auslegung bestimmt genug im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es kann ihm zwar nicht unmittelbar entnommen werden, welche Befristung angegriffen wird. Die Klägerin hat in der Begründung ihres Begehrens jedoch mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie im Wege einer gegen die Beklagte gerichteten Befristungskontrollklage die zuletzt mit der GfP vereinbarte Befristung vom 22. Dezember 2010 zum 31. Dezember 2011 angreifen will. Damit ist diese Befristung Gegenstand des (auch) als Befristungskontrollklage zu verstehenden Antrags, nicht aber die vorangegangenen Befristungen (zu einer entsprechenden Auslegung: vgl. BAG 15. Mai 2013 – 7 AZR 525/11 – Rn. 12, BAGE 145, 128).
II. Die Klage ist insgesamt unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung vorliegt. Denn entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts führt ein solcher Gestaltungsmissbrauch im Hinblick auf § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TzBfG nicht nach § 242 BGB zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem anderen als dem Vertragsarbeitgeber.
1. Ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien ist nicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TzBfG iVm. § 242 BGB zustande gekommen.
a) Ein sich aus dem bewussten und gewollten Zusammenwirken mehrerer Personen bei den Vertragsgestaltungen ergebender Rechtsmissbrauch kann zur Folge haben, dass sich Rechte – die etwa durch die Zwischenschaltung eines „Strohmanns” umgangen werden sollen – gegen einen Dritten richten können. Zwingend ist ein solcher „Durchgriff” auf den Dritten aber nicht. Entscheidend sind der Schutzzweck der umgangenen Norm und die Frage, ob die Umgehung gerade in der Verhinderung der gesetzlich an sich vorgesehenen Begründung eines Rechtsverhältnisses zu einem Dritten insgesamt oder lediglich in der Vermeidung oder Verkürzung einzelner Ansprüche liegt. Bei der hier von der Klägerin geltend gemachten rechtsmissbräuchlichen Umgehung des Anschlussverbots nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG besteht die mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Rechtsfolge nicht in dem Vertragsschluss „an sich”, sondern in der Rechtfertigung der in dem Vertrag vereinbarten Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. Der unredliche Vertragspartner kann sich auf eine solche Befristung nicht berufen (BAG 4. Dezember 2013 – 7 AZR 290/12 – Rn. 25; 15. Mai 2013 – 7 AZR 525/11 – Rn. 26, BAGE 145, 128).
b) Hiervon ausgehend führt die vermeintlich unredliche Vertragsgestaltung unter Ausnutzung der im TzBfG vorgesehenen Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung jedenfalls nicht zum Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten, also zu einem „Wechsel des Vertragspartners” der Klägerin.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dem Zweck der vermeintlich umgangenen Norm nicht auseinandergesetzt. Zweck der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist es zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu „Befristungsketten” missbraucht wird. Selbst wenn ein solcher, von der Beklagten gesteuerter Missbrauch vorliegen sollte, würde die Beklagte hierdurch nicht Vertragsarbeitgeberin. Dem Schutzweck der Norm würde in diesem Fall allein dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die letzte Befristung mit der GfP treuwidrig und somit unwirksam wäre. Die Fiktion eines Vertragsverhältnisses zur Beklagten verlangt der Schutzzweck hingegen nicht (vgl. BAG 15. Mai 2013 – 7 AZR 525/11 – Rn. 27, BAGE 145, 128).
bb) Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass der Arbeitnehmer mit dem Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zum Verleiher als Folge eines Rechtmissbrauchs „Steine statt Brot” bekomme, da über diesem Arbeitsverhältnis mit dem Vertragsarbeitgeber immer das „Damoklesschwert des Auftragsverlustes” mit dem Risiko einer betriebsbedingten Kündigung schwebe (so Greiner NZA 2014, 284, 286 f.). Wie der vorliegende Fall zeigt, kann schon nicht unterstellt werden, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher im Bestand regelmäßig risikobehaftet sei. Denn der Arbeitsvertrag der Klägerin mit dem Leiharbeitsunternehmen GfP sah keinesfalls nur einen Einsatz in dieser einen ARGE mit dieser bestimmten Tätigkeit vor, sondern beinhaltete vielmehr eine allgemeine Versetzungsklausel in fachlicher und örtlicher Hinsicht. Von einer bestandschutzrechtlich gefährlichen „vertraglich vereinbarten Verengung der Einsatzmöglichkeit” (so Greiner NZA 2014, 284, 286) kann jedenfalls hier keine Rede sein.
cc) Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedarf es nicht.
(1) Eine Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union mit der Frage, ob die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge es gebietet, im Falle des Missbrauchs von Befristungsmöglichkeiten ein Arbeitsverhältnis zu einem den Missbrauch steuernden Dritten zu fingieren, wenn die ansonsten angenommene „bloße” Unwirksamkeit der Befristungsabrede mit dem Vertragsarbeitgeber sich nicht als eine wirkungsvolle Sanktion erweist, wurde im Nachgang zur Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Mai 2013 (– 7 AZR 525/11 –) teilweise angenommen (Greiner NZA 2014, 284, 287; vgl. auch Hjort ArbR 2013, 524).
(2) Eine solche Vorlagepflicht besteht nicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union findet die Richtlinie 1999/70/EG weder auf das befristete Arbeitsverhältnis zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Leiharbeitsunternehmen noch auf das befristete Arbeitsverhältnis zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem entleihenden Unternehmen Anwendung (EuGH 11. April 2013 – C-290/12 – [Della Rocca] Tenor und Rn. 35 bis 44). Hierauf hatte bereits der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hingewiesen (BAG 15. Mai 2013 – 7 AZR 525/11 – Rn. 19, BAGE 145, 128). Das TzBfG, das auch für Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern gilt, stellt insoweit eine „überschießende” Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG dar.
(a) Soweit der nationale Gesetzgeber eine Richtlinie jedoch über ihren Anwendungsbereich hinaus und damit „überschießend” umgesetzt hat, besteht nach der zutreffenden herrschenden Ansicht keine Vorlagepflicht (Brandner Die überschießende Umsetzung von Richtlinien S. 134 f.; Bärenz DStR 2001, 692, 694 f.; BeckOK BGB/Faust Stand 1. August 2014 § 433 Rn. 10 mwN; Weber-Grellet Anm. DStR 2003, 67, 69; bereits gegen ein Vorlagerecht: MünchKommAktG/Habersack 3. Aufl. Einl. Rn. 113; ders./Mayer JZ 1999, 913, 919 ff.; für eine Vorlagepflicht: Jäger Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht S. 228 ff.; Meilicke BB 1999, 890; Gebauer in Gebauer/Wiedmann Zivilrecht unter europäischem Einfluss Kap. 3 Fn. 90; Schnorbus RabelsZ 2001, 654, 699; für eine Vorlagepflicht in Ausnahmefällen: Leible in Gebauer/ Wiedmann Zivilrecht unter europäischem Einfluss Kap. 9 Rn. 32). Europarecht ist hinsichtlich des überschießendes Teils nicht tangiert (vgl. Hamann/Rudnik Anm. EzA TzBfG § 14 Nr. 93 S. 19: „Die Reichweite des Befristungsschutzes der Leiharbeitnehmer lässt sich also nur nationalrechtlich ausloten.”). Dem steht insbesondere auch nicht entgegen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union eine dennoch vorgelegte Frage beantworten würde. Denn dies folgt allein aus dem vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten eingeschränkten Prüfungsmaßstab der „offensichtlichen Unanwendbarkeit” des Unionsrechts bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Vorlage (vgl. bereits EuGH 8. November 1990 – C-231/89 – Rn. 19 ff., Slg. 1990, I-4003). Es besteht deshalb auch kein Vorlagerecht des nationalen Gerichts im Falle einer überschießenden Umsetzung. Im Übrigen würde auch ein Vorlagerecht nicht automatisch mit einer Vorlagepflicht korrespondieren (Brandner aaO S. 135; anderer Auffassung: Jäger aaO S. 228). Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass die Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof der Europäischen Union für die Anwendung nationalen Rechts in diesem Fall nicht bindend sein kann (Palandt/Sprau 73. Aufl. Einl. Rn. 44). Jenseits des vom Unionsgesetzgeber geregelten Bereichs besteht keine europarechtliche Anwendungspflicht (vgl. bereits Hess RabelsZ 2002, 470, 487). „Das aus dem Umsetzungsgebot des Art. 288 Abs. 3 AEUV und dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EU folgende Gebot richtlinienkonformer Auslegung greift hier nicht ein” (BGH 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11 – Rn. 18, BGHZ 195, 135).
(b) Zwar ließe sich gegebenenfalls erwägen, aus nationalem Recht, das heißt aus einem entsprechenden Willen des nationalen Gesetzgebers, eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung auch im Falle der überschießenden Umsetzung zu folgern (BGH 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11 – Rn. 20, BGHZ 195, 135). Diese Pflicht kann aber nur dann bestehen, wenn aus der überschießenden Umsetzung selbst oder aufgrund sonstiger Anhaltspunkte auf den Willen des deutschen Gesetzgebers geschlossen werden kann, eine gespaltene Auslegung in jedem Fall zu vermeiden (zur Annahme einer gespaltenen Auslegung bei der Nachlieferungspflicht im Kaufrecht: vgl. BGH 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11 – Rn. 22, aaO).
(c) Dies ist vorliegend nicht der Fall. § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TzBfG liegt erkennbar das Regelungsprinzip der Unzulässigkeit von Befristungsketten mit dem formalen Vertragsarbeitgeber zugrunde (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 19. März 2014 – 7 AZR 527/12 – Rn. 18; 4. Dezember 2013 – 7 AZR 290/12 – Rn. 17 f.; 9. März 2011 – 7 AZR 657/09 – Rn. 18; zur Entstehungsgeschichte: BAG 18. Oktober 2006 – 7 AZR 145/06 – Rn. 13 und 26, BAGE 120, 34). Der Wille des Gesetzgebers, dieses grundsätzliche Prinzip im Falle des Missbrauchs von Befristungsketten ohne einen europarechtlichen Zwang hierzu aufzugeben, kann nicht angenommen werden. Da somit eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung bezüglich des überschießenden Teils mit Sicherheit nicht in Betracht kommt, kann eine Vorlagepflicht erst recht nicht bestehen. Denn eine prozessuale Vorlagepflicht ohne eine nachfolgende materielle Anwendungspflicht wäre schlicht sinnwidrig.
(3) Des Weiteren widerspräche es auch nicht dem Ziel der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung – namentlich der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge –, unter „demselben Arbeitgeber” iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nur den Vertragsarbeitgeber zu verstehen (ausf. vgl. BAG 4. Dezember 2013 – 7 AZR 290/12 – Rn. 20 f.). Der unionsrechtlich im Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung vorgegebenen Missbrauchskontrolle ist mit der – bereits nach nationalem Recht gebotenen – Rechtsmissbrauchs-, Vertragsgestaltungs- oder Umgehungskontrolle (§ 242 BGB) hinreichend Rechnung getragen (BAG 4. Dezember 2013 – 7 AZR 290/12 – Rn. 21). Auch aus dem Gebot des effet utile folgt nichts anderes (BAG 19. März 2014 – 7 AZR 527/12 – Rn. 24).
2. Aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG (analog) ergibt sich ebenfalls kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien.
a) Es ist von der Klägerin nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, dass die GfP oder die TGR nicht über eine Erlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG zur Überlassung von Arbeitnehmern verfügten, falls die Überlassung erlaubnispflichtig gewesen wäre (zur Erlaubnispflicht: vgl. BAG 23. Juli 2014 – 7 AZR 853/12 – Rn. 27 ff.).
b) Im Übrigen führte auch ein – zugunsten der Klägerin unterstellter – Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des AÜG nicht zum Zustandekommen eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten. Selbst bei nicht nur vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung kann nach der Rechtsprechung des Senats ein Arbeitsverhältnis analog § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG zum Entleiher nicht zustande kommen (BAG 10. Dezember 2013 – 9 AZR 51/13 – Rn. 22 ff.; 3. Juni 2014 – 9 AZR 111/13 – Rn. 10). Deshalb kann auch dahinstehen, ob die Beklagte selbst überhaupt Entleiherin war.
3. Aus §§ 134, 138 BGB, aus § 117 BGB oder aus § 1 Abs. 2 AÜG folgt ebenfalls nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien (vgl. BAG 15. Mai 2013 – 7 AZR 525/11 – Rn. 29 und 35 f., BAGE 145, 128).
Damit kann weder die hierauf gerichtete allgemeine Feststellungsklage noch die punktuelle Befristungskontrollklage Erfolg haben. Denn Voraussetzung einer erfolgreichen Befristungskontrollklage ist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zum streitigen Beendigungszeitpunkt (einhellige Meinung, etwa ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 15; APS/Backhaus 4. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 18 mwN).
B. Die Revision der Klägerin ist im Hauptantrag unbegründet und im Hilfsantrag unzulässig.
I. Soweit die Klägerin die Feststellung beantragt, dass die Beklagte sie ab dem 1. Januar 2012 als Fachassistentin im Leistungsbereich SGB II nach der Entgeltgruppe 8, Stufe 3 TVöD zu vergüten hat, setzt dieser Anspruch das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien voraus. Daran fehlt es.
II. Hinsichtlich des in der Revisionsinstanz erstmals gestellten Hilfsantrags der Klägerin auf Feststellung einer Vergütungspflicht der Beklagten nach der Entgeltgruppe 5, Stufe 3 TVöD ist die Revision bereits unzulässig.
1. Im Revisionsverfahren können neue prozessuale Ansprüche grundsätzlich nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Das Revisionsgericht prüft, ob die Vorinstanz über die Klage rechtsfehlerfrei entschieden hat. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt dabei nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Es gilt der Grundsatz, dass die Urteilsgrundlage mit dem Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen wird. Eine Klageerweiterung, mit der anstelle des rechtshängigen Anspruchs oder daneben ein neuer Anspruch erhoben wird, ist deshalb in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht möglich. Die Entscheidung über einen solchen Antrag erfordert in der Regel weitere tatsächliche Feststellungen. Solche können von einem Revisionsgericht aus prozessualen Gründen nicht getroffen werden. Klageänderungen und Klageerweiterungen werden in der Revisionsinstanz aus prozessökonomischen Gründen nur dann ausnahmsweise zugelassen, wenn der neue Sachantrag sich auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt und den unstreitigen Parteivortrag stützt (st. Rspr., etwa BAG 3. Mai 2006 – 10 AZR 310/05 – Rn. 52 mwN).
2. An diesen Grundsätzen gemessen ist die mit der hilfsweise geltend gemachten Eingruppierung in Entgeltgruppe 5, Stufe 3 TVöD verbundene Klageerweiterung nicht zulässig. Die Klageerweiterung stützt sich weder auf einen vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt noch auf unstreitigen Parteivortrag.
C. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen, § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Brühler, Klose, Krasshöfer, Merte, Pielenz
Fundstellen
Haufe-Index 7538263 |
DStR 2015, 13 |