Entscheidungsstichwort (Thema)
Druckkündigung. Auflösungsantrag des Arbeitgebers
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. Juni 1996 – 18 Sa 1604/95 – aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der 1948 geborene Kläger ist seit 1. Oktober 1993 in dem Betrieb der Beklagten in R. als Verkaufsleiter zu einem außertariflichen Gehalt von zuletzt 160.000,00 DM jährlich beschäftigt. Am 24. Februar 1994 beurteilte der Abteilungsleiter G die Leistungen des Klägers während der Probezeit überwiegend als „durchschnittlich”. Er schlug „ein befristetes Anstellungsverhältnis” vor mit der Begründung, erst am Vortage habe er mit dem Kläger nochmals ein grundsätzliches Gespräch geführt und es bleibe abzuwarten, ob der Kläger seine Arbeitsweise umstelle. Bei Ablauf der vereinbarten sechsmonatigen Probezeit am 31. März 1994 vermerkte der Verwaltungsleiter der Beklagten auf dem Formular der Probezeitbeurteilung, der Kläger werde „fest angestellt”. Die Preisvollmacht zur Festsetzung der Verkaufspreise, die dem Kläger für das von ihm betreute Gebiet ursprünglich eingeräumt worden war, wurde durch die Beklagte widerrufen und ab April 1994 durch den Abteilungsleiter G ausgeübt.
Mit Schreiben vom 23. Juni 1994 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus personen- und verhaltensbedingten Gründen nach Anhörung des im Betrieb bestehenden Betriebsrats zum 30. September 1994. Sie stützte die Kündigung darauf, der Kläger habe ausländische Kunden teilweise so verärgert, daß diese Kunden den Kläger als Gesprächspartner abgelehnt und in diesem Zusammenhang mit einem Abbruch der Geschäftsbeziehungen gedroht hätten. Im Betrieb sei eine Zusammenarbeit mit dem Kläger aufgrund seines Verhaltens kaum möglich. So habe der Kläger durch äußerliche Anzüglichkeiten im November/Dezember 1993 die Mitarbeiterin I sexuell belästigt und auch später einem anderen Mitarbeiter gegenüber in Bezug auf Frau I eine sexuelle Andeutung gemacht, die die kollegiale Zusammenarbeit mit dieser Mitarbeiterin erheblich beeinträchtigt habe.
Der Kläger hält die Kündigung für sozialwidrig. Er hat behauptet, Schlechtleistungen seien ihm nicht vorzuwerfen. Er sei nicht abgemahnt worden. Er habe die Zeugin I auch nicht sexuell belästigt. Im übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß. Diese sei erforderlich gewesen, da er nicht leitender Angestellter sei.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit der Kündigung vom 23. Juni 1994 aufgehoben ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise das Arbeitsverhältnis aufzulösen.
Sie hat behauptet, der Kläger habe sich laufend pflichtwidrig verhalten. So habe er eine interne Weiterbildungsmaßnahme schon nach zwei Tagen abgebrochen. Zwei Kunden hätten sich über den Kläger beschwert, weil die Geschäfte mit ihnen durch den Kläger zu langsam abgewickelt worden seien. Auch mehrere Kollegen hätten sich über die Zusammenarbeit mit dem Kläger beschwert. Wegen dieser Vorfälle sei der Kläger am 23. Februar 1994 abgemahnt worden. Auch danach sei es zu Schlechtleistungen gekommen. Der Besuch einer Kundenfirma sei vom Kläger schlampig vorbereitet worden. Eine weitere Angelegenheit habe der Kläger 45 Tage lang nicht bearbeitet. Die Beschwerden mehrerer Kunden über die Arbeitsweise des Klägers hätten zu einem Imageverlust der Beklagten und fast zum Abbruch der Geschäftsbeziehungen geführt. Nach Ausspruch der Kündigung habe sie erfahren, daß der Kläger nicht nur die Mitarbeiterin I, sondern auch eine Mitarbeiterin einer wichtigen Kundenfirma während seiner Brasilienreise unsittlich angegangen und zwei weitere Kunden massiv verärgert habe. Der Betriebsrat sei wegen dieser Vorfälle, auf die die Kündigung und der Auflösungsantrag zusätzlich gestützt würden, nachträglich angehört worden.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und ihren Auflösungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Ob die Kündigung der Beklagten sozial gerechtfertigt ist bzw. der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag der Beklagten begründet ist, kann der Senat noch nicht abschließend beurteilen. Dies führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 ZPO).
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auf angebliche Schlechtleistungen des Klägers könne die Kündigung nicht gestützt werden. Es fehle insoweit schon an einer einschlägigen Abmahnung. Selbst wenn mit dem Kläger am 23. Februar 1994 ein Abmahnungsgespräch geführt worden sei, so fehle diesem Abmahnungsgespräch die Warnfunktion für die Zeit nach Ablauf des Probearbeitsverhältnisses. Auch mit sexuellen Verfehlungen des Klägers könne die Kündigung nicht begründet werden. Der nachgeschobene Vorwurf, der Kläger habe eine Mitarbeiterin einer Kundenfirma unsittlich angegangen, sei zu pauschal. Die Äußerung des Klägers gegenüber einem Mitarbeiter in Bezug auf die Zeugin I sei zwar ungehörig, habe aber nicht das Gewicht eines Kündigungsgrundes. Durch sein Verhalten gegenüber der Zeugin I habe der Kläger zwar eine schwere Pflichtverletzung begangen. Diese Pflichtverletzung sei jedoch zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung wegen Verwirkung nicht mehr als Kündigungsgrund geeignet gewesen. Außerdem sei der Betriebsrat zu der behaupteten Abmahnung des Klägers und dem konkreten Ablauf der sexuellen Belästigung der Zeugin I nicht ordnungsgemäß angehört worden, so daß der entsprechende Sachvortrag der Beklagten gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG nicht verwertet werden dürfe. § 102 Abs. 1 BetrVG sei auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch anwendbar, da der Kläger kein leitender Angestellter sei.
Der Auflösungsantrag der Beklagten sei unbegründet. Der Vorwurf der sexuellen Belästigung der Zeugin I könne die Auflösung nicht rechtfertigen. Als Auflösungsgrund könne das entsprechende Vorbringen der Beklagten schon deshalb nicht verwertet werden, weil hierzu der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Auch als Auflösungsgrund stehe einer Verwertung im übrigen der Einwand der Verwirkung entgegen. Weitere Störungen in der betrieblichen Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dieser Arbeitnehmerin seien nicht aufgetreten, sie habe vielmehr weiter mit dem Kläger zusammengearbeitet. Die weiteren Auflösungsgründe seien zu pauschal vorgetragen.
B. Dem folgt der Senat nur teilweise in der Begründung, nicht jedoch im Ergebnis.
I. Ob die Kündigung der Beklagten vom 23. Juni 1994 sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG), läßt sich nicht abschließend beurteilen.
1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz zwar nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. des BAG, vgl. u.a. Senatsurteil vom 21. Mai 1992 – 2 AZR 10/92 – BAGE 70, 262, 269 f. = AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a der Gründe, m.w.N.). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil jedoch nicht stand.
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß die Beklagte die Kündigung bislang nicht als verhaltensbedingte Kündigung auf sexuelle Verfehlungen des Klägers stützen kann.
a) Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe den als Kündigungsgrund nachgeschobenen Sachverhalt nicht hinreichend berücksichtigt, der Kläger habe anläßlich seiner Südamerikareise eine Mitarbeiterin einer Kundenfirma sexuell belästigt. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe insoweit nicht ihrer Darlegungslast genügt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Arbeitgeber genügt der ihm obliegenden Darlegungslast nur dann, wenn er im einzelnen die tatsächlichen Umstände schildert, die die Kündigung bedingen (BAG Urteil vom 2. November 1983 – 7 AZR 272/82 – AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Pauschale schlagwort- oder stichwortartige Angaben des Arbeitgebers genügen regelmäßig nicht zur Darlegung eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes. Kommt es zu sexuellen Belästigungen gegenüber einer Mitarbeiterin einer Kundenfirma des Arbeitgebers, so kann dies zwar je nach den Umständen eine verhaltensbedingte zumindest fristgerechte Kündigung rechtfertigen (vgl. zu sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz Senatsbeschluß vom 9. Januar 1986 – 2 ABR 24/85 – AP Nr. 20 zu § 626 BGB Ausschlußfrist). Der Arbeitgeber genügt aber insoweit seiner Darlegungslast nicht, wenn er, obwohl der Arbeitnehmer den ganzen Vorgang bestreitet, lediglich pauschal darauf hinweist, es sei zu einem derartigen Übergriff des Arbeitnehmers gekommen. Wenn die Revision geltend macht, es komme nicht entscheidend darauf an, welche Handlungen, Gesten oder Worte gebraucht bzw. vorgenommen worden seien, so trifft dies nicht zu.
b) Auch soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, das Verhalten des Klägers gegenüber der Zeugin I sei bei Ausspruch der Kündigung als Kündigungsgrund verwirkt gewesen, hält sich dies im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Vorgang sei dem Vorgesetzten des Klägers und dem Personalsachbearbeiter der Beklagten seit Oktober/November 1993 bekannt gewesen. Wenn die Beklagte länger als sechs Monate untätig geblieben sei, so habe der Kläger angesichts der Umstände darauf vertrauen dürfen, die Beklagte werde eine Kündigung auf diesen Kündigungsgrund nicht mehr stützen, zumal dieser Punkt nicht Gegenstand des Abmahnungsgesprächs vom 23. Februar 1994 gewesen sei. Diese Bewertung enthält keine revisiblen Rechtsfehler. Wenn die Beklagte die Zeugin I erst kurz vor oder sogar nach Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger veranlassen mußte, die entsprechende Aktennotiz zu fertigen und entsprechend zurück zu datieren, so spricht dies zusätzlich dafür, daß der Kläger, zumindest nachdem seine Weiterbeschäftigung über die Probezeit hinaus feststand, davon ausgehen konnte, die Beklagte werde diesen Vorfall nicht mehr zum Anlaß einer Kündigung nehmen.
3. Zu Recht rügt jedoch die Revision, das Landesarbeitsgericht habe den als Kündigungsgrund nachgeschobenen und dem Betriebsrat ordnungsgemäß mitgeteilten Sachverhalt nicht hinreichend berücksichtigt, der Kläger habe anläßlich seiner Südamerikareise drei Kundenfirmen derart massiv verärgert, daß dadurch die Geschäftsbeziehungen zu diesen Kunden gefährdet bzw. abgebrochen worden seien.
Die Beklagte hat insoweit unter Bezugnahme auf den Vermerk des Mitarbeiters H. im einzelnen vorgetragen und unter Beweis gestellt, der Kläger habe anläßlich seiner Südamerikareise drei Kundenfirmen durch sein Auftreten derart brüskiert, daß es zu einer unnötigen Reklamation in der Größenordnung von 30.000,– $ gekommen sei, die Beklagte mit zwei Kunden bisher nicht wieder ins Geschäft gekommen sei und die Firma Po. ebenso wie der örtliche Vertreter der Beklagten eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt hätten. Zu diesem Vorbringen, das das Landesarbeitsgericht im Tatbestand seines Urteils durch Bezugnahme auf die Notiz des Mitarbeiters H. ausdrücklich erwähnt, fehlen entsprechende Tatsachenfeststellungen und das Berufungsgericht geht darauf in den Entscheidungsgründen seines Urteils überhaupt nicht mehr ein. Der Sachvortrag der Beklagten ist insoweit hinreichend substantiiert und je nach den Umständen geeignet, eine fristgerechte Kündigung des erst kurze Zeit bei der Beklagten beschäftigten Klägers zu rechtfertigen.
Ist ein Arbeitnehmer in einer herausgehobenen Stellung wie der des Klägers im Verkauf tätig, so kann regelmäßig erst das Ergebnis der ersten Reisen in sein Verkaufsgebiet einem verständigen Arbeitgeber Klarheit verschaffen, ob eine Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers in dem betreffenden Verkaufsgebiet Erfolg verspricht. Ist der Arbeitnehmer schon während der Probezeit verhältnismäßig schlecht beurteilt worden und stellt sich dann nach Ablauf der Probezeit heraus, daß wichtige Geschäftspartner von dem betreffenden Arbeitnehmer während seines ersten Kundenbesuchs derart brüskiert worden sind, daß die weiteren Geschäftsbeziehungen als gefährdet erscheinen müssen, so kann dies eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung bedingen. Lehnen in einem derart großen Verkaufsgebiet, wie es der Kläger betreut hat, einzelne Geschäftspartner die weitere Zusammenarbeit mit einem Verkaufsleiter ab, so kann dies den Arbeitgeber in erhebliche betriebliche Schwierigkeiten stürzen, denn er kann für weitere Besuche dieser Kunden regelmäßig nicht einen zweiten Mitarbeiter abstellen.
Darüber hinaus kann die Kündigung der Beklagten auch aus betriebs- bzw. personenbedingten Gründen gerechtfertigt sein. Das Bundesarbeitsgericht hat die vorliegend als Kündigungsgrund angeführten Umstände ferner stets unter dem Gesichtspunkt einer Druckkündigung geprüft (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 31. Januar 1996 – 2 AZR 158/95 – AP Nr. 13 zu § 626 BGB Druckkündigung, m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Lehnen wichtige Geschäftspartner eine weitere Zusammenarbeit mit einem Verkaufsleiter aus nachvollziehbaren Gründen ab, so kann dies ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung des betreffenden Verkaufsleiters begründen, wenn es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, für die gleiche Aufgabe praktisch zwei Arbeitnehmer einzusetzen. Die entsprechenden Vorfälle, die zu dem Druck der Geschäftspartner auf den Arbeitgeber geführt haben, können aber auch geeignet sein, darzulegen, daß der betreffende Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, sein Verhalten gegenüber Kunden den betrieblichen Erfordernissen anzupassen, und daß er damit für eine Beschäftigung als Verkaufsleiter ungeeignet ist, was einen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen würde.
Da der von der Beklagten behauptete Verlauf der Südamerikareise des Klägers geeignet ist, den Verkaufserfolg der Beklagten zu gefährden und darüber hinaus die Eignung des Klägers für die übernommene Aufgabe in Frage zu stellen, reichte es nicht aus, wenn das Berufungsgericht – im wesentlichen unter Beschränkung auf die behauptete sexuelle Belästigung einer Mitarbeiterin der Firma Po. – das Vorbringen der Beklagten lediglich unter dem Gesichtspunkt verhaltensbedingter Kündigungsgründe geprüft hat. Es kam vielmehr vor allem auch eine Prüfung als personen- bzw. betriebsbedingter Kündigungsgrund in Betracht. Diese wird nach der Zurückverweisung nachzuholen sein.
II. Das Berufungsurteil unterliegt auch insoweit der Aufhebung und Zurückverweisung, als das Landesarbeitsgericht über den Auflösungsantrag der Beklagten entschieden hat. Kommt das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis, daß die Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat, so wird es bei der Prüfung der Frage, ob Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG), die auch zur Stützung des Auflösungsbegehrens vorgebrachten Behauptungen der Beklagten über den Verlauf der Südamerikareise des Klägers und die dann insoweit getroffenen Feststellungen entscheidend mitzuberücksichtigen haben. Nur eine Gesamtbetrachtung der von der Beklagten vorgebrachten Auflösungsgründe ermöglicht eine zuverlässige Prognose, ob eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien zu erwarten ist. Bei der Gewichtung der Auflösungsgründe wird zu berücksichtigen sein, daß der Kläger, wenn auch nicht als leitender Angestellter, so doch in einer herausgehobenen Vertrauensstellung zu einem erheblichen Gehalt tätig war, und daß der Kläger bei Ausspruch der Kündigung erst seit wenigen Monaten Kündigungsschutz genoß.
Wenn § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG nur bei den dort genannten leitenden Angestellten bestimmt, daß der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf, so bedeutet dies nicht, daß bei den übrigen Arbeitnehmern deren Stellung im Betrieb bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG unberücksichtigt zu bleiben hätte. Eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann gerade deshalb nicht zu erwarten sein, weil der Arbeitnehmer, ohne leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG zu sein, im Betrieb eine Schlüsselstellung innehat und aus beachtlichen Gründen das Vertrauen des Arbeitgebers verloren hat.
Ferner zeigt § 10 Abs. 2 KSchG, der bei der Höhe der Abfindung neben dem Lebensalter vor allem auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit abstellt, daß auch bei der Prüfung der Auflösungsgründe im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG die Dauer der Betriebszugehörigkeit nicht unberücksichtigt bleiben darf. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon jahrelang ohne wesentliche Beanstandungen zusammengearbeitet, so werden regelmäßig Auflösungsgründe von größerem Gewicht erforderlich sein, um die Prognose zu rechtfertigen, daß eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist, als wenn es sich um einen Arbeitnehmer ohne erheblichen sozialen Besitzstand handelt, der schon wenige Monate nach Beendigung der Probezeit Auflösungsgründe setzt.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Strümper, Baerbaum
Fundstellen