Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung. regelmäßige Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
Erhält ein Arbeitnehmer ein festes Monatsentgelt, das auch die Vergütung für eine bestimmte, arbeitsvertraglich vereinbarte Zahl von Mehrarbeitsstunden einschließlich tariflicher Überstundenzuschläge beinhaltet, ist bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 4 Abs. 1a EFZG der Überstundenzuschlag für die vereinbarten Mehrarbeitsstunden nicht entgeltfortzahlungspflichtig und deshalb aus dem Monatsentgelt herauszurechnen (Fortführung von Senat 21. November 2001 – 5 AZR 296/00 – AP EFZG § 4 Nr. 56 = EzA EntgeltFG § 4 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Orientierungssatz
Zur Berechnung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts ist bei einer Stundenvergütung die Zahl der durch die Arbeitsunfähigkeit ausfallenden Arbeitsstunden (Zeitfaktor) mit dem hierfür jeweils geschuldeten Arbeitsentgelt (Geldfaktor) zu multiplizieren. Bei einer verstetigten, also stets gleichbleibenden Arbeitszeit bereitet die Feststellung der maßgebenden Arbeitszeit keine Schwierigkeiten.
Ist ein festes Monatsentgelt vereinbart, ist dieses bei gewerblichen Arbeitnehmern ebenso wie bei Angestellten bis zur Dauer von sechs Wochen fortzuzahlen, wenn hierin nicht Zuschläge für Mehrarbeitsstunden enthalten sind. Denn nach § 4 Abs. 1a Satz 1 EFZG gehört nicht zum Arbeitsentgelt nach Abs. 1 das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt. Dieses ist im Krankheitsfall nicht fortzuzahlen.
Normenkette
EFZG § 4
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. Januar 2001 – 8 Sa 1457/00 – zum Teil aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 31. August 2000 – 1 Ca 1841/00 – zum Teil abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.272,28 DM brutto (= 650,51 Euro) nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Juli 2000 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die weitergehende Berufung sowie die Revision der Beklagten im übrigen werden zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat 6/7, der Kläger 1/7 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der 1952 geborene Kläger war bei der beklagten Spedition in der Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 31. Januar 2001 als Kraftfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft Bezugnahme im Arbeitsvertrag die regionalen Mantel-, Lohn- und sonstigen Tarifverträge für den Güternahverkehr Anwendung. Zu Ziff. 7 des Arbeitsvertrags ist folgendes bestimmt:
“…
7. Arbeitsentgelt
a) Der Wochen/Monatslohn beträgt inkl. Überstunden – Berechnungsgrundlage 33 Überstunden – 3.480,00 DM brutto.
…
Mit dem vereinbarten Wochenlohn/Monatslohn ist die geleistete Arbeitszeit – einschließlich etwaiger Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschläge – abgegolten.
…”
Der Kläger erhielt zuletzt einen Bruttomonatslohn von 3.811,00 DM.
Unter dem Datum des 28. April 1999 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern in einem Rundschreiben folgendes mit:
“Ich bin nicht mehr gewillt im Krankheitsfall den vollen Lohn zu zahlen, da eine übertarifliche Entlohnung besteht, in der 33 Überstunden eingerechnet sind. In Zukunft wird im Krankheitsfall, diese eingerechneten Überstunden nicht mehr vergütet.”
Der Kläger war vom 4. Mai 2000 bis nach dem 13. Juni 2000 arbeitsunfähig krank. Bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung legte die Beklagte eine tarifliche monatliche Arbeitszeit von 39 Stunden sowie einen Tariflohn in Höhe von 17,28 DM je Stunde zugrunde. Sie leistete Entgeltfortzahlung in Höhe von 2.584,26 DM für Mai und 1.157,94 DM für Juni.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung sei von dem vereinbarten Bruttomonatslohn in Höhe von 3.811,00 DM auszugehen.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Mai 2000 einen restlichen Bruttolohn in Höhe von 895,34 DM nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 20. Juli 2000 zu zahlen;
- Die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Juni 2000 einen restlichen Bruttolohn in Höhe von 574,33 DM nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettolohn seit dem 20. Juli 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt sei bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist zum Teil begründet. Die Vorinstanzen haben bei der Entgeltfortzahlung für die Monate Mai und Juni 2000 zu Unrecht Überstundenzuschläge berücksichtigt.
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Revision der Beklagten nur begründet, soweit das Landesarbeitsgericht bei der Berechnung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts tarifliche Überstundenzuschläge berücksichtigt hat. Im übrigen ist die Revision nicht begründet.
- Zwischen den Parteien war ein fester Monatslohn in Höhe von zuletzt 3.811,00 DM vereinbart. Mit diesem Monatslohn sollte nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die geleistete Arbeitszeit einschließlich etwaiger Mehrarbeit und nicht näher bezeichneter Mehrarbeitszuschläge abgegolten sein. Der Hinweis auf 33 Überstunden im Monat als weiterer Berechnungsgröße bei der Lohnfestsetzung verdeutlicht die übereinstimmende Auffassung der Parteien von einer in diesem Umfang regelmäßig verlängerten Arbeitszeit. Abweichend von der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit sollte für den Kläger eine um 33 Stunden monatlich verlängerte Arbeitszeit maßgeblich sein. Diese individuelle Arbeitszeit des Klägers ist bei der Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts zu berücksichtigen.
- Der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann gleichwohl nicht der volle Monatslohn von 3.811,00 DM zugrunde gelegt werden, weil nach der vertraglichen Vereinbarung hierin Überstundenzuschläge enthalten sind. Die Höhe der Überstundenzuschläge war allerdings vertraglich nicht ausdrücklich bestimmt. Sie ergibt sich jedoch aus dem arbeitsvertraglich ergänzend in Bezug genommenen Bezirksmanteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens (BZMTV). Nach § 3 Ziff. 1 Buchst. b BZMTV beträgt der Zuschlag für jede über 39 Stunden hinausgehende Arbeitsstunde 25 % des Tariflohns. Ausgehend von einem tariflichen Stundenlohn von 17,28 DM beträgt der Zuschlag damit 4,32 DM je Überstunde und für sechs Wochen insgesamt 197,39 DM. In Höhe dieses Zuschlags besteht nach § 4 Abs. 1a EFZG kein Entgeltfortzahlungsanspruch.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Bull, Kremser
Fundstellen
Haufe-Index 798381 |
BB 2002, 2288 |
BB 2003, 55 |
DB 2002, 2441 |
NJW 2003, 237 |
EBE/BAG 2002, 163 |
ARST 2003, 78 |
FA 2003, 30 |
NZA 2003, 156 |
SAE 2003, 108 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 5 |
EzA |
AUR 2002, 396 |
RdW 2003, 121 |
SPA 2003, 4 |