Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Befristung nach dem BeschFG
Leitsatz (amtlich)
1. Der vorbehaltlose Abschluß eines Folgevertrags steht dem rechtlichen Interesse an einer gegen den vorhergehenden befristeten Vertrag gerichteten Feststellungsklage gem. § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG nicht entgegen.
2. Durch den vorbehaltlosen Abschluß eines Folgevertrags stellen die Arbeitsvertragsparteien ihre Vertragsbeziehungen regelmäßig auf eine neue Rechtsgrundlage und heben ein etwa unbefristetes früheres Arbeitsverhältnis auf(st. Senatsrechtsprechung seit 8. Mai 1985 – 7 AZR 191/84 – BAGE 49, 73 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 97). Allein dadurch verzichtet der Arbeitnehmer aber nicht darauf, sich auf die Unwirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Vertrags zu berufen. Er kann insbesondere geltend machen, der nach § 1 BeschFG geschlossene Folgevertrag verstoße gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. BeschFG, da der vorhergehende Vertrag unwirksam befristet gewesen sei.
Normenkette
BeschFG § 1 Abs. 1, 3, 5; KSchG § 7
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 7. Oktober 1998 – 9 Sa 121/97 – wird mit folgenden Maßgaben zurückgewiesen:
- Es wird festgestellt, daß das mit Vertrag vom 5. Juli 1996 begründete Arbeitsverhältnis nicht auf Grund Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 1996 beendet ist.
- Es wird festgestellt, daß das mit Vertrag vom 16. Dezember 1996 ab dem 1. Januar 1997 begründete Arbeitsverhältnis nicht auf Grund Befristung mit Ablauf des 27. März 1997 beendet ist.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung wirksam zum 27. März 1997 beendet wurde.
Die Klägerin war vom 11. Januar 1996 bis 27. März 1997 aufgrund von vier befristeten Arbeitsverträgen bei der Beklagten in deren Niederlassung F. als Briefsortierkraft in Teilzeit beschäftigt. Die Befristungen der ersten drei am 15. Januar 1996 für die Zeit vom 11. Januar 1996 bis 31. März 1996, am 9. April 1996 für die Zeit vom 1. April 1996 bis 30. Juni 1996 sowie am 5. Juli 1996 für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 31. Dezember 1996 geschlossenen Verträge wurden auf die geplante Inbetriebnahme einer Großbriefsortieranlage und die damit beabsichtigten Personaleinsparungen gestützt. In dem vierten, am 16. Dezember 1996 geschlossenen Vertrag vereinbarten die Parteien eine Befristung für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 27. März 1997 nach § 1 BeschFG.
Mit der am 17. Januar 1997 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrags vom 5. Juli 1996 geltend gemacht. Am 12. Februar 1997 hat sie die Klage erweitert und sich auch gegen die Befristung des Arbeitsvertrags vom 16. Dezember 1996 gewandt. Die Befristung des Vertrags vom 5. Juli 1996 sei mangels eines Sachgrundes unwirksam. Die Befristung vom 16. Dezember 1996 verstoße gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 BeschFG.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag vom 5. Juli 1996 rechtsunwirksam ist und daß das Arbeitsverhältnis unbefristet fortbesteht,
- festzustellen, daß die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag vom 16. Dezember 1996 rechtsunwirksam ist und daß das Arbeitsverhältnis unbefristet fortbesteht,
- im Falle des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristungsvereinbarung vom 5. Juli 1996 sei wegen des Abschlusses des letzten Vertrags vom 16. Dezember 1996 der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Die Befristung sei im übrigen sachlich gerechtfertigt gewesen. Außerdem könne bereits die Befristung vom 5. Juli 1996 auf § 1 Abs. 1 BeschFG in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S 710) gestützt werden, da die Gesetzesänderung am 1. Oktober 1996 und damit während der Laufzeit des Vertrags in Kraft getreten sei. Die Befristung des Vertrags vom 16. Dezember 1996 sei nach § 1 BeschFG wirksam.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die am 5. Juli 1996 und am 16. Dezember 1996 vereinbarten Befristungen waren unwirksam.
A. Beide Feststellungsanträge sind zulässig.
I. Wie die gebotene, vom Klägerinvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigte Auslegung der allerdings nicht präzise formulierten Anträge ergibt, erstrebt die Klägerin die in § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG vorgesehene gerichtliche Entscheidung, daß ihr mit Vertrag vom 5. Juli 1996 begründetes Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Befristung am 31. Dezember 1996 und ihr mit Vertrag vom 16. Dezember 1996 begründetes Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Befristung am 27. März 1997 beendet ist. Der Senat hat dies bei der Urteilsformel berücksichtigt.
II. Die Klägerin hat an beiden Feststellungen ein rechtliches Interesse. Das Feststellungsinteresse bedarf bei der gesetzlich vorgeschriebenen Form einer Klage nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG regelmäßig keiner weiteren Darlegung. Es folgt bereits aus der bei Versäumung der Klagefrist nach § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG iVm. § 7 KSchG eintretenden Fiktion der Wirksamkeit der Befristung.
Dem Interesse der Klägerin an der Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die Befristung vom 5. Juli 1996 nicht zum 31. Dezember 1996 beendet worden, steht auch nicht der Umstand entgegen, daß die Parteien am 16. Dezember 1996 und damit vor Klageerhebung vorbehaltlos einen nach dem BeschFG befristeten Folgevertrag geschlossen haben. Die Klägerin bedarf der Feststellung, der vorangegangene Vertrag habe nicht aufgrund der Befristung geendet, um dies gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. BeschFG gegenüber der im letzten Vertrag vereinbarten, auf § 1 BeschFG gestützten Befristung geltend machen zu können (vgl. BAG 22. März 2000 – 7 AZR 581/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.], zu B II 2 a aa der Gründe; BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 920/98 – zVv., zu B V 1 a der Gründe).
B. Beide Anträge sind begründet.
I. Das mit Vertrag vom 5. Juli 1996 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der vereinbarten Befristung am 31. Dezember 1996 geendet.
1. Die Klägerin hat durch den vorbehaltlos geschlossenen Folgevertrag vom 16. Dezember 1996 nicht darauf verzichtet, die Unwirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Vertrags geltend zu machen. Zwar stellen die Arbeitsvertragsparteien durch einen ohne Vorbehalt geschlossenen Folgevertrag ihre Vertragsbeziehungen regelmäßig auf eine neue Rechtsgrundlage und heben zugleich konkludent ein etwa unbefristetes früheres Arbeitsverhältnis auf (st. Senatsrechtsprechung seit dem Urteil vom 8. Mai 1985 – 7 AZR 191/84 – BAGE 49, 73 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 97, zu II der Gründe; BAG 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 166 = EzA BGB § 620 Nr. 130, zu I 1 der Gründe). Ein vertraglicher Verzicht, sich insbesondere auch im Rahmen der Überprüfung des Folgevertrags auf die Unwirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Vertrags zu berufen, liegt darin aber regelmäßig nicht. Dies gilt um so mehr, als der Gesetzgeber nunmehr für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Befristung die Frist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG eingeführt hat. Soll gleichwohl bereits vor Ablauf dieser Frist vertraglich auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Befristung verzichtet werden, so muß dies in der vertraglichen Vereinbarung unmißverständlich zum Ausdruck kommen (vgl. zum Verzicht auf Kündigungsschutz etwa BAG 3. Mai 1979 – 2 AZR 679/77 – BAGE 32, 6 = AP KSchG 1969 § 4 Nr. 6, zu II 2 b der Gründe mwN).
2. Die im Vertrag vom 5. Juli 1996 vereinbarte Befristung bedurfte einer Rechtfertigung. Sie war geeignet, den der Klägerin zustehenden Kündigungsschutz nach dem KSchG objektiv zu umgehen. Zwar war die vereinbarte Vertragsdauer von genau sechs Monaten nicht länger als die in § 1 Abs. 1 KSchG vorausgesetzte Wartezeit. In die Wartezeit sind jedoch die Zeiten früherer Arbeitsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber einzurechnen, wenn zu diesen ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (BAG 12. September 1996 – 7 AZR 790/95 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 182, zu II 2 der Gründe mwN; BAG 22. März 2000 – 7 AZR 581/98 – zVv., zu B I der Gründe). Da die vorangegangenen Arbeitsverhältnisse der Parteien seit dem 11. Januar 1996 unmittelbar aufeinander folgten, ist die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt.
3. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund nicht vorliegt. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargetan, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 5. Juli 1996 sei aufgrund greifbarer Tatsachen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten gewesen, daß für eine Beschäftigung der Klägerin über den 31. Dezember 1996 hinaus kein Bedarf bestehe (vgl. zum Erfordernis einer entsprechenden Prognose etwa BAG 12. September 1996 – 7 AZR 790/95 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 182, zu II 3 a und b sowie 4 der Gründe). Die Beklagte greift insofern das Urteil des Landesarbeitsgerichts auch nicht an.
4. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung kann die Befristungsabrede vom 5. Juli 1996 nicht auf § 1 Abs. 1 BeschFG in der seit 1. Oktober 1996 geltenden Fassung gestützt werden. Die Wirksamkeit der am 5. Juli 1996 vereinbarten Befristung richtet sich nach der bei Vertragsschluß bestehenden Rechtslage. Nach § 1 des am 5. Juli 1996 geltenden BeschFG 1985 war die Befristung unzulässig. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Befristung war damals nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeschFG 1985, daß der Arbeitnehmer neu eingestellt wird. Eine derartige Neueinstellung lag im Streitfall nicht vor. Es bestand vielmehr ein enger sachlicher Zusammenhang iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 BeschFG 1985 zu dem unmittelbar vorangegangenen Arbeitsverhältnis. Die danach gegebene Unwirksamkeit der Befristungsabrede wurde nicht nachträglich am 1. Oktober 1996 durch die Novellierung des BeschFG „geheilt”.
II. Das mit Vertrag vom 16. Dezember 1996 begründete Arbeitsverhältnis hat nicht aufgrund der zum 27. März 1997 vereinbarten Befristung geendet.
1. Auch diese Befristung bedurfte einer Rechtfertigung, da durch sie der andernfalls bestehende Kündigungsschutz nach dem KSchG umgangen wurde.
2. Die Befristung kann nicht auf § 1 Abs. 1 BeschFG gestützt werden. Sie verstößt gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. BeschFG.
a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG ist eine Befristung nach § 1 Abs. 1 und 2 BeschFG nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag oder zu einem vorhergehenden befristeten Arbeitsvertrag nach Abs. 1 mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein vorhergehender unbefristeter Arbeitsvertrag kann auch ein unwirksam befristeter Arbeitsvertrag sein (BAG 22. März 2000 – 7 AZR 581/98 – zVv., zu B II 2 a aa der Gründe mwN; BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 920/98 – zVv., zu B V 1 a der Gründe).
b) Im Streitfall war der vorhergehende Arbeitsvertrag vom 5. Juli 1996 unwirksam befristet. Zwischen dem letzten und vorletzten Arbeitsvertrag bestand ein enger sachlicher Zusammenhang iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 BeschFG. Zwischen dem Ende des vorletzten und dem Beginn des letzten Vertrags lag keinerlei zeitliche Unterbrechung.
3. Einen sachlichen Grund für die Befristung des letzten Vertrags hat die Beklagte nicht behauptet.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Linsenmaier, Dr. Koch, Coulin
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.07.2000 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 537503 |
BB 2000, 2368 |
BB 2000, 2638 |
DB 2001, 871 |
FA 2000, 357 |
NZA 2001, 264 |
SAE 2001, 197 |
ZTR 2001, 136 |
AP, 0 |
PERSONAL 2001, 231 |
ZfPR 2001, 150 |