Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebungsvertrag - Entstehenszeitpunkt des Abfindungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
Der in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte Anspruch auf eine Abfindung entsteht jedenfalls dann nicht bereits mit Abschluß des Vertrags, sondern erst zum vereinbarten Ausscheidenstermin, wenn es sich um eine Frühpensionierung handelt und im Aufhebungsvertrag kein früherer Entstehenszeitpunkt bestimmt ist. Endet das Arbeitsverhältnis vorzeitig, etwa durch den Tod des Arbeitnehmers, kann der Anspruch nicht entstehen und von den Erben durch Erbfolge erworben werden.
Leitsatz (redaktionell)
Hinweis des Senats: Parallelsache zum Urteil vom 26. August 1997 - 9 AZR 564/96 - n.v.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 242, 158
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. Februar 1996 - 8 Sa 107/95 - aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14. Juni 1995 - 3 Ca 598/94 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes die Zahlung einer Abfindung aus einem zwischen diesem und der Beklagten geschlossenen Aufhebungsvertrag.
Der am 16. November 1993 verstorbene Erblasser stand seit 1. Januar 1979 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Er war ordentlich nicht kündbar. Am 5./20. Oktober 1993 schloß er mit der Beklagten aufgrund eines Frühpensionierungsprogramms eine Vereinbarung über sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis:
"1.1. Das Arbeitsverhältnis wird zum 30.04.1994 auf Veranlassung der ... im gegenseitigen Einvernehmen beendet. ...
1.3. Der Mitarbeiter erhält als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung in Höhe von 430.000,-(i.W.: Vierhundertdreißigtausend DM) DM brutto.
1.4. Die Abfindung wird Ende April 1994 ausgezahlt. ...
5.2. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres jede Arbeitslosmeldung zu unterlassen. ...
7. Abschließende Vereinbarung Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.
..."
Die Beklagte verfolgte mit dem Frühpensionierungsprogramm das Ziel, ihre Personal- und Altersstruktur durch das freiwillige Ausscheiden älterer Mitarbeiter den wirtschaftlichen Anforderungen anzupassen. Nach dem von der Beklagten vorgesehenen Versorgungsziel sollte dem Arbeitnehmer etwa 80 % seines bis zum Rentenbezug zufließenden Nettoverdienstes zur Verfügung stehen. Hierüber wurde der Erblasser bei einem Ausscheidensgespräch informiert. Er erhielt ferner ein Rundschreiben der Beklagten mit Informationen über die Frühpensionierung und eine am 5. Oktober 1993 erstellte Berechnung des Abfindungsbetrages.
Die Klägerin erhält eine monatliche betriebliche Hinterbliebenenrente von 1.800,00 DM.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Anspruch auf Zahlung der Abfindung sei mit dem Abschluß der Vereinbarung entstanden und durch den Tod ihres Ehemannes vor dem vereinbarten Ausscheidenstermin nicht entfallen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 430.000,-- DM brutto nebst 12,5 % Zinsen seit dem 1.5.1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Hauptforderung und der gesetzlichen Verzugszinsen stattgegeben. Die weitergehende Nebenforderung hat es abgewiesen. Die allein von der Beklagten eingelegte Berufung blieb erfolglos. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Beklagten. Die Klägerin bittet um deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der mit ihrem Ehemann vereinbarten Abfindung durch Erbfolge nach § 1922 BGB erworben.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Anspruch des Erblassers auf die Abfindung sei mit Abschluß der Vereinbarung unbedingt entstanden, durch seinen Tod unberührt geblieben und als reiner Geldanspruch vererblich.
Dem folgt der Senat nicht.
Die Auslegung eines nicht typischen Vertrages ist Aufgabe der Tatsachengerichte und in der Revisionsinstanz allein daraufhin überprüfbar, ob bei der Auslegung des Vertrages die Rechtsvorschriften über die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) richtig angewendet, ob dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen und der Tatsachenstoff vollständig verwertet worden sind (BAG Urteil vom 26. Mai 1992 - 9 AZR 27/91 - AP Nr. 63 zu § 74 HGB). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht stand. Der Tatsachenstoff ist nicht hinreichend berücksichtigt worden.
2. Die Vereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist ein Aufhebungsvertrag, für den gesetzliche Vorgaben nicht bestehen. Damit sind die Vertragsparteien nicht gebunden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer für die Aufgabe des Arbeitsplatzes eine Leistung des Arbeitgebers erhält. Welche Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sein müssen, um den Abfindungsanspruch entstehen zu lassen, richtet sich deshalb nach dem Parteiwillen.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Abfindungsanspruch des Erblassers nicht bereits mit Abschluß der Vereinbarung entstanden. Vielmehr hat ihre Erklärung zum Inhalt, daß der Anspruch erst dann entstehen sollte, wenn das Arbeitsverhältnis durch die Vereinbarung, also zu dem darin genannten Zeitpunkt am 30. April 1994 und nicht bereits vorher aus anderen Gründen beendet wird.
3. Schuldrechtliche Ansprüche entstehen zwar regelmäßig mit Abschluß des Rechtsgeschäfts, durch das die Rechtsbeziehungen der Vertragsschließenden geregelt werden (BAG Urteil vom 13. November 1986 - 2 AZR 771/85 - AP Nr. 57 zu § 613 a BGB). Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Entstehenszeitpunkt nach der im Vertrag verlautbarten Interessenanlage der Parteien auf einen späteren Termin festgelegt wird. So ist es hier.
Nach Nr. 1.1. der Vereinbarung über das Ausscheiden des Erblassers bei der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen im gegenseitigen Einvernehmen zum 30. April 1994 beendet. Nr. 1.3. des Vertragstextes bestimmt, daß der Erblasser die Abfindung "als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes" erhalten sollte. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Termin und die Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung werden damit in einen unmittelbaren Zusammenhang gebracht. Die Abfindung soll danach eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Einwilligung des Mitarbeiters in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein. Darin erschöpfte sich ihre Bedeutung jedoch nicht. Vielmehr diente sie außerdem nach dem übereinstimmenden Verständnis sowohl des Erblassers wie auch der Beklagten der Einkommenssicherung des Mitarbeiters bis zum Eintritt in das Rentenalter, wie sich aus dem Rundschreiben über die Frühpensionierung und den Berechnungsbogen über die Abfindung ergibt. Deren Höhe haben der Erblasser und die Beklagte als die angemessene und ausreichende Übergangsleistung festgelegt, um die Existenz des Erblassers für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Rentenbezug zu sichern.
Damit ist eine Auslegung nicht vereinbar, mit der die Abfindung von der tatsächlichen Beendigung durch den Aufhebungsvertrag abgekoppelt wird. Ein solcher nur die Erben begünstigender Inhalt ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Sie sollte keinen Ausgleich der durch etwaigen Tod des Arbeitnehmers entstehenden Nachteile bewirken, sondern die sich aus der Frühpensionierung ergebenden finanziellen Folgen mildern. Von der Ursächlichkeit des Aufhebungsvertrags für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann deshalb weder nach dem Wortlaut noch nach dem mit der Abfindung verfolgten Zweck abgesehen werden.
Eine Bestimmung, nach der die Abfindung ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Beendigungsgrund und Beendigungszeitpunkt sofort entstehen sollte, fehlt im Vertrag.
4.a) Die bindende Wirkung des Aufhebungsvertrags ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts dagegen kein geeigneter Gesichtspunkt, um den Entstehenszeitpunkt des Abfindungsanspruchs zu bestimmen. Verbindlich ist jeder Vertrag, der nicht ausdrücklich einer oder beiden Vertragsparteien das Recht vorbehält, sich einseitig von ihm zu lösen. Gleiches gilt für die dingliche Wirkung der Ausscheidensvereinbarung. Da ein Aufhebungsvertrag unmittelbar auf das Recht einwirkt, waren die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten mit dem vereinbarten Endtermin ohne weitere Voraussetzungen erloschen. Damit ist jedoch keine Aussage verbunden, daß schuldrechtlich der Anspruch auf die Abfindung auch dann entstehen sollte, wenn das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen bereits vorzeitig sein Ende findet.
b) Erwägungen über das rechtliche Schicksal der Abfindung, wenn der Erblasser nicht vor dem vereinbarten Ausscheidenstermin verstorben wäre, sondern an diesem Tag oder kurz danach, sind gleichfalls unergiebig. Die Verteilung der mit einem Aufhebungsvertrag verbundenen Risiken beurteilt sich nach den vereinbarten Vertragsbedingungen. Dabei kann die vorzeitige Beendigung in die Risikosphäre des Arbeitgebers fallen, wie das Bundesarbeitsgericht mehrfach entschieden hat (BAG Urteile vom 16. Oktober 1969 - 2 AZR 373/68 - AP Nr. 20 zu § 794 ZPO; vom 25. Juni 1987 - 2 AZR 504/86 - EzA Nr. 23 zu § 9 n.F. KSchG 1969; vom 29. November 1984 - 2 AZR 588/83 - n.v.). Ebenso kann das Risiko dem Arbeitnehmer zufallen, dessen Erben die mit dem Erblasser vereinbarte Abfindung dann nicht erhalten. Auch dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG Urteile vom 25. September 1996 - 10 AZR 311/96 - AP Nr. 105 zu § 112 BetrVG; vom 22. Mai 1996 - 10 AZR 907/95 - AP Nr. 13 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz). Soweit in einer Ausscheidensvereinbarung keine ausdrückliche Regelung getroffen wird, kommt es damit auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an.
c) Mit dem Landesarbeitsgericht ist allerdings auch der Senat der Auffassung, daß die Arbeitsvertragsparteien die Vereinbarung nicht unter der aufschiebenden Bedingung getroffen haben, der Erblasser werde den Beendigungstermin erleben. Denn eine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 158 BGB setzt eine auch tatsächlich bestehende subjektive Ungewißheit beider Vertragsparteien über den Eintritt der rechtsgeschäftlich vereinbarten Bedingung voraus. Für entsprechende Zweifel des Erblassers, er werde das Ausscheidungsdatum tatsächlich erleben, fehlt es an tatsächlichen Feststellungen.
Dem steht die Entscheidung des Zweiten Senats vom 21. Januar 1997 (- 2 AZR 292/96 - AP Nr. 131 zu § 626 BGB) nicht entgegen. Sie betrifft einen Vertrag, für den eine stillschweigend vereinbarte aufschiebende Bedingung angenommen wurde, das Arbeitsverhältnis werde tatsächlich bis zum vereinbarten Endtermin fortgesetzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Leinemann Düwell Reinecke Fr. Holze H. Kranzusch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.08.1997 durch Brüne, Justizsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436532 |
BB 1998, 700 |
DB 1998, 1620 |
DStR 1998, 1365 |
FamRZ 1998, 957 |
FA 1998, 165 |
FA 1998, 182 |
NZA 1998, 643 |
RdA 1998, 186 |
AP, 0 |
ArbuR 1998, 202 |