Leitsatz (amtlich)
- Der Vorbehalt, daß die Leistungen freiwillig und ohne Rechtsanspruch gewährt werden, berechtigt eine Unterstützungskasse nicht zum Widerruf der Leistungen mit der Begründung, sie sei vermögenslos. Es kommt vielmehr auf die wirtschaftliche Lage des Trägerunternehmens an.
- Der Pensionär kann das Trägerunternehmen anstelle der Unterstützungskasse in Anspruch nehmen, wenn diese vermögenslos und vom Trägerunternehmen aufgelöst worden ist.
Normenkette
BGB §§ 242, 315; BetrAVG § 7; ZPO § 561 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 18.02.1976; Aktenzeichen 12 Sa 1567/75) |
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 1976 – 12 Sa 1567/75 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war von 1938 bis zu seinem Ausscheiden wegen Erreichens der Altersgrenze Ende November 1972 als kaufmännischer Angestellter bei der Beklagten beschäftigt. Für die Arbeitnehmer der Beklagten bestand seit dem 13. Januar 1942 eine in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins betriebene Wohlfahrtseinrichtung. Diese diente nach § 1 Nr. III der Satzung vom 23. Dezember 1941 dem Zweck, den Werksangehörigen nach verdienstvollem Ausscheiden aus den Diensten der Beklagten wegen Alters oder Invalidität sowie ihren Hinterbliebenen Beihilfen zu gewähren.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger bekannt war, daß die Beklagte für die Altersversorgung eine selbständige Versorgungseinrichtung eingeschaltet hatte. Durch einen Aushang vom 15. September 1955 hatte die Beklagte Erhöhungen der “Leistungen ihrer Wohlfahrtseinrichtung” mitgeteilt. Dem Kläger ist auf eine Anfrage über die Höhe der Leistungen am 2. Dezember 1971 auf einem Briefbogen der Beklagten geantwortet worden. Der Kläger war zeitweise Mitglied des Betriebsrats und in dieser Eigenschaft ist er am 19. November 1971 zum Vorstandsmitglied der Wohlfahrtseinrichtung gewählt worden.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei nicht ersichtlich gewesen, daß die Versorgungsleistungen nicht von der Beklagten unmittelbar, sondern von einer selbständigen Unterstützungskasse erbracht wurden. Er hat unwidersprochen vorgetragen, während seiner Beschäftigung bei der Beklagten sei ihm stets erklärt worden, er werde eine Betriebsrente erhalten. Die Arbeitnehmer seien immer wieder auf die betriebliche Altersrente hingewiesen worden. Nach seinem Ausscheiden habe ihm die Beklagte die Leistungen von monatlich 100,-- DM von ihrem Konto in ihrem eigenen Namen überwiesen.
Diese Leistungen stellte die Beklagte mit Ablauf des Jahres 1974 aus folgendem Anlaß ein: Die Beklagte hat ihre Produktion am 30. September 1974 aufgegeben. Sie hat mit dem Betriebsrat am 29. Juli 1974 einen Sozialplan vereinbart. Ferner wurde am 30. Juli 1974 folgende Betriebsvereinbarung betreffend die Wohlfahrtseinrichtung der Firma Gebr. T… geschlossen:
“
- Es wurden mit dem Betriebsrat einstimmig folgende Abfindungsregelungen für die Wohlfahrtseinrichtung, bei der Schließung der Firma Gebr. T…, beschlossen:
- alle Rentner, die bis zum 31.12.1973 schon eine Rente aus der Wohlfahrtseinrichtung bezogen haben, erhalten am 31.12.1974 eine halbe Jahresrente, bezogen auf die letzte, monatliche normale Rentenzahlung als Abfindung.
- die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer, die im Jahre 1974 und bis März 1975 Rentenempfänger der Wohlfahrtseinrichtung würden, erhalten als einmalige Abfindung eine Jahresrente, entsprechend der Satzung.
die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten, die bei Ausscheiden aus der Firma, aufgrund der Schließung, Anspruch auf Rentenzahlung aufgrund der Wohlfahrtseinrichtung hätten, erhalten als einmalige Abfindung einen Pauschalbetrag in Höhe von DM 700,--.
Die pauschale Abfindung in Höhe von DM 700,-- wird bei Ausscheiden der einzelnen Mitarbeiter ausgezahlt.
- Damit sind alle Punkte des Sozialplanes abgeschlossen.”
Der Kläger wurde von diesen Maßnahmen durch Schreiben vom 6. Dezember 1974 unterrichtet. Im Laufe des Dezember 1974 erhielt er die Abfindung von 600,-- DM. Er hat sich mit Schreiben vom 27. Februar 1975 gegen die Einstellung der Versorgungsleistungen gewandt und um nähere Aufklärung gebeten.
Mit seiner am 29. Juli 1975 erhobenen Klage hat der Kläger die Fortzahlung des Ruhegeldes begehrt. Er hat geltend gemacht, aufgrund des Verhaltens der Beklagten sei er davon ausgegangen, daß diese Schuldnerin der Versorgungsleistungen sei. Die Auflösung der Wohlfahrtseinrichtung berühre daher seinen Anspruch nicht. Die Beklagte sei auch trotz Einstellung der Produktion in der Lage, die Versorgungsleistungen aufzubringen; sie besitze noch wesentliche Vermögenswerte.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200,-- DM nebst 4 % Zinsen von je 100,-- DM seit dem 1. Juli und 1. August 1975 zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab 1. September 1975 auf die Dauer seines Lebens monatlich 100,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe dem Kläger gegenüber keine Verbindlichkeit wegen der Versorgungsleistungen übernommen. Schuldner des Ruhegeldes sei nur die selbständige Wohlfahrtseinrichtung gewesen. Das habe der Kläger auch gewußt. Soweit sie nach der Pensionierung des Klägers Leistungen aus eigenen Mitteln erbracht habe, sei sie nur für die damals schon vermögenslose Unterstützungskasse eingetreten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt sie ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte muß für die vom Kläger begehrten Ruhegeldzahlungen aufkommen. Das gilt auch dann, wenn der Kläger wußte, daß die Beklagte die Altersversorgung über eine selbständige Unterstützungseinrichtung abwickelte. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe nach den Umständen von einer unmittelbaren Verpflichtung der Beklagten ausgehen dürfen, den Angriffen der Revision standhalten kann.
I.1. Wenn ein Arbeitgeber eine Altersversorgung durch eine rechtlich selbständige Einrichtung zusagt, so liegt darin ein entgeltliches Versprechen des Arbeitgebers, seinem Arbeitnehmer eine Forderung gegen die Einrichtung zu verschaffen.
Voraussetzungen und Umfang der Leistungen richten sich dann grundsätzlich nach der Satzung, den Richtlinien oder sonstigen Bestimmungen der Versorgungseinrichtung (BAG AP Nr. 2 zu § 242 BGB Ruhegehalt – VBL [zu I 1 der Gründe]). Hier ist unstreitig, daß dem Kläger seit seinem Eintritt in den Ruhestand als Altersruhegeld 100,-- DM monatlich zustanden.
2. Die Unterstützungseinrichtung der Beklagten hat, wenn man die sogenannte Abfindung berücksichtigt, ihre Leistungen für die Zeit ab 1. Juli 1975 eingestellt. Dazu war sie nicht berechtigt.
a) Die Beklagte hat den Widerruf mit dem Hinweis verteidigt, die Leistungen der Wohlfahrtseinrichtung hätten unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gestanden. Deshalb hätten sie eingestellt werden können; denn die Unterstützungseinrichtung sei vermögenslos gewesen.
Diese Ansicht steht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats. Danach begründet im Bereich der betrieblichen Altersversorgung der Ausschluß des Rechtsanspruchs nur ein Widerrufsrecht, das an billiges Ermessen und damit an sachliche Gründe gebunden ist. Die Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen, die eine Unterstützungskasse unter Ausschluß des Rechtsanspruchs zahlt, ist deshalb nur dann zulässig wenn sachliche Gründe eine Kürzung unumgänglich erscheinen lassen (BAG 21, 46 [51] = AP Nr. 127 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu B II der Gründe]; BAG 25, 194 [200 f.] = AP Nr. 6 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen [zu B II 2a) der Gründe]; ferner BAG 25, 362 [369] = AP Nr. 162 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu 5a) der Gründe]).
Ein sachlicher Grund für einen Widerruf kann sich aus dem wirtschaftlichen Leistungsvermögen des die Kasse dotierenden Arbeitgebers (Trägerunternehmens) ergeben. Die Vermögenslosigkeit der Unterstützungseinrichtung für sich reicht nicht aus, um die Versorgungsleistungen zu mindern oder einzustellen. Eine Unterstützungskasse, die die vom Arbeitgeber versprochene Altersversorgung leisten soll, ist ungeachtet ihrer rechtlichen Selbständigkeit in ihrer Existenz wie in der Durchführung ihrer Aufgaben von dem Trägerunternehmen abhängig. Der Arbeitgeber muß deshalb dafür sorgen, daß der Unterstützungseinrichtung die Mittel zur Verfügung stehen, die sie benötigt, um die Versorgungsleistungen zu erbringen (BAG 25, 194 [201 f.] = AP Nr. 6 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen [zu B II 3a) der Gründe]; vgl. auch BAG 25, 362 [368 f.] = AP Nr. 162 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu 4 der Gründe]).
Dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit der Unterstützungskassen hat der Gesetzgeber bei der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung Rechnung getragen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BetrAVG setzt der Insolvenzschutz bei Ausbleiben der Versorgung durch eine Unterstützungskasse dann ein, wenn einer der Sicherungsfälle bei dem Arbeitgeber eingetreten ist, der die Zuwendungen leistet. Es ist nicht vorgesehen, daß, unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Trägerunternehmens, der Sicherungsfall bei der Unterstützungskasse selbst vorkommen kann.
b) Zu der wirtschaftlichen Lage der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, es sei dieser möglich, die Unterstützungskasse weiterhin so zu dotieren, daß diese die Versorgungsleistungen erbringen kann. Das Landesarbeitsgericht ist zwar davon ausgegangen, die Beklagte schulde das Ruhegeld aufgrund einer eigenen Verpflichtung. Es hat dann geprüft, ob die Beklagte nach Billigkeitsgrundsätzen die Leistungen widerrufen konnte. Damit hat das Berufungsgericht die gleichen Voraussetzungen und Maßstäbe angewendet, die für einen Widerruf durch die Unterstützungseinrichtung gelten.
Die in dem angefochtenen Urteil zu der wirtschaftlichen Lage der Beklagten getroffenen Feststellungen muß der Senat seiner Entscheidung zugrunde legen; denn die Revision hat dagegen keine Verfahrensrügen erhoben (§ 561 Abs. 2 ZPO).
3. Der Versorgungsanspruch des Klägers ist auch nicht aus anderen Gründen weggefallen.
a) Die Beklagte hat mit ihrem Betriebsrat am 30. Juli 1974 eine Betriebsvereinbarung über die Ruhegeldansprüche der Pensionäre abgeschlossen. Danach sollten die Pensionäre durch die Zahlung von sechs Monatsbeträgen für ihre gesamten Ruhegeldansprüche abgefunden werden. Diese Betriebsvereinbarung steht dem vom Kläger verfolgten Anspruch nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann durch eine Betriebsvereinbarung die Rechtstellung der Pensionäre nicht verschlechtert werden (Beschluß des Großen Senats des BAG in BAG 3, 1 [9 ff.] = AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG [zu I 3 der Gründe a.E.]; BAG 22, 252 [272] = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu C III der Gründe]).
Von dieser Ansicht ist der Senat auch nicht in seinen Beschlüssen vom 12. Juni 1975 abgerückt (AP Nr. 1, 2 und 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung [zu II B 8b bzw. II B 5b bzw. II B 4b der Gründe]; erstere Entscheidung ist zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Dort ist die Möglichkeit erwähnt, durch Betriebsvereinbarung eine betriebliche Ruhegeldordnung abzuändern und dabei die individuellen Besitzstände einer neuen kollektiven Regelung sinnvoll anzupassen. Damit war, wie auch der Hinweis auf die Entscheidung BAG 22, 252 = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt zeigt, nur die Änderung der Anwartschaften gemeint.
b) Die Beklagte hat noch geltend gemacht, der Kläger habe durch Entgegennahme der Abfindung den Inhalt der Betriebsvereinbarung gebilligt. Dem ist das Landesarbeitsgericht mit Recht nicht gefolgt. Die Abfindung ist dem Kläger Ende Dezember 1974 überwiesen worden. Schon mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 27. Februar 1975 hat er sich gegen die ihm mit Schreiben vom 6. Dezember 1974 mitgeteilte Einstellung der Versorgungsleistungen gewandt.
II. Die Beklagte kann den Kläger nicht darauf verweisen, seine Ansprüche gegen die Unterstützungseinrichtung zu verfolgen.
1. Richtig ist zwar, daß der Arbeitnehmer, dem eine Versorgung durch eine selbständige Unterstützungseinrichtung versprochen ist, grundsätzlich seine Ansprüche bei dieser und nicht beim Arbeitgeber geltend machen muß (BAG 21, 46 [49] = AP Nr. 127 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu A 1 der Gründe]; AP Nr. 2 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen [zu 5 der Gründe]). Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Unterstützungskasse und der hinter ihr stehende Arbeitgeber erklären, die Kasse werde nicht leisten, und wenn die Leistungsfähigkeit der Kasse von einer Dotierung abhängt (vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen [zu 3 der Gründe]). Der Senat hat in einer anderen Entscheidung einer Klage gegen eine Unterstützungskasse entsprochen, die Leistungen unter Hinweis auf ihre Ertragslage gekürzt hatte. Dazu ist ausgeführt worden, die Kasse müsse den Arbeitgeber veranlassen, seinen Verpflichtungen nachzukommen (BAG 25, 194 [203] = AP Nr. 6 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen [zu B II 3b der Gründe]). Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen worden, daß der Pensionär sich an den Arbeitgeber unmittelbar hält.
2. Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Unterstützungseinrichtung seit Jahren vermögenslos war. Die ihr obliegenden laufenden Leistungen hat die Beklagte aufgebracht. Die Unterstützungseinrichtung ist durch Beschluß der Mitgliederversammlung vom 17. Dezember 1974 aufgelöst und am 5. März 1975 im Vereinsregister gelöscht worden. Hieran hat die Beklagte mitgewirkt.
Unter diesen Umständen kann der Kläger unmittelbar gegen die Beklagte vorgehen. Die Inanspruchnahme der im Vereinsregister gelöschten Unterstützungskasse, die ihrerseits die Mittel für die Versorgungsleistungen nur von der Beklagten erlangen kann, würde lediglich zu einer unnötigen Vermehrung der Prozesse und einer dem Kläger unzumutbaren Erschwernis und Verzögerung führen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Dieterich, Clemens, Donnig
Dr. Gehring befindet sich im Urlaub und ist daher an der Unterschrift verhindert
Dr. Thomas
Fundstellen