Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstsiegel auf Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Schreibt eine Gemeindeordnung vor, daß eine schriftliche außerordentliche Kündigung gegenüber einem Angestellten nur rechtsverbindlich ist, wenn das Kündigungsschreiben vom Gemeindedirektor und dem Ratsvorsitzenden handschriftlich unterzeichnet und mit dem Dienstsiegel versehen ist (hier: § 80 Abs 5 Satz 3 iV mit § 63 Abs 2GemO ND), so handelt es sich hierbei nicht um eine gesetzliche Formvorschrift, sondern um eine Vertretungsregelung.
2. Das Dienstsiegel steht in derartigen Fällen als Legitimationszeichen einer Vollmachtsurkunde im Sinne des § 174 Satz 1 BGB gleich.
3. Unterbleibt bei einer schriftlichen außerordentlichen Kündigung die Dokumentation der Vertretungsmacht durch Beifügen des Dienstsiegels, so kann der Arbeitnehmer die außerordentliche Kündigung in entsprechender Anwendung des § 174 Satz 1 BGB unverzüglich aus diesem Grunde zurückweisen.
Normenkette
BAT § 57 S. 1; BGB § 174 S. 1, § 125 S. 1; GO ND § 63 Abs. 4, 2; GO ND § 80 Abs. 5 S. 3
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 11.07.1986; Aktenzeichen 3 Sa 94/83) |
ArbG Emden (Entscheidung vom 31.05.1983; Aktenzeichen 2 Ca 656/82) |
Tatbestand
Die Parteien streiten im Revisionsrechtszug über die Wirksamkeit der von der Beklagten erklärten außerordentlichen schriftlichen Kündigung. Nur insoweit ist der vorliegende Rechtsstreit in die Berufung gelangt; eine vom Kläger erhobene Leistungsklage (Ansprüche auf Verzugslohn) ist noch beim Arbeitsgericht rechtshängig.
Der 1933 geborene Kläger ist ab 2. Oktober 1961 als Bautechniker bei der Beklagten angestellt worden. Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung unterliegt das Arbeitsverhältnis den Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) nebst ergänzenden und ändernden Tarifverträgen. Seit 1972 hat der Kläger die Aufgabe des stellvertretenden Leiters des Tiefbauamtes der Beklagten. Er bezog zuletzt Vergütung nach der VergGr. IV a BAT.
Mit Schreiben vom 10. September 1982, dem Kläger am selben Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos. Das Kündigungsschreiben lautet wie folgt:
"Betr.: Außerordentliche Kündigung Ihres Dienst-
------ verhältnisses
Hiermit wird Ihr Dienstverhältnis mit sofortiger
Wirkung gekündigt.
Begründung:
-----------
Sie haben sich eine so schwere fortgesetzte Verletzung
elementarer Dienstpflichten zu Schulden
kommen lassen, daß der Stadt als Ihrem Arbeitgeber
eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht
länger zuzumuten ist.
Als verantwortlicher Sachbearbeiter für den Tiefbau
haben Sie es zugelassen, daß die Stadt A
von Baufirmen fortgesetzt betrogen worden ist;
der eingetretene Schaden liegt bei mehreren hunderttausend
DM.
Unter Ihrer verantwortlichen Bauleitung sind mehrere
Straßen auf bituminöser Basis gebaut worden,
die, wie anhand entnommener Bohrproben nachweisbar
ist, bei weitem nicht den vertraglich vereinbarten
und bezahlten Leistungen entsprechen. Teilweise
fehlen ganze Schichten, teilweise wurde minderwertiges
Material eingebaut, teilweise sind die
Schichtstärken auch nicht annähernd vorhanden.
Bei der Freigabe der Schlußrechnung für die Baumaßnahme
"D" durch Sie haben Sie zum Nachteil
der Stadt in Rechnung gestellte Kosten anerkannt,
die nicht den erbrachten Leistungen entsprachen.
Das gilt insbesondere für die von Ihnen
pflichtwidrig nicht überprüften Kalkulationen für
die Nachtragsangebote und für den von Ihnen nicht
berücksichtigten Nachlaß von 1 %, der vertraglich
vereinbart, von der bauausführenden Firma bei Legung
der Schlußrechnung aber nicht abgesetzt worden
ist.
Die von Ihnen zu verantwortenden Verfehlungen
haben das durch Ihre unerlaubten Nebentätigkeiten
ohnehin beeinträchtigte Vertrauensverhältnis derart
stark erschüttert, daß eine weitere gedeihliche
Zusammenarbeit damit ausgeschlossen ist.
Sie werden hiermit ausdrücklich darauf hingewiesen,
daß diese außerordentliche Kündigung des
Dienstverhältnisses weder weitergehende zivilrechtliche
Ansprüche noch strafrechtliche Folgen berührt.
gez.: Unterschrift Unterschrift
St F
Bürgermeister Stadtdirektor"
Das Schreiben trägt zwar die Unterschriften nebst Amtsbezeichnungen des Bürgermeisters und des Stadtdirektors der Beklagten. Es ist jedoch nicht mit einem Dienstsiegel versehen.
Mit seiner am 14. September 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 24. September 1982 zugestellten Klage setzt sich der Kläger gegen diese außerordentliche Kündigung zur Wehr. Er hat im ersten Rechtszug gemeint, die Kündigung sei nicht begründet; die Kündigungsvorwürfe träfen nicht zu bzw. genügten nicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Er hat insoweit beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien nicht durch die mit
Schreiben der Beklagten vom 10. September
1982 ausgesprochene außerordentliche Kündigung
beendet worden ist, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, die Kündigung sei aus den von ihr dargelegten Gründen gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigungsgründe nicht substantiiert dargelegt; die vom Kläger eingeräumten Pflichtverstöße rechtfertigten keine außerordentliche Kündigung.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 1985 hat der Kläger erstmals das Kündigungsschreiben ohne Dienstsiegel dem Berufungsgericht vorgelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Parteien sodann durch einen am selben Tag verkündeten Beschluß auf die Vorschriften der Niedersächsischen Gemeindeordnung (Nds.GemO) über die Beifügung des Dienstsiegels hingewiesen und ihnen nachgelassen, zu diesem neuen rechtlichen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Mit seinem Schriftsatz vom 10. Februar 1986 hat der Kläger sich ausdrücklich darauf berufen, die schriftliche Kündigungserklärung sei mangels Beifügung des Dienstsiegels unwirksam. Die Beklagte hat zu ihrer gegenteiligen Auffassung ein Rechtsgutachten eingereicht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. Juni 1986 haben die Parteien zur Beilegung des vorliegenden Rechtsstreits wie auch des Weiterbeschäftigungsrechtsstreits einen Vergleich geschlossen, bei dem beiden Parteien der Widerruf zu den Gerichtsakten bis zum 30. Juni 1986 vorbehalten geblieben ist. Mit seinem an das Arbeitsgericht gerichteten Schriftsatz vom 18. Juni 1986, dort eingegangen am 19. Juni 1986, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers um "endgültige Streitwertfestsetzung, nachdem der Prozeß durch Vergleich in der Berufungsinstanz erledigt worden ist," gebeten. Mit einem gleichzeitigen Schriftsatz an das Landesarbeitsgericht hat er dort um Wertfestsetzung für die Berufungsinstanz gebeten. Mit seinem weiteren Schriftsatz vom 26. Juni 1986, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 27. Juni 1986, hat der Kläger den Vergleich widerrufen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, die Kündigung sei wegen Verstoßes gegen die Regelungen § 80 Abs. 5 Satz 3, § 63 Abs. 2 Nds.GemO formunwirksam, weil auf dem Kündigungsschreiben das Dienstsiegel nicht angebracht worden ist.
Das Berufungsurteil ist aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 1986 am 11. Juli 1986 verkündet worden. Das mit Tatbestand, Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil ist der Beklagten am 17. Februar 1987 zugestellt worden. Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die Feststellungsklage abweisen zu lassen, weiter, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. Die Revision ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht schon deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil sie erst am 13. März 1987 und damit weit länger als sechs Monate nach Verkündung des Berufungsurteils (11. Juli 1986) eingelegt worden ist. Denn das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist der revisionsführenden Beklagten erst am 17. Februar 1987 mit Tatbestand, Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung versehen zugestellt worden. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren beginnt mit Ablauf der Fünf-Monats-Frist der §§ 516, 552 ZPO nicht die Berufungs- bzw. Revisionsfrist, sondern wegen des Fehlens der vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrung die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG (Senatsurteil vom 14. September 1984 - 7 AZR 528/83 - AP Nr. 3 zu § 9 ArbGG 1979 im Anschluß an BAG Beschluß vom 22. November 1966 - 4 AZR 402/66 - AP Nr. 14 zu § 9 ArbGG 1953). Die Jahresfrist war bei Einlegung der Revision noch nicht abgelaufen.
II. Die Revision hat nicht schon deshalb Erfolg, weil die Parteien im zweiten Rechtszug einen Widerrufsvergleich zur Erledigung des Rechtsstreits geschlossen hatten. Der Rechtsstreit ist nicht durch den Widerrufsvergleich vom 9. Juni 1986 erledigt worden, denn der Widerruf des Vergleichs ist wirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.
Zwar hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers innerhalb der bis 30. Juni 1986 vereinbarten Widerrufsfrist mit Schriftsatz vom 18. Juni 1986 gegenüber dem Arbeitsgericht erklärt, er bitte um endgültige Streitwertfestsetzung, nachdem der Prozeß durch Vergleich in der Berufungsinstanz erledigt worden sei. In dieser Erklärung kann jedoch nicht ein Verzicht auf die Widerrufsmöglichkeit durch den Kläger gesehen werden. Die Erklärung ist weder an das Landesarbeitsgericht gerichtet worden noch ist sie als Prozeßerklärung des Inhaltes zu verstehen, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dem Vergleich ausdrücklich zustimmen oder auf die Widerrufsmöglichkeit verzichten wollte. Der Hinweis auf die Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz durch den Vergleich dient lediglich der Begründung für den an das Arbeitsgericht gerichteten Wertfestsetzungsantrag. Dies gilt ebenso für den weiteren an das Landesarbeitsgericht gerichteten Wertfestsetzungsantrag vom 18. Juni 1986.
Der Kläger hat somit von seinem bis zum 30. Juni 1986 vereinbarten Widerrufsrecht fristgemäß Gebrauch gemacht, denn seine Widerrufserklärung ist am 27. Juni 1986 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
III. Die Revision ist jedoch deshalb begründet, weil die schriftliche Kündigungserklärung - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - nicht schon deshalb unwirksam ist, weil sie entgegen der Vorschriften § 80 Abs. 5 Satz 3, § 63 Abs. 2, 4 Nds.GemO nicht mit dem Dienstsiegel der beklagten Stadt versehen ist.
Die vorgenannten Bestimmungen lauten:
§ 80 Abs. 5 Satz 3:
"Für die Anstellungsverträge und sonstigen
schriftlichen Erklärungen zur Regelung der Rechtsverhältnisse
von Angestellten und Arbeitern gilt
§ 63 Abs. 2 und 4."
§ 63 Abs. 2:
"Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet
werden soll, kann der Gemeindedirektor nur gemeinsam
mit dem Ratsvorsitzenden abgeben. Sie
sind, sofern sie nicht gerichtlich oder notariell
beurkundet werden, nur rechtsverbindlich, wenn
sie handschriftlich unterzeichnet und mit dem
Dienstsiegel versehen sind."
§ 63 Abs. 4:
"Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Geschäfte
der laufenden Verwaltung."
1. Das Fehlen des Dienstsiegels ist hier nicht gemäß § 63 Abs. 4 Nds.GemO unbeachtlich. Bei der außerordentlichen Kündigung, die die Beklagte gegenüber dem Kläger ausgesprochen hat, handelt es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung (vgl. insoweit zu gleichgelagerten Fällen auf derselben gesetzlichen Grundlage: BAG Urteil vom 6. August 1970 - 2 AZR 427/69 - AP Nr. 7 zu § 125 BGB; BAG Urteil vom 5. April 1978 - 4 AZR 567/76 -, nicht veröffentlicht). Diese Frage ist im angefochtenen Urteil zwar nicht ausdrücklich erörtert und entschieden worden. Nach den Urteilsgründen ist jedoch auch das Berufungsgericht unausgesprochen davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 63 Abs. 4 Nds.GemO nicht vorliegen. Geschäfte der laufenden Verwaltung im Sinne jener Bestimmung in Verb. mit § 80 Abs. 5 Satz 3 Nds.GemO sind solche, die weder auf die Eingehung noch auf die außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Gemeinde abzielen, sondern nur solche, die unter Fortbestand des bereits bestehenden und weiterhin bestehen bleibenden Arbeitsverhältnisses zu treffen sind, wie etwa Entscheidungen über Urlaubsgesuche, Dienstbefreiungen, Zubilligungen von Prämien und ähnlichem (vgl. dazu auch die insoweit zustimmende Anm. von H. P. Westermann zu AP Nr. 7 zu § 125 BGB). Ob bei größeren Gemeinden auch ordentliche Kündigungen unter § 63 Abs. 4 Nds.GemO fallen, kann dahinstehen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Kündigungserklärung sei wegen des Fehlens des Dienstsiegels gemäß § 125 BGB formnichtig, im wesentlichen wie folgt begründet:
§ 80 Abs. 5 Satz 3 Nds.GemO verweise auf die Regelung in § 63 Abs. 2 Nds.GemO als Rechtsfolge. Bei der Anordnung der Beifügung des Dienstsiegels handele es sich um eine Formvorschrift. Insgesamt liege eine arbeitsrechtliche Formvorschrift vor. Die Wirksamkeit dieser landesrechtlichen Regelung werde durch die Vorschrift in Art. 55 EGBGB nicht berührt. Nach jener Vorschrift träten die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze außer Kraft, soweit im Bürgerlichen Gesetzbuch oder im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch nichts anderes bestimmt sei. Danach sei der Landesgesetzgeber zur Einführung von Formvorschriften neben denen des BGB im Bereich des Privatrechts nicht befugt. Indessen handele es sich bei der Regelung in § 80 Abs. 5 Satz 3 Nds.GemO überhaupt nicht um eine bürgerlich-rechtliche Norm, sondern um eine arbeitsrechtliche Norm. Das Arbeitsrecht werde aber nicht vom bürgerlich-rechtlichen Kodifikationsprinzip erfaßt, denn es habe sich als Ganzes - einschließlich seiner Privatrechtsnormen - im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem selbständigen und eigenständigen Rechtsgebiet entwickelt, das neben dem bürgerlichen Recht stehe (BVerfGE 7, 342). Die arbeitsrechtliche Formvorschrift des § 80 Abs. 5 Satz 3 in Verb. mit § 63 Abs. 2 Satz 2 Nds.GemO sei aber gerade unter Kompetenzgesichtspunkten wirksam. Die Gesetzgebungskompetenz des Landes zum Erlaß einer solchen arbeitsrechtlichen Bestimmung ergebe sich aus Art. 75 Nr. 1, 70 Abs. 1 GG. Nach Art. 75 Nr. 1 GG habe der Bund das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen Rahmenvorschriften zu erlassen über die Rechtsverhältnisse "der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden ... stehenden Personen". Hiervon habe der Bund bislang keinen Gebrauch gemacht, so daß die Länder das Recht der Gesetzgebung hätten. Von der ihm hiernach zustehenden Gesetzgebungskompetenz habe vielmehr der Landesgesetzgeber in Niedersachsen mit den angezogenen Regelungen Gebrauch gemacht. Bei ihnen handele es sich auch nicht um Formvorschriften öffentlich-rechtlicher Natur. Die angezogenen Vorschriften bezögen sich nicht auf die Legitimation eines Trägers hoheitlicher Gewalt in dieser Funktion, sondern auf ein Tätigwerden der Gemeinden in ihrer Funktion als Arbeitgeber gegenüber rechtlich gleichgeordneten Arbeitnehmern. Normadressat seien auch die Angestellten und Arbeiter der Gemeinde.
3. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, daß es sich bei der Bestimmung in § 80 Abs. 5 Satz 3 Nds.GemO um eine Rechtsfolgenverweisung auf die Bestimmungen des § 63 Abs. 2 (und 4) Nds.GemO handelt. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteile vom 6. August 1970 - 2 AZR 427/69 - AP Nr. 7 zu § 125 BGB mit auch insoweit zust. Anm. von H. P. Westermann; BAG Urteil vom 5. April 1978 - 4 AZR 567/76 -, nicht veröffentlicht).
4. Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht auch darin, daß die Wirksamkeit der Regelung in § 80 Abs. 5 Satz 3 Nds.GemO nicht von Art. 55 EGBGB berührt wird, weil sie als arbeitsrechtliche und nicht als privatrechtliche Norm i. S. des Art. 55 EGBGB zu qualifizieren ist. Es geht bei § 80 Abs. 5 Satz 3 Nds.GemO allein um die Anstellungsverträge und Rechtsverhältnisse von Angestellten und Arbeitern, d.h. um Regelungen über nicht öffentlich-rechtliche Willenserklärungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Dies ergibt sich bereits ohne jeden Zweifel aus dem Wortlaut der Bestimmung in § 80 Abs. 5 Satz 3 Nds.GemO. Hieraus folgt indessen, daß der Wirksamkeit dieser landesrechtlichen Regelung die Bestimmung in Art. 55 EGBGB in Verb. mit den Art. 3, 218 EGBGB nicht entgegensteht. Denn das Arbeitsrecht einschließlich seiner Privatrechtsnormen hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem selbständigen, eigenständigen Rechtsgebiet entwickelt, welches neben dem bürgerlichen Recht im Sinne des Art. 55 EGBGB steht (BVerfGE 7, 342, 347 f.; siehe auch: Soergel/Hartmann, BGB, 11. Aufl., Bd. 8 1983, Art. 55 EGBGB Rz 1; Staudinger/Merten/Kirchhof, BGB, 12. Aufl. 1985, Vorbem. zu Art. 55 bis 152 EGBGB Rz 20; Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl. 1988, Art. 55 EGBGB Anm. 1; anderer Auffassung: Bötticher, RdA 1958, 361; MünchKomm-Säcker, Art. 55 EGBGB Fn 3 ohne nähere Begründung und mit dem unzutreffenden Hinweis auf BAG AP Nr. 64 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
5. Dagegen kann dem Landesarbeitsgericht nicht darin gefolgt werden, daß die Kündigungserklärung in entsprechender Anwendung von § 125 Satz 1 BGB formunwirksam sei, weil das Kündigungsschreiben entgegen den Vorschriften von § 80 Abs. 5 Satz 3 in Verb. mit § 63 Abs. 2 Satz 2 Nds.GemO nicht mit dem Dienstsiegel der Beklagten versehen ist. Denn bei einseitigen Erklärungen einer niedersächsischen Gemeinde zur Regelung der Rechtsverhältnisse ihrer Angestellten und Arbeiter stellt das Dienstsiegel kein die Wirksamkeit berührendes Formerfordernis der Erklärung selbst dar, sondern es hat insoweit nur die Bedeutung eines Legitimationszeichens ähnlich einer Vollmachtsurkunde im Sinne des § 174 Satz 1 BGB.
a) Die Anbringung des Dienstsiegels ist nach § 80 Abs. 5 Satz 3 in Verb. mit § 63 Abs. 2 Nds.GemO bei einer arbeitsvertraglichen Kündigung der Gemeinde nur vorgeschrieben, wenn die Kündigung schriftlich erfolgt. Das Schriftformerfordernis seinerseits ist in jenen Bestimmungen nicht angeordnet worden. Vielmehr ordnet hier allein § 57 Satz 1 BAT, dessen Bestimmungen unter den Parteien kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung gelten, die Schriftform für die Kündigungserklärung an (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 27. März 1981 - 7 AZR 349/79 -). Weil aber die Regelungen in § 80 Abs. 5 Satz 3 in Verb. mit § 63 Abs. 2 Nds.GemO über die Abgabe einer Kündigungserklärung oder sonstigen einseitigen Erklärung zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Angestellten und Arbeiter der Gemeinden eine bestimmte Form gerade nicht vorschreiben, können die Anordnungen über die Beifügung des Dienstsiegels auch nicht als Formvorschrift für die Erklärung selbst verstanden werden.
Ebenso stellt es keine Anordnung einer besonderen Erklärungsform für die Kündigung selbst dar, daß in § 80 Abs. 5 Satz 3 in Verb. mit § 63 Abs. 2 Satz 1 Nds.GemO derartige Erklärungen - vom Ausnahmetatbestand des § 63 Abs. 4 Nds.GemO abgesehen - notwendig gemeinsam vom Gemeindedirektor (Stadtdirektor) und vom Ratsvorsitzenden (Bürgermeister) abzugeben sind. Vielmehr kommt dadurch lediglich zum Ausdruck, daß in solchen Fällen außerhalb der Geschäfte der laufenden Verwaltung die Gemeinde nur gemeinsam von beiden Organen (Gemeindedirektor und Ratsvorsitzendem) vertreten werden kann. Das aber stellt ebenfalls kein Formerfordernis dar, sondern lediglich eine Frage des Umfangs der Vertretungsmacht.
Wenn schließlich in § 80 Abs. 5 Satz 3 in Verb. mit § 63 Abs. 2 Satz 2 Nds.GemO angeordnet ist, daß bei schriftlichen Erklärungen Gemeindedirektor und Ratsvorsitzender gemeinsam zu unterzeichnen haben und ein Dienstsiegel beizudrücken ist, so wird deutlich, daß jene Bestimmungen hinsichtlich der gemeinsamen Unterzeichnung kein Schriftformerfordernis für die Wirksamkeit der Erklärung selbst aufstellen, sondern die Frage der Vertretungsmacht regeln, und daß die Beifügung des Dienstsiegels ebenso keine Formvorschrift für die Erklärung selbst darstellt, sondern lediglich ein Legitimationszeichen.
b) Dem steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofes nicht entgegen.
Der Bundesgerichtshof hat im Falle einer Verpflichtungserklärung einen Mangel der Vertretungsmacht darin erkannt, daß die Amtsbezeichnungen und das Dienstsiegel nicht beigefügt waren (Urteil vom 16. November 1978 - III ZR 81/77 - NJW 1980, 117, 118 m.w.N.). Dabei hat er zwar die Beifügung der Amtsbezeichnungen wie auch die Beifügung des Dienstsiegels als Fragen der Vertretungsregelung angesehen. Jener Entscheidung lag die frühere Bestimmung des § 56 Abs. 1 der - inzwischen durch andere gesetzliche Regelungen abgelösten - früheren Rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung Gem ORP, GVBl RP 1964, 145 ff., 154) zugrunde. Hiernach war angeordnet, daß Erklärungen, durch die Gemeinden verpflichtet werden sollten, der Schriftform bedürften, ferner, daß sie nur rechtsverbindlich sind, wenn sie vom Bürgermeister oder seinem allgemeinen Vertreter unter Beifügung der Amtsbezeichnung und des Dienstsiegels handschriftlich unterzeichnet sind, schließlich, daß bei gerichtlicher oder notarieller Beurkundung Amtsbezeichnung und Dienstsiegel nicht beigefügt zu werden brauchen. Der Bundesgerichtshof hat in jener und in den dort in Bezug genommenen Entscheidungen indessen ungeklärt gelassen, ob das Dienstsiegel für sich allein oder nur zusammen mit der Amtsbezeichnung Ausgestaltung der inhaltlichen Erteilung der Vertretungsbefugnis ist, also zum Inhalt der Bevollmächtigung zählt, oder ob das Dienstsiegel nur ein äußeres Legitimationszeichen dafür darstellt, daß die unter ihrer Amtsbezeichnung handelnde natürliche Person tatsächlich derartige Vollmacht hat. Diese - vertiefende - Rechtsfrage ist in jener Entscheidung nicht geklärt worden.
Das Bundesarbeitsgericht hat in zwei Kündigungsstreitigkeiten entschieden, daß die angeführten Regelungen der Niedersächsischen Gemeindeordnung sich insgesamt als Vertretungsregelungen erweisen (Urteile vom 6. August 1970 - 2 AZR 427/69 - AP Nr. 7 zu § 125 BGB und vom 5. April 1978 - 4 AZR 567/76 -, n.v.). Dabei war es allerdings vom Sachverhalt her in beiden Fällen nicht erforderlich, zwischen der Vertretungsregelung in § 63 Abs. 2 Satz 1 und der dort in Satz 2 enthaltenen Bestimmung zu differenzieren. Denn in beiden Fällen ergab sich die Unwirksamkeit der dort in Rede stehenden Kündigungserklärungen daraus, daß jene Erklärungen nicht vom Gemeindedirektor und zudem vom Bürgermeister unterzeichnet worden waren, sondern jeweils nur einer von beiden die Unterschrift geleistet hatte.
Andererseits hat der Senat in einer Entscheidung zu § 54 Abs. 3 Satz 2 GO NW ausdrücklich offengelassen, ob jene Bestimmung, nach der Arbeitsverträge und sonstige Erklärungen zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Angestellten und Arbeitern neben der Unterschrift des Gemeindedirektors oder seines Stellvertreters auch noch der Unterzeichnung durch einen weiteren vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten bedürfen, lediglich eine Einschränkung der Vertretungsbefugnis des Gemeindedirektors darstellt oder auch eine Formvorschrift; auch in jenem Fall führte das Fehlen der vorgeschriebenen zweiten Unterschrift zur Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigungserklärungen (Urteil vom 26. März 1986 - 7 AZR 585/84 - BAGE 51, 314, 317). Dabei ging es nicht um die Frage der Beifügung eines Dienstsiegels.
6. Stellt somit die Beifügung des Dienstsiegels bei schriftlich erfolgten Kündigungserklärungen der Gemeinde im Sinne von § 80 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 2 Nds.GemO lediglich ein äußeres Legitimationszeichen dar, so ist es gerechtfertigt, die Vorschrift des § 174 Satz 1 BGB entsprechend anzuwenden.
Dem steht die in der Literatur durchgängig zu findende Rechtsansicht, wonach die Regelung des § 174 BGB auf gesetzliche Vertreter "nicht anwendbar" sei (so statt vieler: Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl., § 174 Anm. 1 a unter Hinweis auf RGZ 74, 265), nicht entgegen. Die dort in Bezug genommene Entscheidung des Reichsgerichts besagt dies mit einer derartigen Eindeutigkeit nicht. Vielmehr hat das Reichsgericht lediglich die Frage geprüft, ob § 174 BGB den Grundsatz ausdrückt, daß der Empfänger die einseitige Willenserklärung stets anfechten könne, wenn er nicht über die Legitimation des Erklärenden unterrichtet sei. Es hat ausgeführt, daß dann, wenn es sich um bestallte gesetzliche Vertreter handelt, bereits kein Zurückweisungsrecht bestehe, weil die Bestallungsurkunde eines Vormundes oder Pflegers nur die Bedeutung eines gerichtlichen Zeugnisses habe, wonach die darin bezeichnete Person nach Maßgabe des Inhalts der Bestallung zum Vormund oder Pfleger bestellt worden sei, nicht aber den Charakter eines Legitimationspapieres in dem Sinne, daß der gutgläubige Dritte, der sich aufgrund der ihm vorgelegten Bestallung mit dem Vormund auf Rechtsgeschäfte einlasse, gegen inzwischen eingetretene, aus der Bestallung sich nicht ergebende Änderungen der Vertretungsmacht des in der Bestallung bezeichneten Vormundes geschützt werde. Sie habe also nicht den Charakter einer Vollmacht.
Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn bei den Regelungen in § 80 Abs. 5 Satz 3, § 63 Abs. 2 Nds.GemO geht es nicht um eine (einmalige) Bestallungsurkunde ohne entsprechenden Vertrauensschutz hinsichtlich späterer Änderungen, sondern um die jeweils aktuelle Dokumentation der noch bestehenden gesetzlichen Vertretungsmacht für das einzelne Rechtsgeschäft.
7. Unterbleibt indessen nur die Dokumentation der Vertretungsmacht durch Beifügen des Dienstsiegels bei einseitigen schriftlichen Erklärungen im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 3, § 63 Abs. 2 Nds.GemO, so kann der Erklärungsempfänger eine solche schriftliche Erklärung nach § 174 Satz 1 BGB in entsprechender Anwendung zurückweisen. Denn das Dienstsiegel steht dann als Legitimationszeichen einer Vollmachtsurkunde im Sinne des § 174 Satz 1 BGB gleich.
Unwirksam ist ein derartiges einseitiges Rechtsgeschäft indessen nur, wenn der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Daran fehlt es hier. Die Kündigungserklärung selbst, die bis auf das Dienstsiegel allen Anforderungen hinsichtlich der Schriftform und der Vertretungsmacht genügt, ist dem Kläger am 10. September 1982 zugegangen. Er hat sich gegenüber der Beklagten auf das Fehlen des Dienstsiegels frühestens am 16. Dezember 1985 berufen, als er jenes nicht gesiegelte Kündigungsschreiben in den Prozeß eingeführt hat. Das aber ist nicht mehr unverzüglich (vgl. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).
IV. Da die Kündigung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht schon deshalb unwirksam ist, weil der schriftlichen Kündigungserklärung das Dienstsiegel nicht beigefügt war, war das Berufungsurteil aufzuheben. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr zu klären haben, ob sich die Kündigung aus anderen Gründen (u.a. ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats, Kündigungsgründe) als wirksam oder unwirksam erweist. Diesen Fragen ist es - von seiner Rechtsauffassung zu Recht - bisher nicht nachgegangen, so daß der Senat nicht in der Lage ist, abschließend darüber zu entscheiden, ob die Kündigung wirksam oder unwirksam ist. Da noch nicht abzusehen ist, zu welchen Tatsachenfeststellungen das Landesarbeitsgericht in dem erneuten Berufungsverfahren gelangen wird, sieht der Senat von weiteren rechtlichen Hinweisen ab.
Dr. Becker Dr. Steckhan Schliemann
Neumann Breier
Fundstellen
Haufe-Index 441115 |
BAGE 59, 93-104 (LT1-3) |
BAGE, 93 |
DB 1988, 1806-1806 (L1-3) |
NJW 1989, 549 |
NJW 1989, 549 (L1-3) |
NVwZ 1988, 1165-1167 (LT1-3) |
JR 1989, 176 |
JR 1989, 176 (L1-3) |
RdA 1988, 320 |
RzK, I 2b Nr 7 (LT1-3) |
ZTR 1988, 432-433 (LT1-3) |
AP § 174 BGB (LT1-3), Nr 6 |
AR-Blattei, Öffentlicher Dienst Entsch 347 (LT1-3) |
ArztR 1989, 231 (L1-3) |
EzA § 174 BGB, Nr 5 (LT1-3) |
EzBAT § 54 Vertretungsmacht, Nr 4 (LT1-3) |
MDR 1988, 1083 (LT1-3) |
PersR 1989, 167-169 (LT1-3) |