Problemdarstellung
Mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) vom 4.4.2017, BGBl. I S. 778, wird eine Änderung bei der für den Zugang zur Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) maßgebenden Vorversicherungszeit vorgenommen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 3 – neu – SGB V wird auf die nach Absatz 1 Nr. 11 erforderliche Mitgliedszeit für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I) eine Zeit von drei Jahren angerechnet. Die Änderung tritt am 1.8.2017 in Kraft.
Die Neuregelung ist nach der Gesetzesbegründung auf Fälle zurückzuführen, bei denen von Rentenantragstellern die Vorversicherungszeit in der KVdR nicht erfüllt wird, weil sie in der Zeit der Betreuung von Kindern nicht gesetzlich krankenversichert waren. Insbesondere stehen dabei die Fälle im Fokus, bei denen der Ehe- oder Lebenspartner des betreuenden Elternteils privat krankenversichert war, somit über ihn keine beitragsfreie Familienversicherung möglich war, und für den betreuenden Elternteil auch nicht eine Pflichtmitgliedschaft bestand, die nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V beitragsfrei hätte fortbestehen können.
Da eine Übergangs- bzw. Stichtagsregelung nicht vorgesehen ist, gilt die Änderung auch für Bestandsfälle, in denen der Rentenantrag vor dem 1.8.2017 gestellt wurde bzw. wird und die Vorversicherungszeit nach dem bisherigen Recht nicht erfüllt war bzw. ist. Wird in diesen Fällen die Vorversicherungszeit durch die Anrechnung der drei Jahre Mitgliedszeit für jedes Kind erfüllt, tritt grundsätzlich Versicherungspflicht in der KVdR bzw. eine Pflichtversicherung als Rentenantragsteller am 1.8.2017 ein.
Der GKV-Spitzenverband informierte mit Rundschreiben 2017/185 vom 10.4.2017 über die wesentlichen Inhalte der neuen Regelung (vgl. Ziffer 2 des Rundschreibens).
Im Hinblick auf ggf. weitere rechtlich geprägte Fragen zu der neuen Regelung und Fragen zur praktischen Umsetzung bei den Krankenkassen und den Rentenversicherungsträgern wird eine Abstimmung zwischen den beteiligten Trägerbereichen für erforderlich gehalten.
Besprechungsergebnis
Die Besprechungsteilnehmer stimmen sich zu den nachfolgend aufgeführten Punkten wie folgt ab:
Pauschalität der Anrechnung von drei Jahren für jedes Kind
Für eine Anrechnung von drei Jahren für jedes Kind kommt es nicht darauf an, wo bzw. in welchem Staat (Inland, Ausland, Vertragsstaaten, Nichtvertragsstaaten) das jeweilige Kind geboren und aufgewachsen ist.
Da es sich bei den anrechenbaren drei Jahren je Kind nicht um dessen ersten drei Lebensjahre handelt, stellt sich die Frage, ob bei mehreren Kindern die vollen drei Jahre für jedes Kind auch dann angerechnet werden können, wenn sich die ersten drei Lebensjahre der Kinder überschneiden, nicht. In diesem Fall sind ebenfalls pauschal drei Jahre für jedes Kind anrechenbar. Entsprechendes gilt für den Erwerb bzw. den Beginn der Rechtsstellung eines Adoptiv, Stief- oder Pflegekindes.
Voraussetzung für die Anrechnung von drei Jahren je Kind ist jedoch, dass das Kind spätestens an dem letzten Tag der Rahmenfrist nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V (Tag der Rentenantragstellung) geboren wurde bzw. spätestens an diesem Tag die Rechtsstellung eines Adoptiv, Stief- oder Pflegekindes erlangt hat. Dann sind in jedem Fall pauschal drei Jahre je Kind anzurechnen.
Zusammenrechnung der drei Jahre für jedes Kind mit anderen auf die Vorversicherungszeit anrechenbaren Mitglieds- und Versicherungszeiten
Die drei Jahre für jedes Kind stellen im Vergleich mit anderen anrechenbaren Mitglieds- und Versicherungszeiten eine gleichwertige anrechenbare Zeit dar. Eine Rangfolge von anrechenbaren Zeiten gibt es nicht. Daraus folgt, dass auch keine Reihenfolge bei der Anrechnung von Zeiten auf die erforderliche Vorversicherungszeit im Verwaltungsverfahren einzuhalten ist. Somit bleibt es der zuständigen Krankenkasse überlassen, ob sie im Rahmen der Prüfung der Vorversicherungszeit zuerst die "echten" Mitglieds- und Versicherungszeiten zusammenrechnet und dann, falls erforderlich, für jedes zu berücksichtigende Kind drei Jahre addiert oder in umgekehrter Reihenfolge vorgeht.
Berücksichtigung der drei Jahre für jedes Kind bei Rentenanträgen ab dem 1.8.2017 von Amts wegen
Die zuständige Krankenkasse hat im Rahmen der Prüfung der Vorversicherungszeit von Amts wegen zu prüfen, ob für Kinder jeweils drei Jahre angerechnet werden können. Eines entsprechenden Antrages der betroffenen Person bedarf es nicht.
Auswirkungen auf Bestandsfälle (Rentenanträge vor dem 1.8.2017)
4.1 |
Allgemeines In den Fällen, bei denen der Rentenantrag vor dem Tag des Inkrafttretens der neuen Regelung, also vor dem 1.8.2017, gestellt wurde oder wird (Bestandsfälle), war oder ist die Vorversicherungszeit zunächst noch nach der bisherigen Rechtslage zu prüfen. Ist die Vorversicherungszeit danach nicht gegeben, wird sie aber durch die Anrechnung der drei Jahre für jedes Kind erfüllt wird, tritt Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V am 1.8.2017... |