hier: Nicht fristgerecht erfolgte gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes als hinreichender Grund i.S.d. § 13 Abs. 3a SGB V
Sachstand:
Gemäß § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden. Kann die Krankenkasse Fristen nach § 13 Abs. 3a Satz 1 oder Satz 4 SGB V nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (vgl. § 13 Abs. 3a Satz 1 und 2 sowie Satz 4 erster Satzteil und Satz 5 erster Satzteil bis Satz 7 SGB V).
Mit dem "Gemeinsamen Rundschreiben zur leistungsrechtlichen Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V" vom 26.9.2018 haben der GKV-Spitzenverband und die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene umfangreiche Hinweise zur Umsetzung gegeben. Dabei wurden nicht nur bisher relevante Rechtsprechungen des BSG berücksichtigt, sondern auch wesentliche Aussagen insbesondere zum Anwendungsbereich der von der Genehmigungsfiktion erfassten Leistungen, zu den Antragsbearbeitungsfristen, den Folgen der Genehmigungsfiktion, der Rücknahme von Verwaltungsakten bei Eintritt der Genehmigungsfiktion und zu den Voraussetzungen für die Kostenerstattung getroffen.
Vor dem Hintergrund, dass das Gesetz den Begriff des "hinreichenden Grundes" nicht näher definiert, wird in dem Gemeinsamen Rundschreiben dazu ausgeführt, dass ein hinreichender Grund immer dann vorliegt, wenn es aus objektiver Sicht der Krankenkasse nicht möglich ist, eine abschließende Entscheidung über den Leistungsantrag zu treffen. Dazu würden typischerweise solche Gründe zählen, die sich außerhalb des Verantwortungsbereichs der Krankenkasse bewegen. Solange dieser Zustand andauert, verhindert das Vorliegen eines hinreichenden Grundes die Entscheidungsfindung der Krankenkasse. Zu den hinreichenden Gründen gehören danach insbesondere
- fehlende oder ergänzungsbedürftige Angaben von Tatsachen durch Leistungsberechtigte oder Dritte,
- die fehlende oder mangelhafte Mitwirkung der Leistungsberechtigten bei erforderlicher körperlicher Befunderhebung durch den Gutachter,
- Verzögerungen, die bei notwendiger Mitwirkung der Leistungsberechtigten von ihnen zu verantworten sind oder auch
- die fehlende Zustimmung der Leistungsberechtigten zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte auf Verlangen der Krankenkasse.
Zudem wird ausgeführt, dass im Fall der Beauftragung des Medizinischen Dienstes (MD) zur Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme jedenfalls dann ein hinreichender Grund vorliegt, wenn dieser auf Grund fehlender oder mangelhafter Mitwirkung der Leistungsberechtigten oder von Dritten die gutachtliche Stellungnahme nicht so rechtzeitig erstellen kann, dass die Krankenkasse noch innerhalb der Frist von fünf bzw. sechs Wochen eine Leistungsentscheidung treffen und den Leistungsberechtigten zugehen lassen kann. Gründe, die in den Verantwortungsbereich des MD bzw. der Gutachterin oder des Gutachters fallen, werden nach den Ausführungen im Gemeinsamen Rundschreiben als nicht hinreichend angesehen, sodass sowohl Krankenkassen als auch der jeweilige MD bzw. die Gutachterin oder der Gutachter alle in ihren jeweiligen Verantwortungsbereich fallenden Maßnahmen ergreifen müssen, damit eine Leistungsentscheidung zügig, spätestens jedoch innerhalb der Frist von drei, fünf bzw. sechs Wochen erfolgen kann.
Dies führt in der Praxis der Krankenkassen in einschlägigen Fällen zu der Situation, dass Krankenkassen ohne das rechtzeitige Vorliegen einer gutachterlichen Stellungnahme des MD eine Leistungsentscheidung treffen müssen, um den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu vermeiden. Dies kollidiert mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X, wonach Leistungsentscheidungen erst nach vollständiger Sachverhaltsaufklärung erfolgen können. Zudem muss diese Entscheidung dann u.U. im Nachhinein wieder revidiert werden, weil die beantragte Leistung aufgrund der dann später vorliegenden Stellungnahme des MD anders zu bewerten ist.
Im Rahmen der Fachkonferenz Leistungs- und Beziehungsrecht war darüber zu beraten, ob und ggf. in welchen Fallkonstellationen vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen praktis...