Leitsatz (amtlich)
Bei Pferden eines Vollblutgestüts gehören die Kosten der Rennausbildung zu den Herstellungskosten. Das gilt auch dann, wenn die Pferde nach dem Renneinsatz in der Zucht des Gestüts (als Zuchtstuten) verwendet werden sollen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 13
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Aufzucht von drei Vollblut-Stuten eines Gestüts die Kosten der Rennausbildung gemäß § 6 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als "Herstellungskosten" zu aktivieren sind.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) befaßt sich in ihrem Gestüt mit der Aufzucht von Vollblutpferden. Die im Gestüt gezüchteten Stuten setzt sie im Falle ihrer Eignung im eigenen Betrieb für die Vollblutzucht ein. Um die Eignung dieser Pferde als Zuchttiere feststellen zu können, werden sie bei Rennen eingesetzt, da sie nur in wenigen Fällen allein aufgrund ihrer Abstammung ohne jeden Renneinsatz verwendet werden können.
Bei der für die Feststellungszeiträume 1967 bis 1970 durchgeführten Betriebsprüfung setzte der Prüfer für die drei Stuten A, B und C die Kosten der Rennausbildung vom Trainingsbeginn bis zum ersten Renneinsatz als weitere "Herstellungskosten" an. Für die 1966 geborene Stute A begann am 16. Dezember 1967 das Training für den Renneinsatz. Anfang 1971 bekam sie ein Fohlen. Weitere Deckversuche nach diesem Zeitpunkt blieben erfolglos. Für die 1968 geborene Stute B begann das Training für den Renneinsatz am 22. Februar 1970; ihr erster Renneinsatz erfolgte am 5. Juli 1970. Für die ebenfalls 1968 geborene Stute C begann das Training am 17. August 1970. Für Rennen wurde sie erstmals am 4. April 1971 eingesetzt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für die Feststellungszeiträume 1967 bis 1969 und einen erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheid für 1970.
Mit der Klage beantragte die Klägerin,
1. die bei der Stute A für die Zeit nach dem 16. Dezember 1967, bei der Stute B für die Zeit nach dem 22. Februar 1970 und bei der Stute C für die Zeit nach dem 17. August 1970 angesetzten weiteren Herstellungskosten zu streichen,
hilfsweise, nur die bis zum ersten möglichen Renneinsatz anfallenden Fütterungskosten (Haltungskosten) zu aktivieren;
2. Im Wege einer Bilanzänderung eine Teilwertabschreibung für die Stute A zum 30. Juni 1968 in Höhe von 40 % des Buchwertes von 24 000 DM zuzulassen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, das FA habe für die drei Stuten zu Recht neben den reinen Haltungskosten auch die Trainingskosten bis zum ersten Renneinsatz als weitere Herstellungskosten i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesetzt. Es führte zur Begründung aus, nach allgemeiner Auffassung fielen unter den Begriff der Herstellungskosten alle Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten gemacht würden, bis ein Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß ge- oder benutzt werden könne. Die drei Stuten seien unstreitig als Zuchttiere verwendet worden. Daß die Klägerin in ihrem Gestüt auch andere Zwecke verfolge, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Nicht entscheidungserheblich sei auch, daß bei Stuten nicht von vornherein erkennbar sei, ob sie für die Zucht geeignet seien. Die Klägerin habe die drei Stuten jedenfalls in der Absicht aufgezogen bzw. gekauft, sie bei späterer Eignung als Zuchtstuten zu verwenden. Um die Eignung für die Zucht aber überhaupt feststellen zu können, sei ein Renneinsatz erforderlich gewesen, weil die Stuten allein aufgrund ihrer Abstammung für die Zucht nicht verwendbar gewesen seien. Ohne diesen Renneinsatz wäre das Wirtschaftsgut "Zuchtstute" noch nicht hergestellt gewesen, weil noch nicht festgestanden habe, ob es jemals bestimmungsgemäß genutzt werden konnte. Die bei der Vorbereitung auf den Renneinsatz zwangsläufig angefallenen Trainingskosten seien vom FA daher folgerichtig als Herstellungskosten angesehen worden.
Auch die von der Klägerin für die Stute A begehrte Teilwertabschreibung zum 30. Juni 1968 sei unbegründet. Die Stute sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht hergestellt gewesen. Ab Dezember 1967 habe sie sich in Rennausbildung befunden und habe im Mai 1969 ihr erstes Rennen gelaufen. Daß die Stute keine besonderen Rennleistungen erbracht habe und weitere Deckungsversuche nach der Geburt eines Fohlens Anfang 1971 erfolglos geblieben seien, sei ohne Bedeutung, denn diese Umstände rechtfertigten jedenfalls keine Teilwertabschreibung zum 30. Juni 1968.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts, insbesondere mangelnde Sachaufklärung und Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt vor, das FG vermische mangels hinreichender Sachaufklärung Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand. Es dehne vor allem den Begriff der Herstellungskosten in unzulässiger Weise aus, wenn es darunter alle Aufwendungen verstehe, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten gemacht würden, bis ein Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß ge- oder benutzt werden könne. Das FG hätte auf die Übung und die Verkehrssitte bei Gestüten Rücksicht nehmen müssen. Hierzu hätte es den Sachverhalt weiter aufklären müssen.
Die Aufgabe bzw. das Zuchtziel eines Vollblutgestüts sei nicht die Produktion von Zuchtpferden (Mutterstuten und Deckhengsten), sondern die Produktion von Rennpferden, die überwiegend als Jährlinge verkauft würden. Bei der Einstellung von Stuten in einen Rennstall könne niemand sagen, ob sie als Zuchtstuten in das Gestüt zurückkehren würden. Je besser die Rennleistungen seien, um so höher lägen die Chancen, als Mutterstute Verwendung zu finden. Zu den Herstellungskosten eines Rennpferdes gehörten alle Aufzuchtkosten einschließlich des Deckgeldes bis zum Verkauf des Jährlings bzw. bis zur Abgabe an den Rennstall.
Das FA sei nur deshalb zu seinem unrealistischen Ergebnis gekommen, weil es die Herstellungskosten der drei Stuten rückschauend beurteilt habe. Dies sei unzulässig, weil dadurch die Grundsätze einer ordentlichen betriebswirtschaftlichen Kalkulation mißachtet würden.
Die Klägerin legte in der Revision erstmals gutachtliche Stellungnahmen von 10 Professoren tiermedizinischer Fakultäten vor.
Die Klägerin beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und wiederholt ihren Klageantrag.
Das FA beantragt kostenpflichtige Zurückweisung der Revision. Es führt u. a. aus, die Klägerin übersehe, daß das Steuerrecht für Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes Pferd im einschlägigen § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG keine eigene Begriffsbestimmung kenne und daß demnach die aktivierungspflichtigen Herstellungskosten für Vollblutpferde im Grundsatz nach denselben, durch Gesetz normierten und von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu bemessen seien wie für andere abnutzbare Wirtschaftsgüter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat den steuerlichen Begriff der Herstellungskosten bei den drei Vollblutstuten im Ergebnis nicht verkannt. Nach allgemein anerkannter Definition sind Herstellungskosten i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG alle Aufwendungen, die zur Herstellung eines Wirtschaftsgutes erforderlich sind, bei Tieren, die einzeln bewertet werden, sind das alle Kosten der Aufzucht. Da bei Pferden eines Vollblutgestüts wegen ihres hohen Wertes nur eine Einzelbewertung in Betracht kommt, gehören zu ihren Herstellungskosten alle tatsächlich angefallenen Aufzuchtkosten. Davon geht auch die Klägerin aus.
Streit besteht jedoch darüber, zu welchem Zeitpunkt die "Herstellung des Wirtschaftsgutes Vollblutstute" als
beendet anzusehen ist bzw. das Pferd "fertiggestellt" ist und damit zusammenhängend, welche Aufwendungen zu den aktivierungspflichtigen Aufzuchtkosten gehören.
Ein Pferd ist wie jedes andere Tier dann "fertiggestellt", wenn es für den vorgesehenen Zweck genutzt oder verwendet werden kann. Das ist nach Krill/Kräusel (Die Einkommensteuer der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., S. 31) bei Zuchthengsten der Beginn der ersten Deckperiode, bei Zuchtstuten der Zeitpunkt des ersten Abfohlens und bei Rennpferden der Zeitpunkt des ersten Renneinsatzes. Der von Krill/Kräusel, a. a. O. , für Zuchtstuten genannte Zeitpunkt der "Fertigstellung" wird sowohl vom Bundesminister der Finanzen (BdF) im Schreiben vom 30. April 1975 zum Investitionszulagengesetz 1975 (Finanz-Rundschau 1975 S. 249) vertreten als auch von der Fachliteratur (vgl. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Abschn. B, Rdnr. 232). Dagegen läßt sich einwenden, daß bei Pferden die Verwendung für die Zucht als Zuchtstute oder Deckhengst während der Aufzucht im Gestüt noch nicht feststeht, sondern erst später aufgrund ihrer Leistungen bei der für die Art oder Rasse typischen Verwendung festgestellt werden kann. Dieser Einwand ist hier jedoch nicht entscheidungserheblich. Denn das FA hat im Streitfall nur die Kosten für das Training der drei Stuten vor ihrem ersten Renneinsatz als Herstellungskosten aktiviert. Diesen Ansatz hält der Senat aus folgenden Gründen für zutreffend:
Wie die Klägerin selbst ausführt, wird ein Vollblutgestüt primär zur Aufzucht von Rennpferden betrieben. Der Einsatz als Rennpferd stellt daher den im Vordergrund stehenden Verwendungszweck der in einem Vollblutgestüt gezüchteten Pferde dar. Damit ist allen Pferden eines Vollblutgestüts bei normaler Entwicklung - unabhängig von ihrer späteren Verwendung - gemeinsam, daß sie eine Rennausbildung erhalten müssen, um bei Rennen eingesetzt werden zu können. Mit dem Abschluß des Trainings für den Renneinsatz sind sie für ihren primären Zweck verwendungsfähig.
Aufgrund ihrer Leistungen bei Rennen kann über die weitere Verwendung der Pferde entschieden werden. Daher hat der Renneinsatz vor allem auch die Prüfung der Vollblutpferde auf ihre Eignung zur Zucht zur Aufgabe. Denn auch die Eignung einer Vollblutstute als Zuchtstute hängt von ihren Rennleistungen ab. Daher kann im Regelfall nur aufgrund der erbrachten Rennleistungen entschieden werden, ob eine Stute als Zuchtatute für die Zucht von Rennpferden in das Gestüt zurückkehrt.
Der Zeitpunkt der "Fertigstellung" eines Vollblutpferdes, das bei Rennen eingesetzt wird, kann daher ganz allgemein, unabhängig von seinem Geschlecht und seiner späteren Verwendung, nicht vor dem Abschluß des Trainings vor dem ersten Renneinsatz liegen. Erst nach Abschluß dieser Trainingsphase ist ein Vollblutpferd für eine primäre Verwendung als Renn Pferd "hergestellt"; erst nach diesem Zeitpunkt kann über seine Eignung und weitere Verwendung für Rennen, für die Zucht oder auch für einen anderen Einsatz entschieden werden. Reitpferde, die mehr der Freizeitgestaltung dienen, mögen ohne das ca. 6 Monate dauernde Training verwendungsfähig sein. Für Rennpferde trifft das jedenfalls nicht zu.
Da zu den "Herstellungskosten" eines Pferdes alle Kosten der Aufzucht gehören, die erforderlich sind, das Tier für seinen bestimmungsgemäßen Zweck verwenden zu können, gehören zu den "Herstellungskosten" einer Stute eines Vollblutgestüts, wie grundsätzlich bei allen Vollblutpferden, unabhängig von ihrer endgültigen Verwendung neben den Futterkosten, Arbeitslöhnen, Pflegekosten etc. vor allem auch die tatsächlichen Kosten der Rennausbildung, d. h. also die Kosten für das Training, das dem ersten Renneinsatz vorausgeht.
Das gilt auch für die drei fraglichen Vollblutstuten, selbst wenn sie nach dem Vortrag der Klägerin im Klageverfahren schon vor dem Renneinsatz für die Zucht vorgesehen waren. Denn auch für sie war die Rennausbildung unabdingbare Voraussetzung für ihre Leistungsprüfung und damit für ihre spätere Verwendung in der Zucht des Gestüts. Ohne die Rennausbildung können daher die drei fraglichen Stuten nicht als "hergestellt" angesehen werden. Die Kosten hierfür, um die allein es im Streitfall geht, gehören daher zu ihren Herstellungskosten.
Danach ergibt sich die Zurechnung der Kosten für das Training, das dem ersten Renneinsatz vorausgeht, zu den "Herstellungskosten" von Vollblutpferden im allgemeinen und der drei Stuten im besonderen aus ihrem Verwendungszweck und aus dem steuerlichen Begriff der Herstellungskosten. Der Senat vermag daher keinen Mangel der Vorentscheidung darin zu erblicken, daß das FG in dieser Frage zur Ermittlung der Verkehrsüblichkeit keinen Sachverständigen gehört hat. Die Vorlage der gutachtlichen Stellungnahmen von 10 Professoren tiermedizinischer Fakultäten im Revisionsverfahren ist verspätet (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen nur diejenigen Tatsachen und Beweismittel, die sich aus dem Urteil der Tatsacheninstanz, hier also aus der finanzgerichtlichen Entscheidung, ergeben. Der Senat kann daher zugunsten der Klägerin weder die Begründungen der Gutachten berücksichtigen, die die Auffassung der Klägerin in etwa stützen noch die Gründe der Gutachten für seine Entscheidung verwerten, die zu demselben oder doch einem ähnlichen Ergebnis gelangen wie der Senat selbst (vgl. hierzu Beschluß des Bundesfinarzhofs - BFH - vom 17. Juli 1967 GrS 3/66 in BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285).
Die rechtliche Beurteilung des Senats, nach der die Kosten der Rennausbildung der drei Stuten in erster Linie nicht deshalb zu den Herstellungskosten gehören, weil es sich um Stuten handelt, die nach dem Renneinsatz der Zucht verwendet wurden, sondern vor allem deshalb, weil es sich um Vollblutpferde handelt, die primär für Rennen gezüchtet werden, macht auch den Einwand der unzulässigen retrospektiven Betrachtungsweise gegenstandslos. Im übrigen hat das FA gerade wegen der noch bestehenden Ungewißheit über die weitere Verwendung der nach dem Vortrag der Klägerin für die Zucht vorgesehenen Tiere nur die Kosten bis zum ersten Renneinsatz als Herstellungskosten behandelt und nicht die Kosten bis zum ersten Abfohlen.
Daraus ergibt sich auch, daß die Rügen bezüglich des vom FA zugrunde gelegten und vom FG übernommenen Sachverhaltes schon deshalb nicht durchgreifen können, weil FA und FG von dem Sachverhalt ausgegangen sind, den auch die Klägerin vorgetragen hat.
Was schließlich die begehrte Teilwertabschreibung der Stute A zum 30. Juni 1968 betrifft, so hat das FG zutreffend darauf hingewiesen, daß zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung nicht vorgelegen haben. Denn es steht fest, daß die Stute nach dem Renneinsatz in das Gestüt zurückgekehrt ist und zunächst als Zuchtstute verwendet wurde. Ihre Eignung als Zuchtstute wurde damit zumindest zunächst bejaht. Wenn nach der Geburt des ersten Fohlens im Jahre 1971 weitere Deckungsversuche ohne Erfolg blieben, so konnte dies nur eine Teilwertabschreibung in der Zeit nach dem ersten Abfohlen rechtfertigen.
Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 413690 |
BStBl II 1981, 672 |