Leitsatz (amtlich)
1. Tritt aufgrund eines Organisationsaktes während des Revisionsverfahrens eine Änderung in der Zuständigkeit des beklagten FA ein, so wird das nunmehr zuständige FA Beteiligter am Verfahren.
2. Ein Abrechnungsbescheid muß die Bezeichnung der Forderungen des FA nach Steuerart, Jahren und Beträgen aufgegliedert enthalten (Bestätigung des BFH-Urteils vom 8. Juni 1966 VII 293/64, BFHE 86, 409, BStBl III 1966, 563).
Normenkette
FGO §§ 57, 63, 122 Abs. 1; AO § 125
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder bis zum 31. Dezember 1966 in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) ein Bedachungsgeschäft. Am 1. Januar 1967 trennten sich die Gesellschafter. Der Kläger führte mit dem Vater unter der Bezeichung X die Betriebstätte in S als eigenes Bedachungsgeschäft weiter. Ab 1. Januar 1968 beurteilte das damals zuständige Finanzamt A (FA A) den Kläger als Einzelunternehmer mit der Begründung, der Vater sei weder an den stillen Reserven noch am Gewinn und Verlust beteiligt.
Nach einer im Jahre 1964 bei der GdbR durchgeführten Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1959 bis 1962 hatte das FA A mit Sammelberichtigungsbescheid vom 20. Oktober 1964 für diese Jahre Umsatzsteuer in Höhe von 6 585,05 DM nachgefordert. Die GdbR zahlte den Betrag nicht und focht den Sammelberichtigungsbescheid an. Während des Klageverfahrens gegen den Sammelberichtigungsbescheid erwirkte sie am 21. März 1966 beim FA A die Aussetzung der Vollziehung. Diese war befristet bis "10 Tage nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Klage". Am 27. Juli 1966 änderte das FA A den Sammelberichtigungsbescheid und setzte die Steuernachforderung auf 6 454,20 DM herab.
In der mündlichen Verhandlung über die Klage schlug das Gericht am 29. November 1967 vor, die Behörde möge die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre gemäß § 94 der Reichsabgabenordnung (AO) ändern; es bezifferte für jedes einzelne Jahr die von ihm für zutreffend erachtete Steuerschuld. Insgesamt verringerten sich dadurch die Nachforderungen um 695,85 DM auf 5 758,35 DM. Die Beteiligten nahmen den Vorschlag "vorbehaltlos und unwiderruflich" an und erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Prozeßbevollmächtigte der GdbR verzichtete zugleich auf Rechtsmittel gegen die noch zu erlassenden Änderungsbescheide. Das FA A erließ am 5. Januar 1968 gemäß dem Vorschlag des Gerichts einen geänderten Sammelberichtigungsbescheid für die GdbR. Der Bescheid enthielt kein Leistungsgebot.
In der Folge zahlte das FA A irrtümlich den Betrag von 695,85 DM an die GdbR aus, statt die nachgeforderten Umsatzsteuern von 1959 bis 1962 in der verbliebenen Höhe einzufordern. Anfang 1973 fiel dem FA A der Fehler auf. Mit Schreiben vom 16. März 1973 wandte es sich an den Kläger und forderte diesen auf, zur Tilgung der Umsatzsteuerschulden der "ehemaligen BGB-Gesellschaft Y" 6 455,20 DM zuzüglich 896 DM an Säumniszuschlägen für die Zeit vom 1. Januar 1972 bis zum 28. Februar 1973 zu zahlen. Nachdem der Kläger unter Hinweis auf die Verjährungsvorschriften die Zahlung verweigert hatte, erließ des FA A am 29. November 1973 einen Abrechnungsbescheid für die Steuerschulden der erloschenen GdbR und am 30. November 1973 einen Haftungsbescheid; beide Bescheide waren an den Kläger gerichtet. In dem Abrechnungsbescheid hieß es unter dem Betreff "Ehemalige Firma Y GdbR":
Umsatzsteuer-Soll lt. Bescheid
vom 20. Oktober 1964 6 585,05 DM
./. Umsatzsteuer-Soll lt. Bescheid
vom 27. Juli 1966 130,85 DM
6 454,20 DM
Sodann enthält der Abrechungsbescheid die Feststellung: "Der sich aufgrund des Umsatzsteueränderungsbescheids 1959 bis 1962 vom 5.1.1968 ergebende Rotbetrag von 695,85 DM ist am 25.1.1968 erstattet worden."
Gegen beide Bescheide legte der Kläger am 21. Dezember 1973 Einspruch ein. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Zur Begründung der Klage trug der Kläger vor, die nachgeforderten Steuern seien verjährt. Das Finanzgericht (FG) teilte die Auffassung des Klägers und hob den Abrechnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 1974 ersatzlos auf.
Das FA A legte nach Zulassung durch das FG Revision ein.
Während des Revisionsverfahrens ist an die Stelle des zunächst zuständigen FA A nach einer Verordnung über die Bestimmung der Bezirke einiger Finanzämter das FA L getreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.
1. Durch Verordnung nach § 17 des Gesetzes über die Finanzverwaltung ist mit Wirkung vom 1. November 1976 - also während des Revisionsverfahrens - die Zuständigkeit des ursprünglich beteiligten FA A auf das FA L dadurch übergegangen, daß die sachliche Kompetenz dieser FÄ räumlich anders abgegrenzt worden ist. Damit kann und darf das FA A seine ihm bislang zustehende Verwaltungskompetenz nicht mehr ausüben; es hat seine Wahrnehmungszuständigkeit an das nunmehr zuständige FA L verloren. Daraus folgt, daß das FA L im Zeitpunkt der Zuständigkeitsveränderung in die Beteiligtenrolle des FA A eingetreten ist (gesetzlicher Parteiwechsel; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. November 1977 V R 67/75, BFHE 124, 299, 301, BStBl II 1978, 310).
Daran ändert der Umstand nichts, daß dieser gesetzliche Parteiwechsel im Revisionsverfahren stattgefunden hat. Zwar ist nach § 122 Abs. 1 FGO im Revisionsverfahren Beteiligter, wer am Verfahren über die Klage beteiligt war. Diese Bestimmung ist jedoch nach ihrem Sinn und Zweck einschränkend auszulegen. Sie enthält den an sich selbstverständlichen Grundsatz, daß am Revisionsverfahren - in dem die Vorentscheidung mit bestimmten Beteiligten nachgeprüft werden soll - neue Beteiligte nicht teilnehmen können. Sie dient damit gewissermaßen als Einleitung für den in Absatz 2 dieser Bestimmung ausdrücklich geregelten Ausnahmefall des Beitritts des Bundesministers der Finanzen (BdF). Ihr kann jedoch nicht der Grundsatz entnommen werden, daß ein gesetzlicher Parteiwechsel im oben genannten Sinn im Revisionsverfahren nicht mehr möglich ist. Für einen solchen Grundsatz fehlte jede sachliche Rechtfertigung. Auch sprechen Gründe der Prozeßökonomie gegen eine solche Auslegung des § 122 Abs. 1 FGO. Der Senat befindet sich insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH (Urteile vom 19. November 1974 VIII R 192/72, BFHE 114, 390, BStBl II 1975, 210, und vom 7. November 1978 VIII R 183/75, BFHE 126, 292, BStBl II 1979, 169). Auch das zitierte Urteil des V. Senats des BFH bekräftigt diese Auffassung mittelbar, wenn es sich dort auch um einen Fall des gesetzlichen Parteiwechsels in der Vorinstanz handelt. Die gegenteilige Ansicht hat der I. Senat des BFH in den Urteilen vom 13. September 1972 I R 130/70 (BFHE 107, 158, 160, BStBl II 1973, 57) und vom 13. November 1974 I R 46/72 (BFHE 114, 335, 337, BStBl II 1975, 292) vertreten. Der III. Senat des BFH, der in dem Urteil vom 16. Februar 1968 III B 7/67 (BFHE 92, 28, BStBl II 1968, 443) ebenso entschieden hatte wie der I. Senat, hat inzwischen seine Ansicht aufgegeben (vgl. das Urteil V R 67/75). Auch der I. Senat hat auf Anfrage erklärt, er halte an seiner in den beiden genannten Urteilen vertretenen Auffassung nicht mehr fest.
2. Abrechungsbescheide setzen einen Antrag voraus (§ 125 AO; Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 3. Mai 1933 IV A 289/32, RFHE 33, 145; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 125 AO Anm. 3 b; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., § 125 AO Anm. 6; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 1963, § 125 Anm. 2 Abs. 2). Im vorliegenden Fall ist ein solcher Antrag vor Erlaß des Abrechnungsbescheides nicht gestellt worden. Die Frage, ob der erst im Schreiben vom 22. Dezember 1973, also nach Erlaß des Bescheids, gestellte Antrag es rechtfertigen könnte, über diesen Mangel hinwegzusehen, kann auf sich beruhen. Denn der Abrechnungsbescheid ist jedenfalls deshalb aufzuheben, weil sein Inhalt nicht den gesetzlichen Erfordernissen genügt.
3. Nach § 125 AO kann der Steuerpflichtige dann einen Abrechnungsbescheid verlangen, wenn zwischen ihm und dem FA Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, ob eine Zahlungsverpflichtung erloschen ist. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, dem Steuerpflichtigen in derartigen Fällen einen zusätzlichen Rechtsbehelf zu gewähren (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 125 AO Anm. 1, und die zitierte RFH-Entscheidung; BFH-Urteil vom 16. Oktober 1953 III 145/52 U, BFHE 58, 215, BStBl III 1953, 373, 374). Diesem Gesetzeszweck wird der Abrechnungsbescheid aber nur dann gerecht, wenn er die nach Ansicht der Behörde noch bestehenden Ansprüche im einzelnen bezeichnet. Nur anhand eines derartigen Bescheids können der Antragsteller und gegebenenfalls die Gerichte prüfen, wieweit das FA zu Recht vom Steuerpflichtigen noch etwas verlangt und worauf spätere Zahlungen des Steuerpflichtigen oder eines Dritten anzurechnen sind. Es ist deshalb erforderlich, daß im Abrechnungsbescheid die Forderungen des FA nach Steuerart, Jahren und Beträgen aufgegliedert sind. Es reicht nicht aus, wenn diese Angaben lediglich den zugrunde liegenden Steuerfestsetzungen entnommen werden können (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 8. Juni 1966 VII 293/64, BFHE 86, 409, BStBl III 1966, 563).
Der vorliegende Abrechnungsbescheid entspricht diesen Anforderungen nicht. Die geltend gemachten Steuerforderungen sind nicht getrennt nach Veranlagungszeiträumen, sondern zusammengefaßt in einer Summe aufgeführt. Darüber hinaus wird in ihm der gesamte noch zu zahlende Betrag als "Umsatzsteuer-Soll" bezeichnet. Das ist nicht zutreffend. Durch den Änderungsbescheid vom 5. Januar 1968 wurden die Steuernachforderungen um 695,85 DM ermäßigt. Dadurch, daß dieser Betrag irrtümlich dem Kläger ausbezahlt wurde, obwohl zuvor auf die Forderungen keine Zahlungen geleistet worden waren, entstand insoweit ein Rückforderungsanspruch des FA, der in dem Abrechnungsbescheid gesondert hätte aufgeführt werden müssen.
Soweit der Abrechungsbescheid Säumniszuschläge ausweist, gelten dieselben Anforderungen wie für die Steueransprüche. Auch hier reicht es nicht aus, daß die Säumniszuschläge, wie geschehen, vom Gesamtbetrag der Steuerforderungen berechnet werden. Die Säumniszuschläge sind vielmehr, bezogen auf jede einzelne Steuerschuld, getrennt anzugeben. Im übrigen ist es fraglich, ob bei Rückforderungsansprüchen Säumniszuschläge anfallen (vgl. § 1 des Steuersäumnisgesetzes - StSäumG -; Tipke-Kruse, a. a. O., § 1 StSäumG Anm. 1; Becker-Riewald-Koch, a. a. O., Anm. 1 Abs. 1 zu § 1 StSäumG, Anm. 6 Abs. 9 zu § 150 AO).
Fundstellen
BStBl II 1979, 714 |
BFHE 1979, 251 |